Politik

Drei ehemalige CSU-Regierungsmitglieder, die im Zuge von Untersuchungsausschüssen ihr Amt verloren: Monika Hohlmeier, Gerold Tandler (unten links), Peter Gauweiler (oben). Zu den erfahrensten Aufklärern im Landtag zählt der SPD-Abgeordnete Harald Güller (unten rechts). (Foto: dpa/Weiken, Mächler, Paetow, Hoppe)

27.05.2022

Gemischte Bilanz

Untersuchungsausschüsse im Landtag: Was haben sie in der Vergangenheit bewirkt, wen haben sie das Amt gekostet?

Kaum war Ende 1946 die erste bayerische Nachkriegsregierung gebildet, befasste sich schon ein Untersuchungsausschuss (UA) des Landtags mit dem Vorgang. Es ging um den Verdacht, dass Ministeriumsangestellte durch Intrigen den CSU-Parteichef Josef Müller ins Amt des Ministerpräsidenten bugsieren wollten, weil sie sich dadurch persönliche Vorteile erhofft hatten. Nach sechs Sitzungen stand das Ergebnis fest, wonach eine unmittelbare Beeinflussung auf die Wahl nicht stattgefunden habe. Der Sache fehlte dann auch die Brisanz, weil der „Ochsen-Sepp“ genannte Müller seinerzeit ohnehin nicht das Rennen gemacht hatte. Erster Regierungschef wurde Hans Ehard (CSU).

Die Abgeordneten direkt nach dem Krieg waren überhaupt sehr aufklärungsbeflissen. Elf UA setzten sie zwischen 1947 und 1950 ein, so viele wie später nie mehr in einer Legislaturperiode. 63 sind inzwischen abgeschlossen worden, der Masken-Ausschuss (Nummer 64) und der zweite NSU-Ausschuss (Nummer 65) laufen gerade. UA sind rechtlich Gerichtsverfahren nahezu gleichgestellt, sie dürfen Zeug*innen im Zweifel vorführen lassen und vereidigen.

Nervige Gedächtnislücken

Ein Problem ist seit jeher das volatile Erinnerungsvermögen von Befragten. Wer wegen fehlender strafrechtlicher Betroffenheit kein Aussageverweigerungsrecht hat, beruft sich bei kritischen Fragen gerne mal auf Gedächtnislücken. Der SPD-Abgeordnete Harald Güller zeigt dafür mit seiner Erfahrung aus zwei UA Verständnis, wenn es um länger zurückliegende, periphere Details geht: „Aber bei manchen Zeugen ist schon auffällig, dass die Lücken größer werden, je näher die Befragung an den Kern der Sache kommt.“

Ein roter Faden in der Geschichte der bayerischen UA sind echte und mutmaßliche Verquickungen der Dauerregierungspartei CSU mit staatlichen Institutionen inklusive persönlicher Vorteilsnahme oder der Bevorzugung parteinaher Spezln. Es gab Mitte der 80er-Jahre den Mega-Petrol-UA, als der Vorwurf im Raum stand, der damalige Finanzminister Max Streibl habe sich seinen Einsatz für ein windiges Öl-Unternehmen bezahlen lassen, in den 1990er-Jahren dann den Wienerwald-UA um vermeintliche Steuergeschenke an den CSU-nahen Unternehmer Friedrich Jahn, die beiden Tandler-Ausschüsse um das Finanzgebaren des damaligen CSU-Spitzenpolitikers Gerold Tandler, oder ab 2010 die beiden Landesbank-UA zur Klärung der Frage, ob Fehlentscheidungen von Mitgliedern der Staatsregierung im Aufsichtsrat der Bank diese 2008 fast in den Bankrott geführt hatten. Die Ergebnisse ähnelten sich immer. Während die CSU kaum oder keine Belege für die vermuteten Skandale entdecken konnte, sah die Opposition die Vorwürfe jeweils als mehr oder minder bestätigt an.

Auch die CSU nutzte manchen UA als Kampfinstrument. Als sie in der Zeit der SPD-geführten Vierer-Koalition von 1954 bis 1957 in der Opposition war, versuchte sie über den Spielbanken-UA um die Vergabe lukrativer Konzessionen die mitregierende Bayern-Partei anzuschwärzen und politisch zu schwächen. 1983 nahm sie den früheren Münchner SPD-Oberbürgermeister und seinerzeitigen Kanzlerkandidaten, Hans-Jochen Vogel, wegen städtischer Grundstückstransaktionen in Neuperlach ins Visier eines UA.

Nicht immer geht es aber um parteipolitische Geländegewinne. Exemplarisch steht dafür der 1990 abgeschlossene UA zur Aufarbeitung des bis dato größten bayerischen Umweltskandals um die Chemische Fabrik Marktredwitz. Der Oberbürgermeister war Freier Wähler, der Landrat von der SPD und der für den Arbeitsschutz zuständige Sozialminister Gebhard Glück von der CSU. In dieser Gemengelage ging es nach einer Abtastphase tatsächlich nur noch um die Sache. Als Glück in der Debatte um den Abschlussbericht dennoch meinte, sich mit Beschwichtigungen herausreden zu können, konterte sogar CSU-Ausschusschef Paul Wilhelm, der Minister solle sich seine „überzogene Weißwasch-Aktion“ sparen.

Ein Fundus für Anekdoten

Ein Sonderfall in der Geschichte der bayerischen UA war 2013 der Mollath-Ausschuss um den über Jahre in der Psychiatrie weggesperrten Gustl Mollath. Selten zuvor hatte das Einzelschicksal eines Mannes Landtag und Öffentlichkeit derart bewegt. Am Ende konnte der Ausschuss schuldhaftes Fehlverhalten von Ministerien und Behörden zwar nicht zweifelsfrei nachweisen, aber Mollath wurde später rehabilitiert und das Verfahren zur Unterbringung in der Psychiatrie reformiert. Konsequenzen gab es auch beim Gammelfleisch-UA 2006 und beim Bayern-Ei-UA 2018. Die Aufklärungsarbeit beider Gremien zu den Lebensmittelskandalen führte jeweils zu einer Neuorganisation der Behörden- und Überwachungsstruktur. Manchmal werden Konsequenzen schon gezogen, bevor ein UA seine Arbeit aufnimmt, wie aktuell bei den Wirren um die Beschaffung von Corona-Schutzmasken. Schon Monate vor der Konstituierung des UA verschärfte der Landtag das Abgeordnetengesetz und schuf ein neues Transparenzgesetz, um die Verquickung von Mandat und privaten Geschäftsinteressen weitgehend auszuschließen.

UA können auch Karrieren beenden oder zumindest bremsen. Erleben mussten das die früheren CSU-Minister Alfred Sauter (LWS-Skandal, 2000), Peter Gauweiler (Kanzlei-Affäre, 1993) und Monika Hohlmeier (Dossier-Affäre, 2004), die jeweils nach sich um sie drehenden Skandalen mehr oder minder berechtigt ihre Ämter aufgeben mussten, aber immerhin als Abgeordnete auf verschiedenen Ebenen eine politische Resozialisierung erfuhren. Schlimmer erwischte es den Ministerpräsidenten Max Streibl (Amigo-Affäre, 1993) und die Sozialministerin Christine Haderthauer (Modellbau-Affäre, 2015). Beide erholten sich von ihren in Untersuchungsausschüssen beleuchteten lukrativen Verquickungen von Staatsamt und Privatinteressen politisch nicht mehr.

Untersuchungsausschüsse sind aber auch ein Fundus für Anekdoten. Zum Schutz vor neugierigen Kameralinsen wurde einst der Zeuge Johannes Zwick in dem nach seinem Vater, dem Bäder-König Eduard Zwick, benannten UA über die Waschanlage des Landtags und eine Hintertür in den Sitzungssaal geführt. Einen Platz in der Historie hat auch der selbstbewusst-coole Auftritt des ehemaligen Stasi-Oberst und DDR-Devisenbeschaffers Alexander Schalck-Golodkowski in dem nach ihm benannten UA (1992) zu undurchsichtigen, von CSU-Ikone Franz Josef Strauß eingefädelten Fleisch- und Kreditgeschäften zwischen Bayern und der DDR. Und ohne den zweiten Landesbank-UA wüsste man nichts von den vielen Vornamen des Ex-Ministerpräsidenten Edmund Rüdiger Rudi Stoiber und es wäre auch nicht dessen wunderbarer Satz in der Welt: „Der Vater des Wunsches ist hier der Gedankengang.“
(Jürgen Umlauft)

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