Politik

Spritzen im Betrieb: Das Impftempo könnte damit signifikant gesteigert werden. (Foto: dpa/Jens Büttner)

23.04.2021

Ersehnter Pieks am Arbeitsplatz

Viele bayerische Unternehmen stehen bereit, ihre Belegschaft gegen Corona impfen zu lassen – im Freistaat gehen jetzt erst einmal zehn Modellprojekte an den Start

Betriebsimpfungen sollen den Kampf gegen Corona beschleunigen. Noch aber fehlt dafür der Impfstoff. Betriebsärzte kommen deshalb erst einmal nur in Modellprojekten zum Einsatz. 300 Firmen haben sich bayernweit beworben. Zehn kommen demnächst zum Zug. Im Grenzgebiet sind die Impfungen in Unternehmen bereits angelaufen. Zum Beispiel im Landkreis Cham.

334. Das war der bisherige Höchststand der Inzidenz im Landkreis Cham. Inzwischen liegt sie mit 233 deutlich darunter. Das mag daran liegen, dass die Zahlen in Tschechien massiv sinken und an den Schnellteststationen an den Grenzübergängen seit vielen Wochen verpflichtende Tests stattfinden.

Es könnte aber auch sein, dass man in den vergangenen Wochen im Umgang mit besonders betroffenen Regionen so einiges richtig gemacht hat und dass die neue „deutsche Flexibilität“, die Angela Merkel in einer Rede so eindringlich beschwor, als gebe es sie bereits, ihre Wirkung zeigt.

Denn dank dieser bislang weithin unterschätzten Beweglichkeit wurden in Grenzregionen zusätzliche Impfdosen geschickt. Im Landkreis Cham war dies ein Sonderkontingent von 7214 Dosen, wie Landrat Franz Löffler (CSU) berichtet. Im Rahmen einer „Ringimpfung“ wurden diese Extradosen von Mitte März bis Anfang April allerdings nicht einfach auf dem üblichen Weg in Impfzentren angeboten, sondern direkt in Betrieben verimpft.

Eine Impfung bekamen Produktionsmitarbeiter*innen in der Lebensmittelbranche, in Wäschereien und in der Industrie, sofern dort aufgrund der Produktionsbedingungen die Ansteckungsgefahr trotz Schutz- und Hygienekonzepten hoch war.

SPD befürchtet Vordrängeln von Großunternehmen

Karl Macharowsky, Geschäftsführer der Firma Müller Präzision, erzählt, dass im Gesundheitsamt insgesamt rund 300 seiner 500 Mitarbeiter*innen mit den sogenannten Grenzlanddosen geimpft worden seien. Leute unterschiedlichen Alters, die in der Logistik, in der Instandhaltung und im Lager arbeiten und Kontakte nicht immer vermeiden können.

„Wir sehen die Impfungen in Unternehmen als einen Ansatz, um dort, wo Kontakte nicht zu vermeiden sind, der Pandemie entgegenzuwirken“, so Macharowsky. Die Impfungen seien „ein Schutz für die Mitarbeiter und deren Familien und natürlich auch für uns als Unternehmen und unsere Kunden ein Faktor zur Risikominimierung von Produktionsausfällen“, sagt er. Und fügt hinzu: „Letzteres ist aber nicht das führende Kriterium.“

Dass Betriebsärzte bald auch jenseits der stark betroffenen Grenzregion die Belegschaft ganzer Unternehmen impfen können – zehn sollen jetzt als Modellbetriebe in Bayern an den Start gehen –, stößt manchen bitter auf. Gewittert wird, dass Kapital mal wieder trumpft und die eigentlich Bedürftigen außen vor bleiben. Die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD, Ruth Waldmann, kritisiert das Modellprojekt als eine „Mogelpackung“. Betriebsimpfungen würden in Bayern zum Vordrängeln von Großunternehmen genutzt. Die „Umverteilung an Großunternehmen“ bedeute, dass andere Berechtigte länger warten müssten. Es gibt ihn also noch: den klassischen sozialdemokratischen Beißreflex.

Tatsächlich bekunden Bayerns große Unternehmen bereits erhebliches Interesse daran, die eigene Belegschaft zu impfen, wie dies in jährlichen Grippeimpfungen bereits geschieht. Adidas in Herzogenaurach zum Beispiel. Aber erst müsse der Impfstoff flächendeckend für alle verfügbar sein, so eine Sprecherin. Und dann könne sich Adidas auch vorstellen, andere Unternehmen dabei zu unterstützen, ein Impfangebot zu schaffen – was man in der Umgebung des Unternehmens durchaus im Kopf behalten sollte.

Modellprojekte erst einmal in kleineren Betrieben

Auch die Deutsche Bahn bereitet sich bereits auf Impfungen im eigenen Unternehmen vor. An mindestens zehn Standorten in Deutschland wolle der Konzern Impfzentren einrichten, teilt eine Sprecherin mit. „Die ersten entstehen jetzt in München und Nürnberg.“ Aber auch hier ist klar: Mit dem Impfen kann erst begonnen werden, wenn genug Impfdosen zur Verfügung stehen. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) kündigte diese Woche an, dass Betriebsärzte ab Juni mit Impfstoff beliefert werden könnten.

In den nächsten Wochen wird es in Bayern also erst einmal Betriebsimpfungen nur im Rahmen der Modellprojekte geben. Und diese werden sich zunächst in Regionen befinden, so der bayerische Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU), die stark von Infektionen belastet sind. Und: Ausgewählt aus über 300 Bewerbungen würden kleine und mittelständische Unternehmen. Geimpft werden soll innerhalb von betriebsärztlichen Strukturen, auch, um daraus zu lernen, wie es logistisch am besten geht.

Mit den Betriebsimpfungen hofft man nicht nur zu Recht, das Impftempo deutlich zu steigern. Auch ein gewisser Gruppeneffekt ist nicht auszuschließen, auf den es gerade unter jüngeren Menschen ankommt. Denn sie gehören zu den sozial besonders aktiven Gesellschaftsgruppen. Sie können das Virus verstärkt verbreiten, haben aber zugleich wenig Angst vor einer Infektion. Dass im Sonderfall Grenzregion die Priorisierung ganz über Bord gekippt wurde, ergibt darum durchaus Sinn. Auch hier gilt: lieber ein bisschen flexibler – und dafür nachhaltig in der Wirkung fürs Ganze.

Der Chamer Landrat Franz Löffler sagt: „Es wurde in der jüngeren, arbeitenden und mobilen Bevölkerungsgruppe geimpft, welche gerade maßgeblich zum hohen Inzidenzwert im Landkreis Cham beiträgt.“ Insgesamt liegt die Quote der einmalig Geimpften im Landkreis Cham inzwischen bei 25,1 Prozent. Das ist etwas höher als der Landesdurchschnitt. Aber, wie man leider auch weiß, noch lange nicht hoch genug.
(Monika Goetsch)

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