Politik

Im Münchner Club Harry Klein wird wieder gefeiert. Hinein kommt aber nur, wer geimpft oder genesen ist – es gilt 2G. (Foto: dpa/Matthias Balk)

08.10.2021

Exklusive Clubs

Nur für Geimpfte, Genesene und gut Betuchte

Tanzen und feiern ohne Maske und Mindestabstand: Nach eineinhalb Jahren Pause durften am ersten Oktoberwochenende in Bayern als letztes Bundesland die Clubs und Diskotheken wieder öffnen. Für sie gilt die 3G-plus-Regel verpflichtend: Gäste müssen geimpft, genesen oder PCR-getestet sein. Andere Veranstalter, Gaststätten und Bühnen haben dagegen seit Mittwoch die Wahl, ob sie diese strengere Regel anwenden oder bei 3G bleiben wollen. Mit 3G-plus oder gar 2G entfallen im Gegenzug Maskenpflicht, Obergrenzen bei der Personenzahl und Mindestabstandsgebot. 

Heißt das, endlich leben und tanzen wie früher? Vor vielen Clubs in Bayern bildeten sich am vergangenen Wochenende lange Schlangen. Für einige junge Menschen war es der erste Clubbesuch überhaupt. Und dennoch herrschte in der Szene mitunter Katerstimmung. Wer beispielsweise ins Münchner Pacha wollte, stand vor verschlossenen Türen – es ist nicht der einzige Club, für den die Vorlaufzeit von nur einem Tag zwischen Kabinettsbeschluss und Öffnung zu kurz war.

Für viele Discobetreiber*innen ist das ein weiterer Beweis, dass die Clubkultur von der Staatsregierung nicht sonderlich ernst genommen wird. „Profifußballvereine etwa hätten niemals mit einem so kurzen Vorlauf arbeiten müssen“, schimpft David Süß vom Verband der Münchener Kulturveranstalter (VDMK). Da liege der Verdacht nahe, dass die Clubs nur so schnell geöffnet wurden, um die Impfkampagne anzuschieben, nicht um den jungen Menschen einen Lebensbereich zurückzugeben. 

Dazu kommt: Manche Fragen sind noch ungeklärt. Etwa wie die 3G-plus-Regel für das Personal umgesetzt werden soll. Ungeimpfte Angestellte und Aushilfen müssen sich zweimal pro Woche einem PCR-Test unterziehen. Ein Recht auf Auskunft über den Impfstatus der Belegschaft haben Clubs aber nicht. Am besten also alle testen lassen? Das kommt teuer. Ab Montag werden Corona-Tests kostenpflichtig und PCR-Tests kosten rund 75 Euro. „Die 3G-Regelung für Personal ist realitätsfern und Schikane“, sagt auch die Grünen-Landtagsabgeordnete Sanne Kurz. 

Teuer wird es auch für ungeimpfte Gäste, die sich dann vor jedem Clubbesuch testen lassen müssen. Wer ohne Impf- oder Testnachweis im Club erwischt wird, muss 250 Euro zahlen. Die Gefahr, dass die Polizei wie bei einer Drogenrazzia die Tanzfläche stürmt und den 3G-Status kontrolliert, besteht zwar nicht. „Eine Überprüfung der Gäste erfolgt nicht“, heißt es in der neusten Infektionsschutzverordnung. Die Kreisverwaltungsbehörden aber sollen verstärkt den Einlassprozess kontrollieren. Prüfen Clubs nicht ordentlich, kann das bis zu 5000 Euro kosten – im Wiederholungsfall sogar die Konzession.

Selbst Geimpfte laufen mitunter Gefahr, an der Clubtür abgewiesen zu werden

Manche Clubs wie das Harry Klein in München setzen freiwillig auf 2G. Rein kommt also nur, wer geimpft oder genesen ist. Der Grund: Ungeimpfte Personen seien in einem Club nicht sicher vor Ansteckungen geschützt, meint Süß vom VDMK. „Das wollen diese Clubs weder den Gästen noch dem Personal gegenüber verantworten.“ Auf Facebook folgte ein Shitstorm.

Aber selbst Geimpfte laufen mitunter Gefahr, an der Clubtür abgewiesen zu werden. Manche Betriebe akzeptieren nur den Impf-QR-Code, nicht das gelbe Impfheft. Das alles führt nicht selten zu Diskussionen am Eingang. „Für die betroffenen Mitarbeitenden, die den Unmut abgewiesener Gäste zu spüren bekommen, ist das teilweise sehr belastend“, berichtet Daniel Ohl vom Hotel- und Gaststättenverband Dehoga in Baden-Württemberg, wo in Clubs schon länger wieder getanzt werden darf. 

Noch komplizierter wird die Sache dadurch, dass jedes Bundesland seine eigenen Regeln hat. In NRW reicht für Ungeimpfte ein Schnelltest für den Clubbesuch, in Berlin hingegen dürfen nur Geimpfte und Genesene rein. Manche Clubbetreiber*innen halten das für Ausgrenzung und öffnen aus Protest gar nicht. Da die Party-Generation sehr mobil ist, fordert der Dehoga-Bundesverband eine einheitliche Regelung für ganz Deutschland. 

Im Freistaat werden auch in Zukunft Ungeimpfte in den Club gehen können – das versprechen zumindest die Freien Wähler im Landtag. „Der PCR-Test gilt als Goldstandard“, sagt Fraktionschef Florian Streibl. Außen vor bleiben dann aber immer noch die freiwillig oder unfreiwillig ungeimpften jungen Menschen, die sich fürs Ausgehen nicht regelmäßig einen teuren PCR-Test leisten können. Das dürften nicht wenige sein.

Für Bayerns Dehoga-Chef Thomas Geppert kann dieser Zustand keine Dauerlösung sein, ewig ließe sich die pandemische Lage auch nicht mehr aufrechterhalten. „Sobald die Impfquote hoch genug ist“, fordert er, „brauchen wir einen Freedom Day.“ (David Lohmann)

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