Polizisten müssen sich besser schützen: Polizeimeisterin Linda Huter im Einsatz-Anzug mit Körperschutzausstattung, Polizeihauptmeister Lars Reichel (Mitte) mit Body-Cam und Kugelsicherer Weste der Schutzklasse eins und Polizeihauptmeister Andreas Schultheiß mit ballistischem Schutzhelm und einer Kugelsicheren Weste der Schutzklasse vier. (Foto: dpa)
Ein Mord, 13 versuchte Tötungen, fast 2500 Körperverletzungen und noch mehr Beleidigungen: Im vergangenen Jahr sind Polizisten im Freistaat in rund 7400 Fällen selbst Opfer von verbaler oder körperlicher Gewalt geworden; das sind 500 Fälle mehr als im Vorjahr. 16 450 Polizisten seien betroffen gewesen, sagte Innenminister Joachim Herrmann (CSU) am Donnerstag in Nürnberg. Dies entspreche einem Plus von zehn Prozent im Vergleich zu 2015.
Die Zahl der verletzten Beamten sei ebenfalls deutlich gestiegen. Mit annähernd 2400 habe sie rund 16 Prozent über dem Wert von 2015 gelegen. "Diese Entwicklung sehe ich mit größter Sorge. Das ist ein neuer Höchststand seit Erstellung unserer Lagebilder 2010."
Statistisch gesehen sei damit 2016 fast jeder zweite Polizeivollzugsbeamte in Bayern von Gewalttaten gegen die eigene Person betroffen gewesen. Besonders erschreckend sei das teilweise extreme Gewaltniveau, betonte Herrmann. Das zeige unter anderem der schreckliche Mord an einem 32-jährigen Polizisten im Oktober 2016 im mittelfränkischen Georgensgmünd durch einen sogenannten Reichsbürger.
Neue Ausrüstung und Kameras sollen Beamte besser schützen
"Wir werden alles daran setzen, unsere Polizistinnen und Polizisten bestmöglich zu schützen", versicherte der Innenminister. Dafür werden bis November alle Streifenwagen mit einer neuen Ausrüstung für die Beamten ausgestattet, die besseren Schutz vor Schüssen bietet - einzelne Teile etwa für die Schultern können separat angelegt werden. Der Freistaat gibt dafür rund 30 Millionen Euro aus.
Zudem läuft in Augsburg, München und Rosenheim ein Test mit Kameras, die Beamte am Körper tragen und bei Bedarf einschalten können. "Berichte aus anderen Ländern bestätigen hier eine deeskalierende und abschreckende Wirkung", erläuterte Herrmann. Auch die ersten Erfahrungen in Bayern seien bisher durchweg positiv. Die Kameras flächendeckend zu beschaffen, sei jedoch ein "finanziell erheblicher Kraftakt", dem der Landtag zustimmen müsse. Die Gewerkschaft der Polizei fordert, dass Streifenbeamte mit den "BodyCams" ausgestattet werden.
Wie sehr sich die moderne Schutzausrüstung unter anderem beim G20-Gipfel in Hamburg bereits bezahlt gemacht hat, schilderte Polizeioberrat Tobias Uschold. Sie schütze hervorragend vor Flammen und Steinwürfen - ohne sie wären die Verletzungen sicher deutlich schlimmer ausgefallen. Ihm und seinen Kollegen habe dort "blanker Hass" entgegengeschlagen. Dabei seien Angriffe auf Polizisten nicht nur ein Angriff auf den demokratischen Rechtsstaat, sondern auch ein Angriff auf Menschen, auf Ehepartner, auf Mütter und Väter. "Das vergisst man vielleicht manchmal aufgrund der martialischen Uniformen", sagte Uschold.
Herrmann und Polizei-Gewerkschaft forderten zudem eine konsequente Bestrafung der Täter. Seit einer Strafverschärfung Ende Mai gibt es eine Mindestfreiheitsstrafe für tätliche Angriffe von drei Monaten.
"Da eine der Ursachen für die Gewalt gegen Polizeibeamte auch der zunehmende Werteverfall ist, sollten wir bereits in unseren Schulen beginnen, dem entgegenzuwirken", fordert Eva Gottstein, sicherheitspolitische Sprecherin der Freie-Wähler-Landtagsfraktion. "Und bei allem Respekt vor der Unabhängigkeit der Justiz stellt sich zuweilen auch die Frage, ob von manch mildem Urteil nicht ein vollkommen falsches Signal an die Täter ausgeht."
Der Fraktionsvorsitzende der BayernSPD-Landtagsfraktion, Markus Rinderspacher, fordert angesichts der angestiegenen Gewalt gegen Polizisten Schutz durch modernste technische Ausstattung und dankt den Polizistinnen und Polizisten in Bayern "für ihren hervorragenden Einsatz für die Sicherheit in unserem Land, ihnen gilt unsere Wertschätzung". (BSZ/dpa)
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