Politik

Hermann Imhof: Er kandidiert nicht mehr für den Landtag. (Foto: dpa)

17.08.2018

Ein unbequemer Kämpfer für Patientenrechte

Der Nürnberger Landtagsabgeordnete Hermann Imhof (CSU), Patienten- und Pflegebeauftragter der Staatsregierung, scheidet aus dem Amt – und zieht eine durchwachsene Bilanz

Bequem sein und angepasst, das war nie das Ding von Hermann Imhof. Mit seiner Meinung hat der CSU-Abgeordnete aus Nürnberg noch nie gern hinterm Berg gehalten, auch wenn er dafür in der eigenen Partei mitunter heftiges Stirnrunzeln erntete. Seine Unbeirrbarkeit in der Sache trägt ihn auch durch das Amt des Patienten- und Pflegebeauftragten der Staatsregierung. Denn er trifft mit seinen Ideen für mündige Patienten und eine bessere Pflege vielfach auf Gegenwind oder – fast noch schlimmer – Gleichgültigkeit. Nach gut viereinhalb Jahren gibt der 65-Jährige den Posten nach der Landtagswahl ab; er kandidiert nicht mehr für den Landtag. Imhof scheidet in der Gewissheit, als Anwalt von Patienten, Pflegebedürftigen und Pflegepersonal viel, aber längst nicht alles erreicht zu haben.

Im Laufe seiner Amtszeit haben sich rund 3500 Bürger mit Anfragen und Hilfegesuchen an Imhofs Geschäftsstelle im Gesundheitsministerium gewandt. Von allgemeinen Beschwerden über das Gesundheitssystem bis zu sehr persönlichen Anliegen war alles dabei. Imhof und sein, wie er das nennt, „kleines Traumteam“ in der Geschäftsstelle sind allen Anfragen nachgegangen und haben sich um schnelle Lösungen bemüht. Bewegt erzählt Imhof von den vielen Dankesschreiben. „Manchmal hatten diese Menschen das erste Mal das Gefühl, mit ihren individuellen Nöten und Sorgen ernst genommen zu werden“, berichtet er. Dies zeige ihm, dass es Patienten, Pflegebedürftige und deren Angehörige nach wie vor schwer haben, bei den zuständigen Institutionen Gehör zu finden.

Zu Imhofs erfolgreichen Initiativen gehören das neue bayerische Landespflegegeld und die vielen Millionen für den Ausbau von Kurzzeitpflegeplätzen. Beides sieht er als wichtige Signale für die Wertschätzung der aufopferungsvollen Arbeit pflegender Angehöriger. Fast noch wichtiger ist ihm aber, dass er es geschafft hat, mit seiner Bürgernähe ein akzeptiertes Sprachrohr für seine Schützlinge zu werden. „Das Bewusstsein für die Brisanz des Themas Pflege ist endlich in der Politik angekommen“, sagt Imhof.

Sein Ziel: Binnen drei Tagen einen Pflegeplatz finden

Das ist auch nötig, denn Imhof sieht sehr viel Handlungsbedarf. Vor allem müssten die Angehörigen in ihrer belastenden Situation noch stärker unterstützt werden. „Die Gesetze müssen wasserdicht für Angehörige sein“, fordert Imhof. Viel zu oft seien sie Bittsteller im Dschungel verschiedener Zuständigkeiten. Für den Ernstfall brauche es „Pflegelotsen“. Die Beratung müsse deutlich ausgebaut werden, überall in Bayern brauche es Pflegestützpunkte, in denen Betroffene vertrauensvoll, fachübergreifend, unabhängig und hochprofessionell beraten würden. Imhofs Ziel: Binnen drei Tagen müsse für akut Pflegebedürftige ein Platz gefunden sein.

Für die Unterstützung pflegender Angehöriger hat Imhof einige „progressive Ideen“. Sie orientieren sich am System der Kinderbetreuung. Um Pflege und Beruf besser vereinbaren zu können, schlägt Imhof zum Beispiel vor, die Tagespflege regional passgenau auszubauen. Dazu brauche es im Wohnumfeld der Betroffenen ausreichend Plätze, in denen zu Hause gepflegte Menschen tagsüber betreut würden. Analog zu Erziehungsurlaub und Elterngeld wünscht sich Imhof eine gesetzlich garantierte Freistellung für pflegende Angehörige mit einer teilweisen Übernahme des in dieser Zeit wegfallenden Gehalts. Dazu gehöre ein anschließendes Rückkehrrecht in den Beruf. Imhof sieht dabei auch die Arbeitgeber in der Pflicht, die für pflegende Angehörige flexible Arbeitszeiten anbieten und neben Betriebskindergärten auch Tagespflegeplätze bereithalten sollten.

Als letzten Baustein mahnt Imhof bessere Arbeitsbedingungen und die bessere Bezahlung der Pflegekräfte an. Es brauche einen allgemein gültigen Tarifvertrag, wobei sich die Entlohnung an Fachkräften der Industrie orientieren könne, und mehr Pflegepersonal. Beides bedinge sich. „Beim Personalbestand sind wir auf einem bedenklichen Level angekommen“, stellt Imhof fest. Echte zuwendungsorientierte Pflege werde immer schwieriger, weshalb viele Pflegekräfte am Verzweifeln und am Ende ihrer Kräfte seien. „Wir brauchen bei den Arbeitsbedingungen Signale an die Beschäftigten, die an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig lassen“, lautet Imhofs Appell an Politik, Tarifpartner, Trägerverbände und Krankenkassen.

Imhof weiß, dass das alles teuer würde, aber nur mit solchen Hilfen werde die Pflege in Zukunft leistbar sein. „Ohne dieses ganze Bündel an Maßnahmen bricht früher oder später sowohl die stationäre als auch die ambulante Pflege zusammen“, warnt er. Finanzielle Entlastung könnten die Bündelung von Strukturen und die Weiterentwicklung der Pflegeversicherung bieten. Zudem müsse mehr Steuergeld ins System fließen, bei der Pflege handle es sich um eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. „Die Frage ist doch, was uns eine humane Pflege wert ist“, erklärt Imhof. Betroffener könne schließlich jeder werden.

Seinem Rückzug blickt er etwas wehmütig entgegen

Auch bei seiner zweiten Aufgabe, dem Einsatz für die Belange von Patienten, sieht Imhof noch viel Arbeit. Zwar sei mit der Einführung des Patientenentschädigungsfonds zur finanziellen Abfederung ärztlicher Behandlungsfehler ein deutliches Zeichen gesetzt worden, doch vom „Patienten auf Augenhöhe“ gegenüber Ärzten und Krankenkassen sei man noch weit entfernt. Nötig sei mehr Transparenz im Umgang von Ärzten mit ihren Patienten, oft fehle es schlicht an der nötigen Kommunikation. Und zur Feststellung von Behandlungsfehlern müsse die Beweislast durch den Patienten zumindest reduziert werden.

Seinem bevorstehenden Rückzug aus dem Amt blickt Imhof geschäftsmäßig, aber auch mit etwas Wehmut entgegen. Wer ihm auch immer nachfolgen wird, Ratschläge für sie oder ihn unterlässt er. Nur soviel: Wichtig seien eine innere Unabhängigkeit, eine gewisse Hartnäckigkeit und die Lust, progressive Ideen einzubringen. Was sich für ihn als entscheidend herausgestellt habe, sei das offene Gespräch mit den Betroffenen auf Augenhöhe. Nur dadurch sei er der Wahrheit nahe gekommen, die da laute: „In der Pflege ist es nicht fünf vor zwölf, sondern fünf nach zwölf!“ (Jürgen Umlauft)

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