Günther Bartl hat sein Ziel erreicht: Er kann in München-Bogenhausen wohnen bleiben. Lebenslang und preisgünstig. Anfang 2019 zieht der pensionierte Mittelschul-Rektor in eine Wohnung im Prinz-Eugen-Park. Möglich ist das, weil er mit sechs Mitstreitern eine Genossenschaft gegründet hat: den Bürgerbauverein, der inzwischen auf 139 Mitglieder kommt. Ende Juni kaufen die Genossen von der Stadt das Grundstück. Baubeginn von 86 Wohnungen samt Tiefgarage und Gemeinschaftsdachgarten ist im Frühjahr 2018.
Angesichts der explodierenden Miet- und Bodenpreise erleben Wohnbaugenossenschaften eine Renaissance. Der Bürgerbauverein ist nur eine von sieben Genossenschaften, die sich allein in München seit 2015 neu gegründet haben. Davor gab es die letzte Neugründung in der Landeshauptstadt im Jahr 2001. „Immer mehr engagierte Genossenschaftsgründer möchten selbst das Ruder in die Hand nehmen und Projekte für dauerhaftes, bezahlbares Wohnen planen“, bestätigt Xaver Kroner, Direktor des Verbands bayerischer Wohnungsunternehmen (VdW Bayern).
Die Finanzierung für das Projekt des Bürgerbauvereins steht: 26 Millionen Euro wird die Anlage in ökologischer Holzbauweise kosten. Möglich wird dieser vergleichsweise günstige Preis, weil die Stadt den Baugrund an Genossenschaften erheblich preiswerter abgibt als an private Investoren. Im Gegenzug müssen 20 Prozent der Wohnungen eine Sozialbindung haben. Weitere 40 Prozent müssen dem München Modell entsprechen, das Familien mit geringerem Einkommen ermöglichen soll, eine bezahlbare Immobilie zu erwerben.
Genossenschaften bieten ein Mittelding aus Mieten und Kaufen. Alle Mitglieder sind Miteigentümer der Genossenschaft, der das Haus gehört. Beim Bürgerverein kosten Genossenschaftsanteile je nach Förderungsanspruch zwischen 25 und 1050 Euro pro Quadratmeter. Das Nutzungsentgelt – also die Miete – wird sich auf 5,90 bis 13 Euro pro Quadratmeter belaufen. „Dieser Höchstbetrag für frei finanzierte Wohnungen klingt erst einmal viel“, räumt Bartl ein. „Dafür wird die Miete in den nächsten 40 Jahren aber nicht steigen.“ Kündigen kann man jederzeit, das eingelegte Geld wird dann ausbezahlt.
90 Quadratmeter für 1000 Euro
Auch außerhalb der Landeshauptstadt wird wieder kräftiger gegründet: 2016 entstanden neue Genossenschaften in Passau, Füssen, Weil und Kottgeisering. Allerdings befindet sich die Hälfte aller neuen Genossenschaften in München. Nicht nur, weil dort der Wohnungsmangel am heftigsten ist. Die Stadt hat laut VdW auch die besten Rahmenbedingungen. 20 bis 40 Prozent der Flächen in allen großen städtischen Neubaugebieten werden für Genossenschaften reserviert. Ausschreibungen gibt es in diesem Jahr noch für Areale in der Messestadt Riem und in Freiham-Nord. Auch die geplanten Bebauungen auf Grundstücken von Bayernkaserne, Zschockestraße und dem Kreativquartier an der Dachauer Straße werden genossenschaftliche Projekte enthalten. Dazu kommt: Seit Ende 2014 gibt es ein umfangreiches Beratungsangebot für die Gründung von Genossenschaften: die „Mitbauzentrale München“, getragen von der Stadt.
Ingolstadt und Regensburg ächzen ebenfalls unter dem Megaproblem Wohnraummangel. Auch dort würde man sich neue Initiativen zu Baugenossenschaften wünschen. Während man in Ingolstadt noch vorwiegend auf den Bau von Sozialwohnungen durch die eigene Gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaft setzt, ist man in Regensburg einen Schritt weiter. „Aus dem Stadtrat gibt es den Auftrag, Vergaberichtlinien so zu erarbeiten, dass speziell Genossenschaften berücksichtigt werden können“, sagt Anton Sedlmeier, Leiter des Amts für Stadtentwicklung. Außerdem ist ein runder Tisch geplant, der auslotet, wie Genossenschaften und Stadt einander besser unterstützen können.
Und auch Firmen sind gefragt: Gerade haben Mitarbeiter der Stadtwerke München eine Genossenschaft gegründet. Nun verhandeln sie mit dem Unternehmen über ein Grundstück. Simone Burger, Chefin des DGB München, hofft, dass auch dieses Modell Schule macht. „Unternehmen klagen über den Fachkräftemangel, sind aber nicht bereit, eine der Hauptursachen anzugehen: fehlenden und zu teuren Wohnraum“, kritisiert sie. „Viele Firmen besitzen Flächen, die nicht mehr gebraucht werden.“ Diese könnten sie betrieblichen Genossenschaften zur Verfügung stellen.
Auch wenn der Genossenschaftsbau zahlenmäßig noch ein Tropfen auf den heißen Stein ist – in den vergangenen zehn Jahren wurden so in München immerhin mehr als 1000 Wohnungen geplant oder gebaut, Tendenz steigend. Und jede Neugründung hat für die Genossen den Vorteil, dass sie nicht auf Wartelisten versauern – wie bei alteingesessenen Genossenschaften. Beim Münchner Bürgerverein sind aktuell sogar noch einige wenige Wohnungen zu haben – zum Beispiel 90 Quadratmeter im München Modell: Für eine Einlage von 85 500 Euro und rund 1000 Euro Monatsmiete könnte das für eine vierköpfige Familie mit bis zu 61 300 Euro Netto-Jahreseinkommen das neue unkündbare Zuhause sein. (Angelika Kahl)
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