Politik

24.08.2018

Ein überfälliger Anfang

Ein Kommentar von Waltraud Taschner

Endlich. Dass es im Geburtenregister künftig neben den Bezeichnungen „weiblich“ und „männlich“ eine dritte Option „divers“ geben wird, ist überfällig. Den Anstoß lieferte das Bundesverfassungsgericht, was für den Gesetzgeber kein Ruhmesblatt ist. Viel zu lange mussten Intersexuelle, also Menschen, die bei ihrer Geburt nicht eindeutig als Mädchen oder Bub identifiziert werden konnten, mit dem Gefühl leben, kein gleichberechtigtes Mitglied der Gesellschaft zu sein. Betroffen sind – je nach Schätzung – zwischen 0,2 und ein Prozent der Bevölkerung. Ein Prozent: Das würde bedeuten, dass jeder 100. Mensch intersexuell ist.

So schön die geplante Neuerung auch ist: Sie hat jede Menge Haken. Zum Beispiel soll, wer seinen Eintrag im Geburtenregister ändern lassen will, ein ärztliches Attest vorlegen. Für Betroffene, die allzu oft unter Diskriminierungen leiden, kann das eine hohe Hürde sein. Vielleicht nicht in Berlin-Kreuzberg. Im Bayerischen Wald oder auf der Schwäbischen Alb schon eher. Wem bitte schadet es, wenn auf ein Attest verzichtet wird?

Es  müssen auch ganz praktische Dinge geregelt werden: Was ist mit der Anrede Herr/Frau? Und auf welche Toilette gehen Divers-Menschen?


Ein weiterer Schwachpunkt: Das Gesetz soll nur für Intersexuelle gelten. Nicht jedoch für Transsexuelle – also für Menschen, deren Geschlecht bei der Geburt zwar eindeutig schien, sich aber später fremd anfühlte. Wie viele Menschen betroffen sind, kann selbst der Bundesverband Trans nicht genau sagen. Studien gehen von bis zu 1,4 Prozent der Bevölkerung aus. Diese Menschen müssen auch nach Inkrafttreten der neuen Regelung offiziell als „männlich“ oder „weiblich“ gelten. Eine überflüssige Bevormundung, die dem verbreiteten Bedürfnis entgegenkommt, Menschen in Schubladen zu stecken. Nach Aussage von Experten können sich bis zu drei Viertel der Transsexuellen nicht hundertprozentig einem Geschlecht zuordnen.

Der Gesetzgeber muss sich dieser Fragen annehmen. Und er muss auch ganz praktische Dinge klären: Wie steht es künftig mit der Anrede Herr/Frau? Welche Rechte haben Divers-Menschen? In welche Umkleide gehen sie, auf welche Toilette, in welche Dusche? In Schweden beispielsweise gibt es bereits öffentliche Toiletten für Damen, Herren und für Divers-Leute. Auch internationale Konzerne wie SAP verfahren so.

Es wird Zeit, dass auch der deutsche Staat auf gesellschaftliche Realitäten des 21. Jahrhunderts reagiert.

Kommentare (2)

  1. Markus am 25.08.2018
    Ich meine, der o.g. Kommentar „Ein überfälliger Anfang“ soll als besondere Form einer Kleinkunstbühne verstanden werden, die politische Zustände oder aktuelle Ereignisse kritisiert.

    Möglicherweise möchte die Verfasserin damit zur Diskussion anregen, mit der alle bisherigen Pläne und Vorgehensweisen zum Thema nochmals auf Sinnhaftigkeit geprüft werden.

    Was würde denn dagegen sprechen, wenn alle bisher üblichen Anreden wie „Herr“und „Frau“ allgemein weggelassen werden und es nur noch „Vorname“ und „Name“ gibt?
    Eine eventuelle Diskriminierung/Bevormundung wäre damit gänzlich ausgeschlossen.

    In manchen Bereichen des Internets ist diese Vorgehensweise bereits üblich. Und es dürfte auch nichts einzuwenden sein, den gesunden Menschenverstand zu benutzen.

    Alle anderen in diesem Zusammenhang vermeindlich wichtigen Fragen könnten dann ausschließlich in Satireschriften besprochen werden.
  2. Leider normal am 24.08.2018
    Gesegnet das Land, das sich mit solchen „Problemen“ herumschlagen darf. In Syrien verrecken sie im Bombenhagel, im Südsudan unter Dürre und Hungersnot und im Kongo grassiert wieder Ebola. Aber egal, auch eine richtige oder falsche Toilettenbeschriftung kann Kummer machen.
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