Politik

Auch im bayerischen Landtag soll geklärt werden, wie die Zwickauer Terrorzelle so lange unentdeckt bleiben konnte. (Foto: dapd)

18.05.2012

"Ein wichtiges politisches Signal"

Auch der bayerische Landtag untersucht nun die Neonazi-Morde – doch welchen Erkenntnisgewinn kann ein vierter Untersuchungsausschuss bringen?

Es hätte das Ende des Kompetenzgerangels bei der Aufklärung der rechtsextremen Mordserie bedeuten können. Nach dem neunten Mord durch die Neonazi-Terrorzelle NSU (Nationalsozialistischer Untergrund) hatte sich das Bundeskriminalamt (BKA) bemüht, die federführende Kompetenz an sich zu ziehen. Doch der Versuch scheiterte – auch am Unwillen des damaligen bayerischen Innenministers Günther Beckstein (CSU). Wie der NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestags offenlegte, soll Beckstein eine Übernahme durch das BKA als „Kriegserklärung“  empfunden haben. Am Donnerstag wird Beckstein also einiges zu erklären haben, dann nämlich wird er selbst vor dem Ausschuss vernommen.
Aber nicht nur angesichts des Kompetenz-Wirrwarrs der Ermittlungsbehörden verliert man leicht den Überblick. Die Zahl der Gremien, die sich parallel mit der Aufarbeitung der Ermittlungspannen beschäftigen, wird immer größer. Neben dem Bundestagsausschuss wollen auch der sächsische und der Thüringer Landtag klären, wie die Zwickauer Zelle so lange unentdeckt bleiben konnte. Hinzu kommen die Bund-Länder-Kommission, die von der Erfurter Landesregierung eingesetzte Kommission und die Ermittlungen des Generalbundesanwaltes.


Scharfes Schwert oder stumpfer Partei-Hickhack?


Und jetzt bekommt auch Bayern seinen eigenen Untersuchungsausschuss. Die Landtags-SPD wird ihn beantragen, leiten soll ihn Franz Schindler (SPD), der Vorsitzende des Rechtsausschusses, der in dem Ausschuss ein wichtiges politisches Signal sieht, das man auch den Hinterbliebenen der Opfer schuldig sei. „Fünf der Morde durch die NSU fanden in Bayern statt, da wäre es schwer zu erklären, warum es ausgerechnet im Freistaat keinen Untersuchungsausschuss gibt“, sagt er der Staatszeitung. Eine Gefahr, dass sich die verschiedenen Ausschüsse gegenseitig ins Gehege kommen, sieht er indes nicht. „Es ist nicht das erste Mal, dass verschiedene Gremien am gleichen Untersuchungsgegenstand arbeiten“, sagt er. Die Zusammenarbeit und der Informationsaustausch der Untersuchungsausschüsse des Bundestags und des bayerischen Landtags zur Plutoniums-Affäre 1995 bis 1997 hätten schließlich auch „hervorragend geklappt“.
Gerne werden Untersuchungsausschüsse als das „schärfste Schwert“ des Parlaments bezeichnet. In der Tat hat das Gremium weitreichende Rechte. Der Ausschuss arbeitet nach der Strafprozessordnung, entsprechend kann er Zeugen und Sachverständige laden, Beweise erheben und weitere gerichtliche Ermittlungen anstoßen. Er hat das Recht, die Vorlage von Akten zu verlangen und es gilt – wie auch vor Gericht – die Wahrheitspflicht.
In der Regel ist der Untersuchungsausschuss ein „Kampfinstrument der Opposition“, um ein Fehlverhalten der Regierung anzuprangern. Entsprechend groß ist deshalb meist auch das parteipolitische Hickhack, das die Untersuchungen begleitet. Am Ende steht ein Schlussbericht des Ausschusses – der wie alle anderen entsprechend der Stärke der Fraktionen besetzt ist. Zusammen mit dem Schlussbericht wird in der Regel ein Minderheitenbericht publiziert. In den vergangenen Jahren – sei es im Untersuchungsausschuss zur BayernLB oder auch zum Gammelfleisch-Skandal – kamen Regierungs- und Oppositionsparteien oft zu völlig gegensätzlichen Rückschlüssen. Handfeste  personelle und organisatorische Konsequenzen sind deshalb zwar eher selten, aber möglich. Nämlich vor allem dann, wenn der durch die Untersuchungen entstandene öffentliche Druck sie erzwingt.

Parteipolitische Kämpfe halten sich wohl in Grenzen


Eines zeigt sich aber schon jetzt: Im Zuge des NSU-Untersuchungsausschusses und angesichts des großen öffentlichen Interesses dürften sich die parteipolitischen Kämpfe in Grenzen halten.  Grüne und Freie Wähler haben die Einladung der SPD zur Zusammenarbeit sofort angenommen. Eigentlich hätte die SPD  ihre Unterstützung nicht gebraucht. Denn bereits mit 20 Prozent der Abgeordnetenstimmen lässt sich ein Untersuchungsausschuss erzwingen.
Aber auch CSU und FDP haben schon Bereitschaft zur Zusammenarbeit signalisiert. „Es gibt überhaupt nichts zu verbergen. Die CSU ist – wie auch beim Untersuchungsausschuss im Bundestag – für Transparenz, Offenheit und Aufklärung“, sagt Fraktionschef Georg Schmid der BSZ. Er gehe davon aus, dass seine Fraktion der Einrichtung des Untersuchungsausschusses zustimmen werde. Allerdings macht Schmid auch keinen Hehl daraus, dass er sich wohl nicht all zu viel neue Erkenntnisse erwarte, denn er sagt auch: „Wir haben überhaupt kein Problem damit, uns auch im Landtag mit den Unterlagen zu befassen, die die bayerischen Behörden schon im Bundestag vorgelegt haben.“
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) schlägt in dieselbe Kerbe und kündigt an, man werde München die gleichen Unterlagen vorlegen, die man auch Berlin zur Verfügung stelle. „Ob ein bayerischer Ausschuss neue Sachverhalte ausfindig macht, weiß auch ich nicht“, sagt selbst Schindler. Doch er ist optimistisch, „da sich weder Thüringen, Sachsen noch Berlin ausschließlich mit den bayerischen Verwicklungen befassen können und auch wollen.“ Der aktuelle Abschlussbericht der Erfurter Kommission benennt naturgemäß gravierende Pannen bei den Thüringer Sicherheitsbehörden.
Jetzt ginge es darum, bayerische Strukturen, die nicht optimal sind, offenzulegen, um Verbesserungsvorschläge machen zu können, so Schindler. Eifersüchteleien zwischen den Behörden zeigten, dass es eben auch dort menschelt. „Das werden wir nicht aus der Welt schaffen können. Aber wir können die Strukturen so ändern, dass es keine Auswirkungen mehr hat und ähnliche Pannen nicht mehr vorkommen.“ (Angelika Kahl)

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