Politik

Mega-Fleischportionen zum Mini-Preis: Das geht nur, wenn Tierschutz keine Rolle spielt. (Foto: Getty)

16.08.2013

Fataler Run auf Discount-Schnitzel

Geiz ist geil: Leider gilt der Slogan auch beim Fleischeinkauf - nur deshalb kann in Schwaben eine Riesen-Mastanlage entstehen

Es war die größte Demonstration, die die Donauwörther seit Langem gesehen hatten. Über 300 Menschen zogen am vergangenen Samstag unter dem Motto „Stoppt den Saustall“ durch die schwäbische Kreisstadt. Die Protestierenden machten mit Transparenten und Trillerpfeifen ihrem Unmut gegen den geplanten Ausbau einer der größten süddeutschen Mastanlagen in ihrem Landkreis Luft. Denn auf dem Reichertsweiler Hof bei Tapfheim im Landkreis Donau-Ries soll bis Jahresende ein neuer Riesen-Schweinestall entstehen. Im Jahr 2014 könnten auf dem Hof dann fast 12 000 Mutterschweine und Ferkel leben. Damit wäre der Betrieb die größte Schweinezuchtanlage Bayerns.
Bis zu 75 000 Ferkel im Jahr sollen Tierschützern zufolge dort künftig „produziert“ werden. Betreiber des Hofs ist mittlerweile der holländische Agrarindustrielle Adriaan Straathof. Die Straathof-Gruppe besitzt vor allem in Ostdeutschland mehrere Ställe. Dort musste die Firma wegen Verstößen gegen den Tierschutz hohe Zwangsgelder bezahlen. Umweltschutzverbände sowie die Grünen hatten deshalb zur Demo aufgerufen.

Auch bei Landshut ist ein Mega-Betrieb geplant


Doch auch ohne Straathof entstehen im Freistaat immer mehr Riesenställe. So soll etwa bei Landshut ein Mastbetrieb mit 3000 Schweinen unweit eines Wasserschutzgebietes entstehen. Florian Schöne, Agrarexperte beim Naturschutzbund Deutschland (NABU), warnt, dass „in der Schweinezucht in Bayern Großbetriebe zunehmend die kleinteilige Familienwirtschaft verdrängen“.
Im Norden und Osten der Republik sind Mastanlagen mit Tausenden Schweinen längst Standard. Dass seit einiger Zeit auch im Freistaat immer mehr Riesenställe gebaut würden, hat laut Martin Hofstetter, Agrarwissenschaftler bei Greenpeace, eine Reihe von Ursachen: So würden in den Niederlanden und einigen deutschen Bundesländern mittlerweile strengere Tierschutzbestimmungen beim Bau von Großställen gelten. „In Holland steht den Schweinen beispielsweise deutlich mehr Platz zu.“ Zudem gebe es im Norden mittlerweile vielerorts zu wenig Ackerfläche, um die bei der Schweinezucht anfallende Gülle loszuwerden. „Auch deshalb kommen die Global Player jetzt nach Bayern“, so Hofstetter. Er warnt vor einem massiven Einsatz von Antibiotika in Großställen und vor Überdüngung. Tierfreundliche Familienbetriebe könnten mit den Agrarfabriken meist nicht mehr mithalten. Schuld sei neben dem jahrelangen Verfall des Schweinefleischpreises auch die Subventionspolitik der EU, die kleine Familienbetriebe im Vergleich zu Agrarfabriken benachteilige.

Agrarfabriken sind auch in Bayern auf dem Vormarsch


Ein Sprecher des bayerischen Landwirtschaftsministeriums sagt dagegen, Riesenställe seien im Freistaat noch „die Ausnahme“. Derartige Anlagen würden von den „in Bayern vorherrschenden bäuerlichen Familienbetrieben“ kritisch gesehen. Doch die Statistik spricht eine andere Sprache. Demnach hat sich die Zahl der Schweine je Halter dem bayerischen Agrarbericht 2012 zufolge im Freistaat von 2000 bis 2009 auf knapp 200 verdoppelt. 2011 kamen auf einen Halter sogar 476 Säue. Allerdings wurden vor zwei Jahren nur Halter mit 10 Zuchtsauen oder mindestens 50 Mastschweinen erfasst. „Fakt ist, dass die wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen dazu führen, dass Großbetriebe heute gewisse Wettbewerbsvorteile haben“, heißt es auch beim Bayerischen Bauernverband. Die hohen Anforderungen beim Tierschutz oder bei der Lebensmittelsicherheit stellten teils unlösbare Aufgaben an kleinere Betriebe.
Die Grünen fordern von der Bundesregierung eine Verschärfung des Baurechts bei Großställen. Der NABU meint hingegen, der Gesetzgeber habe schon viel getan für artgerechte Schweinezucht. Ein Problem sehen Umweltschützer auch darin, dass die Verbraucher oft nicht bereit sind, höhere Preise für anständig erzeugtes Fleisch zu bezahlen.
Auch die bisherige Betriebsleitung des Reichertsweiler Hofs sagt auf Anfrage: „Wenn die Kunden mehr Geld für gutes Schweinefleisch ausgeben würden, hätten wir nicht expandieren müssen.“ Vorwürfe, sein Stall verschmutze Böden und Grundwasser, weist er zurück. Nach Schwaben müssten derzeit sogar riesige Mengen Dünger eingeführt werden. Auch würden in Großställen nicht mehr Antibiotika eingesetzt als in Kleinbetrieben. An ihren Bauplänen wollen der Reichertsweiler Hof und Straathof jedenfalls festhalten. (Tobias Lill)

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