Politik

Im SPD-Zelt beim Gillamoos hatte man keine Probleme, einen Platz zu finden. Andere Parteien haben in Bayern deutlich mehr Fans. (Foto: dpa/Lukas Barth)

19.09.2025

Eine Partei auf der Suche: Die SPD hat Gesprächsbedarf

Gender- und Transsexuellenthemen statt Wohnraum- und Energiekonzepte: Eine Partei auf der Suche

Der Anblick war reichlich trostlos. Zum Politischen Gillamoos in Abensberg hatte die SPD wie immer ins Härteis-Zelt geladen. Aber während man bei den anderen Parteien schon vor Beginn der Veranstaltung nach freien Plätzen fahnden musste, blieb die SPD-Lokalität zu zwei Dritteln leer.

Seit einigen Jahren verharren die bayerischen Sozis bei rund acht Prozent, aktuell bestätigt in einer Forsa-Umfrage. Hier im Härteis-Zelt visualisierte sich das aufs Eindringlichste. Warum die SPD seit 2013 mehr als die Hälfte ihrer bayerischen Wählerschaft verloren hat, scheint inzwischen klar zu sein in der Partei. „Wir waren nicht nah genug an der Lebensrealität der Menschen“, analysierte Landeschefin Ronja Endres im Sommer.

Ihr designierter Co-Vorsitzender Sebastian Roloff, der sich kommende Woche auf dem Landesparteitag in Landshut zur Wahl stellt, nennt weitere Gründe. Es fehle der „Rückenwind aus Berlin“, man erlebe das Erstarken der Linkspartei, in den Städten konkurriere die SPD mit den Grünen um die gleichen Wählerschichten und auf dem Land fehle es vielfach an Präsenz.

Und dann ist da noch die AfD, die der SPD die Stammwählerinnen und -wähler in der Arbeiterschaft wegnimmt. „Ich frage mich auch, warum wir diese Wählerschaft an die AfD verloren haben“, grübelt Roloff. „Wir haben in der Ampel doch eigentlich viel umgesetzt für diese Klientel.“ Er meint den Mindestlohn, die Rentenstabilisierung und die Abfederung der immens gestiegenen Energiepreise.

Konsterniert wegen der "Vergrünung" der Partei

Die Erkenntnislücken des Münchners Roloff zur AfD kann Christian Thiel schließen. Er ist SPD-Bürgermeister im niederbayerischen Massing, Landkreis Rottal-Inn.
Viele SPD-Leute sind konsterniert von der „Vergrünung“ der Partei

Hier schließt die AfD mancherorts zur einst dominierenden CSU auf, die SPD ist auf dem Weg zur Kleinstpartei. Thiel kann plastisch davon erzählen, wie das so ist mit der SPD und der Lebensrealität draußen auf dem Land. Er spricht von der „Vergrünung“ der SPD, für die es gerade in der Arbeiterschaft kein Verständnis gebe.

Viele BMW-Beschäftigte in Niederbayern wüssten nicht, wie es wegen des Verbrennerverbots weitergehe mit ihren Jobs, doch die SPD-Oberen setzten voll auf E-Mobilität. Im Ort kenne er zudem nicht wenige Rentnerinnen, die die Angst umtreibe, ihre Miete nicht mehr bezahlen zu können. „Wir müssen wieder die Arbeiter- und Angestelltenpartei werden“, fordert Thiel, man müsse die wahren Sorgen der kleinen Leute in den Fokus nehmen.

Stattdessen werde die SPD als Partei wahrgenommen, die sich um die Rechte Transsexueller kümmere, die Cannabislegalisierung verfechte und gendergerecht spreche. „Das sind doch alles Lückenfüllerthemen, die die Leute draußen überhaupt nicht interessieren“, schimpft Thiel. Die SPD müsse für bezahlbare Wohnungen, niedrigere Energiepreise und für eine Steuerreform kämpfen, die die Mittelschicht entlaste.

Erheblicher innerparteilicher Gesprächsbedarf

Forderungen, die sich mit wissenschaftlicher Expertise decken. „Die SPD muss über Renten, Mindestlohn und Mieten sprechen. Das sind die entscheidenden Themen, nicht Identitätspolitik“, erklärte jüngst der Politologe Thomas Biebricher im SZ-Interview.

Roloff schreibt und spricht gendergerecht. Für Kritik daran hat er kein Verständnis. Er kann auch den Vorwurf nicht nachvollziehen, die SPD beschäftige sich nur mit Randthemen von Minderheiten. „Wir müssen das eine tun und dürfen das andere nicht lassen“, sagt er und betont: „Als wirtschaftspolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion mache ich den ganzen Tag nichts anderes, als mich um die Belange der Arbeitnehmer*innen zu kümmern.“

Klingt nach erheblichem innerparteilichen Gesprächsbedarf. Genau den will SPD-Fraktionschef Holger Grießhammer ankurbeln. Bei seinen Besuchen in örtlichen Parteigremien appelliert er an Bürgermeister und Ortsvorsitzende, sich als Delegierte für den Parteitag zu melden. Die Konvente sind aus seiner Sicht nicht repräsentativ für die Partei besetzt, Abgeordnete und städtisch sozialisierte Mitglieder bildeten die Mehrheit. So komme es zu den Beschlüssen, die weit weg seien von der Lebensrealität der Menschen.

In der Sache beklagt Grießhammer, dass sich die SPD mit der Einführung des Bürgergelds das Image einer „Nichtarbeiterpartei“ erworben habe. Es brauche deshalb eine Reform mit spürbaren Sanktionen für jene, die eine Arbeitsaufnahme verweigerten.

Als zweites klares Signal in Richtung der arbeitenden Menschen setzt er wie Thiel darauf, dass den Beziehern kleiner und mittlerer Einkommen mehr Netto vom Brutto bleibt. „Es muss wieder spürbar bei den Leuten ankommen, dass wir für ihre Interessen einstehen“, erklärt Grießhammer. Er wird beim Parteitag dabei sein. (Jürgen Umlauft)
 

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