Politik

Katrin Ebner-Steiner macht Wahlkampf in der Deggendorfer Innenstadt. Marcus Bühl, AfD-Bundestagsabgeordneter aus Thüringen, hilft. (Foto: aka)

28.09.2018

Gefällig verpackte Hardcore-Propaganda

Serie Wahlkampf in Bayern – Teil 5 (AfD): In Deggendorfs Innenstadt trifft Niederbayerns Spitzenkandidatin Katrin Ebner-Steiner auf erstaunlich viele Gleichgesinnte

Sie war Bayerns AfD-Stimmenkönigin bei der Bundestagswahl. Jetzt will Katrin Ebner-Steiner in den Landtag. Auch mit Unterstützung der Rechtsaußen-Männer Höcke und Gauland. Sie selbst gibt sich als bodenständiger Familienmensch – doch so mancher Spruch der Niederbayerin beweist: Auch sie fischt für ihre Partei ganz klar am rechten Rand.

Es bläst ein kalter Wind durch Deggendorf. Doch Gottfried Stoiber friert nicht. Der 80-jährige rüstige Rentner hat ein kurzärmliges Deutschland-T-Shirt an – schwarz, rot, golden leuchtet es auf seiner Brust. „I brauch koanen Islam, der g’hört ned zu Deutschland“, poltert er im tiefsten Niederbayerisch los. „Ich hab nichts gegen Ausländer“, sagt er dann noch und zeigt Richtung Hauptbahnhof, wo ein Ankerzentrum für Flüchtlinge steht – „aber die kommen daher wie aus dem Mittelalter“.

Stoiber steht auf dem Deggendorfer Luitpoldplatz am Infostand von Katrin Ebner-Steiner, der niederbayerischen Spitzenkandidatin der AfD. Die blonde Frau in Jeans, Turnschuhen, Bluse und schwarzem Jackett ist die AfD-Stimmenkönigin im Westen. 19,2 Prozent holten die Rechtspopulisten in dem 35 000-Einwohner-Städtchen nahe der Grenze bei der Bundestagswahl. Mit über 31 Prozent lag sie in einem Wahllokal sogar vor der CSU. „Dort ist das Asylantenheim“, erklärt die 40-jährige Ebner-Steiner, Vize des Landesverbands. 20 Prozent will sie in Niederbayern bei der Landtagswahl holen. In Bayern steht die AfD in aktuellen Umfragen bei 11 bis 14 Prozent.

Erschreckend: Wut und Feindseligkeit auf der Straße

Stoiber, der sich einen „alten CSU-Wähler“ nennt, hat 2017 bei der AfD sein Kreuz gemacht, am 14. Oktober will er sie wieder wählen. Warum? „Weil die CSU nicht mehr brauchbar ist“, antwortet er. Eine Meinung, die an diesem Tag viele kundtun, die am AfD-Stand haltmachen. Sie sprechen von der CSU als „Teil einer Koalition der Rechtsbrecher“. Erklären die Merkel-Regierung „zur schlimmsten nach Hitler“. Andere beschweren sich, dass sie mit einer kleinen Rente auskommen müssten, während für die Flüchtlinge das Geld rausgeschmissen werde. Und eine ältere Dame mit dunklem Kurzhaarschnitt erzählt, sie habe Angst, seit die Flüchtlinge da sind. Angst, allein im Dunkeln auf die Straße zu gehen.
Weil in Deggendorf jemandem was passiert ist? Nein, sie kenne niemanden, sagt sie. „Aber manche schauen doch schon so, als wenn’s Verbrecher wären, die kennt man doch schon vom Gschau her.“

Im Kontrast zur geballten Ladung Wut, Frust und Feindseligkeit, die einem von manchem der AfD-Wähler am Wahlkampfstand entgegenschlägt, bemühen sich die offiziellen Wahlkämpfer – zwei AfD-Bundestagsabgeordnete aus Thüringen und Niedersachsen unterstützen Ebner-Steiner und ihr Team – um höfliche Freundlichkeit. Ebner-Steiner, die sich gerne als bodenständiger Familienmensch präsentiert, erzählt von ihren vier Kindern, sie sind zwischen 6 und 20 Jahre alt. Sie sagt, sie mache sich Sorgen aufgrund der zahlreichen Bedrohungen. Die 18-jährige Tochter sei schon ausgezogen, nachdem Unbekannte einen Anschlag mit Teer auf das Haus der Familie verübt hatten. Dazwischen aber haut sie abfällige Sätze über die „Messerstecher“ raus, die Merkel alle ins Land gelassen habe. Und heizt die Wut einer älteren Passantin noch an, die sich darüber aufregt, wie viel Deutschland für die Flüchtlinge ausgebe. „Ganz zu schweigen von den indirekten Kosten“, stachelt Ebner-Steiner die Frau an. „Die nutzen ja auch die Straßen.“

Inzwischen ist auch Christian Ebner, Ebner-Steiners Mann, am Stand. Unter der Woche lebt der smart wirkende Wirtschaftsanwalt in München, kümmert sich dort um seine Kanzlei, für die auch Ebner-Steiner arbeitet – in Teilzeit im Homeoffice. Ebner, schwarzer Rolli unter einem schicken Sakko, versucht gerade einen jungen Familienvater davon zu überzeugen, AfD zu wählen. Der schiebt einen Kinderwagen, an dem ein CSU-Luftballon hängt – die Konkurrenz steht nur wenige Meter weiter. „Das letzte Mal hab’ ich AfD gewählt“, erklärt der junge Mann, der bei der Agentur für Arbeit angestellt ist. „Jetzt aber habe ich Bauchweh, weil die AfD in Chemnitz den Schulterschluss geübt hat mit dem Bachmann“, erklärt er. Lutz Bachmann ist der Chef der Pegida-Bewegung und posiert im Netz schon mal als Hitler. „Wenn ihr vollständig an die Macht kämt, hätte ich Angst“, sagt er zu Ebner. Angst vor den ganz Rechten in der AfD.

Kein Mensch habe was gegen Fremde, versucht Ebner zu beschwichtigen. „Aber es ist eine Frage der Dosis.“ Er redet über Humanität, die in den geltenden Gesetzen widergespiegelt sei, rattert Paragrafen runter, die Merkel und Co. nicht interessierten, wie er sagt. Und er spricht über eine strukturelle Benachteiligung der AfD im Wahlkampf – auch durch die Medien. In seinen Augen ein Fall für eine OSZE-Beobachtung – „das habe ich auch schon meiner Frau reingesäuselt“, sagt er und grinst.

Kurios: Der Islam diktiert heuer die Wiesn-Mode

Ebner ist Ebner-Steiners zweiter Mann. Er wechselte von der CSU zur AfD. Bevor sie ihn kennenlernte, interessierte sich die Niederbayerin wenig für Parteipolitik, war stattdessen im Naturschutz aktiv. Sie sagt, ihre Initialzündung war das Buch Deutschland schafft sich ab von Thilo Sarrazin. Heute gilt sie als Vertreterin des Rechtsaußen-Flügels um Thüringens AfD-Chef Björn Höcke. Auch privat ist sie mit Höcke befreundet. Weil sie beide viel verbinde, erklärt sie. Auch er habe vier Kinder und radle gerne in der Natur. Und kritisierte das Holocaust-Mahnmal als „Denkmal der Schande“. Oft würden Sätze von Journalisten aus dem Zusammenhang gerissen, wischt Ebner-Steiner den Einwand beiseite. Außerdem sei Höcke ruhiger geworden, sagt sie. Das sei auch ihrem Einfluss zu verdanken.

Mittlerweile ist es Mittag und Ebner-Steiners Helfer haben zusammengepackt. Etwa 350 Wahlprogramme verteilten sie in den vergangenen zweieinhalb Stunden. Viele wollten sie nicht, sind vorbeigegangen, meist mit gleichgültiger Miene. Andere haben sie mitgenommen, nicht aber mit den Wahlkämpfern geredet. Diejenigen, die sich auf ein Gespräch eingelassen haben, waren fast ausschließlich überzeugte AfD-Wähler. Angegriffen wurde die Truppe um Ebner-Steiner nicht. Nur zwei junge Burschen auf dem Radl riefen „Scheiß AfD“ herüber.

„Recht habt’s“, sagt zu Katrin Ebner-Steiner dagegen jetzt ein Mann, der mit seinem halbwüchsigen Sohn über den Stadtplatz kommt. Mittlerweile ist die Sonne herausgekommen, Ebner-Steiner steht auf einer Leiter, um ein Plakat aufzuhängen. Alle zwei Tage müsse man neu plakatieren, weil die Plakate immer wieder heruntergerissen würden, erklärt sie. „Wo CSU draufsteht, ist Merkel drin“, ist unter dem Konterfei der Bundeskanzlerin zu lesen. Ebner-Steiner mag das Motiv. „Allein das Foto reicht, dass die Leute sauer werden“, sagt sie. Ihr Lieblingsplakat aber sei das, auf dem „Christentum bewahren! Der Islam gehört nicht zu Bayern!“ steht. Kein Schweinefleisch mehr in Kindergärten, Winter- statt Weihnachtsmärkte – die Beispiele, mit denen die AfD beweisen will, wie sehr die heimische Kultur durch den Islam gefährdet sei, kennt man. Doch Ebner-Steiner fällt noch mehr ein. „Und auf der Wiesn trägt man die Dirndlbluse wieder höher geschlossen“, schimpft sie. Echt jetzt, der Islam ist an dieser Modeerscheinung schuld? „Ja, ich glaube schon, dass der einen Einfluss hat“, sagt Ebner-Steiner mit einer Überzeugung, zu der ihr Gesichtsausdruck allerdings nicht so recht passen will.

Gauland kommt nach Deggendorf, die Afd findet keinen Saal

Da ist oft eine gewisse Widersprüchlichkeit, die bei Ebner-Steiner mitschwingt. Zum Beispiel, wenn sie erzählt, dass mit den Ereignissen in Chemnitz der Zuspruch für die AfD in Deggendorf stark zugenommen habe. Weil die Leute sauer seien über die „Fake-News der Kanzlerin“, die „den Trauermarsch“ der AfD Seite an Seite mit Pegida und NPD kritisierte. Und auch sauer auf Söder, der die AfD seitdem scharf attackiert. „Man muss es aber doch thematisieren, dass einer von Illegalen getötet wurde“, springt Marcus Bühl, AfD-Bundestagsabgeordneter aus Thüringen, Ebner-Steiner bei. Gleichzeitig betont diese aber, ein offizieller Vertreter der bayerischen AfD sei in Chemnitz nicht dabei gewesen. Sie sagt: „Ich persönlich wäre auch nicht mit Bachmann rumgelaufen.“

Ihren Wahlkampftag lässt Ebner-Steiner in Grafling ausklingen. In der knapp 3000-Seelen-Gemeinde bei Deggendorf will sie noch an ein paar Haustüren klingeln. Doch sie hat Pech, kaum einer macht auf. Dafür kommt eine ältere Frau auf der Straße auf sie zu. „Geht’s ma weg mit der AfD“, wettert die. „Wenn ich diesen oiden Dackel nur seh, schickt’s den Gauland hoam, und die, die neben den Nazis stehn.“ Ebner-Steiner nimmt’s gelassen. „Das passiert mir oft“, erklärt sie. „Dass die Leute sagen: Ihr seid’s ja ganz nett, aber eure Oberen gehören weg.“ Sie selbst profitiere von den Provokationen von Gauland und Co. nicht, behauptet Ebner-Steiner. „Ich möchte keine Nazis mitnehmen, sondern das konservative Klientel, und bei dem kommen solche Sprüche nicht an.“

Wirklich? Seltsam ist allerdings dann, dass ausgerechnet AfD-Chef Alexander Gauland am Tag vor der Wahl nach Deggendorf kommt – in die Stadt, die viele als eine Hochburg neonazistischer Umtriebe beschreiben. Und es ist keineswegs die Sorge über die Sprache des Rechtsaußen-Manns, die Ebner-Steiner umtreibt. „Wir haben echt ein Problem, einen Saal zu bekommen“, klagt sie. Bislang wollte ihr keiner sein Wirtshaus zur Verfügung stellen.
(Angelika Kahl)

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