Politik

Trübe Aussichten für die Kirchen in Deutschland, ihnen brechen die Einnahmen weg. (Foto: dpa/David Ebener)

18.12.2020

Gotteshäuser in Not

Pandemie und Austritte setzen die Kirchen massiv unter finanziellen Druck – erste Bildungseinrichtungen schließen und es werden wohl weitere schmerzhafte Einschnitte folgen

Das Bistum Würzburg zieht sich als Träger aus Bildungseinrichtungen zurück – aus Finanznöten. Seit Jahren sinken die Einnahmen aus der Kirchensteuer. Mit der Pandemie steigen die Verluste noch einmal stark an. Einsparungen sind also nötig. Doch muss das ausgerechnet bei sozialen Aufgaben sein? Immerhin zählen die Kirchen zu den größten Immobilienbesitzern in Deutschland.

Ob man im Tagungshaus Benediktushöhe im unterfränkischen Retzbach im Landkreis Main-Spessart schon etwas geahnt hat, als das Bildungsprogramm für das nächste Jahr erstellt worden ist? Für 10. Februar 2021 findet sich dort jedenfalls ein Seminar mit dem bezeichnenden Titel „Umbrüchen offen begegnen“. Genau dieses Motto werden sich in naher Zukunft wohl auch die Beschäftigten des Hauses zu Herzen nehmen müssen. Denn vor gut einer Woche hat der Träger der Einrichtung, das Bistum Würzburg, bekannt gegeben, dass es sich von vier seiner zehn Bildungs- und Tagungshäuser trennen will. Neben der Benediktushöhe, deren Schwerpunkt auf sozialer Bildung liegt, will man auch für das Tagungszentrum Schmerlenbach im Landkreis Aschaffenburg einen neuen Träger finden, ebenso für zwei Häuser im Landkreis Rhön-Grabfeld: das Schullandheim Thüringer Hütte und das Bildungs- und Begegnungshaus St. Michael. Falls das nicht gelingt, drohen Schließungen.

Es fehlt an Mitbestimmung – auch beim Sparen

Der Grund für den Rückzug: Das Bistum drücken Finanzsorgen. Unter anderem deshalb, weil wegen der Corona-Pandemie etliche Kirchensteuereinnahmen wegbrechen. Für 2021 erwarte man hier einen Rückgang um rund 20 Millionen Euro, sagte Bischof Franz Jung bei einer Pressekonferenz: „Das trifft uns schwer, zumal im laufenden Jahr schon coronabedingt ein Minus von bis zu 15 Millionen Euro zu verkraften war.“

Das unterfränkische Bistum ist nicht das einzige, das von der Pandemie hart getroffen wurde. Auf mehr als 100 Millionen Euro werden die Verluste bei den Kirchensteuern beziffert, die allein der Katholischen Kirche in Bayern wegen Corona entstehen. Bei der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern (ELKB) sieht es ähnlich aus. „Wir rechnen in diesem Jahr mit einem Rückgang der Kirchensteuererträge zwischen 13 und 14 Prozent“, sagt Pressesprecher Johannes Minkus. Das entspricht rund 95 Millionen Euro. Deutlich mehr als während der Finanzkrise 2009. Damals sanken die Steuereinnahmen der beiden christlichen Kirchen in Deutschland um vier Prozent. Diesmal befürchtet man einen Einbruch um mindestens acht Prozent. Darüber hinaus drücken Mehrausgaben, die wegen der Pandemie notwendig werden, auf die Bilanzen. Auch deshalb, weil kirchliche Einrichtungen aufgrund von Ertragseinbußen mehr Zuschüsse brauchen.

Könnten diese Belastungen womöglich zu weiteren Schließungen führen, nicht nur im Raum Würzburg? Bisher lassen sich bayerische Bistümer und Erzbistümer dazu keine klaren Aussagen entlocken, ebenso wenig wie die ELKB. Deren Sprecher Johannes Minkus betont lediglich, dass die Kirchenleitung auf schnelle und harte finanzielle Einschnitte verzichte, „um das kirchliche Leben nicht durch eine finanzielle Vollbremsung zu erschweren“. Stattdessen wolle man die Haushaltsjahre 2021 bis 2023 zusammennehmen und durch Einsparungen erreichen, „dass in der Summe der drei Jahre die Aufwendungen nicht die Einnahmen übersteigen“.

Im Erzbistum Bamberg, das wegen der Pandemie einen Kirchensteuerrückgang um 13,8 Millionen Euro und zusätzliche Aufwendungen von sechs Millionen Euro erwartet, spricht man immerhin davon, dass man den Bedarf an Gebäuden überprüfe, „im Hinblick auf eine Reduzierung von Baulasten“, wie es Sprecher Harry Luck formuliert. Außerdem würden Strukturen und Prozesse hinterfragt, mit dem Ziel von Kostensenkungen und Synergien.

Was das konkret bedeutet, dürften die meisten Gläubigen erst dann erfahren, wenn Beschlüsse bereits feststehen – wie jetzt in Würzburg. Zum Unwillen von Christian Weisner, Sprecher der katholischen Reformbewegung „Wir sind Kirche“: „Es fehlt hier an Mitbestimmung“, kritisiert er und moniert in diesem Zusammenhang ein „monarchisches System“. Wem, fragt er, gehöre denn das über Jahrhunderte angesammelte Vermögen der Kirche? Und: „Wer entscheidet darüber?“ Dass man sich in Unterfranken für einen Rückzug aus vier Bildungseinrichtungen entschieden hat, kann er ebenfalls nicht nachvollziehen: „Es ist grundverkehrt, an der Bildung zu sparen. Damit spart man an der Zukunft.“ Zwar betonte der Würzburger Bischof Franz Jung, dass der Unterhalt der Häuser nicht gleichbedeutend mit Bildungsarbeit sei – letztere werde man trotz Einschränkungen bei Personal und Immobilien weiterführen. Das lässt Weisner jedoch nicht gelten, zumal von den geplanten Änderungen rund 100 Mitarbeitende des Bistums betroffen sein dürften, deren befristete Arbeitsverträge voraussichtlich nicht verlängert werden. Ähnlich kritisch sieht er den derzeitigen „Gesamtstrategieprozess“ im Erzbistum München und Freising, der vor allem ökonomisch orientiert sei.

Missbrauch und Zölibat: Die Mitglieder schwinden

Dabei gebe durchaus andere Möglichkeiten, um an Geld zu kommen, sagt er und verweist in diesem Zusammenhang auf die zahlreichen Liegenschaften der Kirchen, die zu den größten privaten Immobilienbesitzern in Deutschland zählen. Wäre es nicht sinnvoller, sich von manchen Wäldern und Weinbergen zu trennen, fragt er – um sich auf Aufgaben konzentrieren zu können, „die für die Menschen wirklich wichtig sind“? Dass es dazu kommt, wagt er jedoch kaum zu hoffen. Schließlich stecke gerade bei den Katholiken das „Vertrauenskonto“ in ihre Kirche tief in den roten Zahlen. Nicht nur wegen etlicher Missbrauchsskandale, sondern auch wegen der zähen Debatten um das Zölibat, die Rolle der Frauen, die Verweigerung der Kommunion für wieder verheiratete Geschiedene und Protestanten, in denen man sich kaum vom Fleck bewegt. „Es scheint, als ob die Kirchenleitung danach strebt, dass sie nicht auch noch mit ihren irdischen Gütern in die Verlustzone kommt“, resümiert Weisner.

Ein weiterer Grund für diese Vorsicht dürfte in den Austrittszahlen zu suchen sein. Allein in Bayern kehrten 2019 mehr als 78 000 Katholiken und gut 32 000 Protestanten ihrer Kirche den Rücken – im Vergleich zum Vorjahr ein Anstieg um 21 beziehungsweise 17 Prozent. Ein Trend, der sich im Corona-Jahr 2020 vermutlich fortsetzen dürfte. Bereits vor anderthalb Jahren kam eine Studie zu dem Ergebnis, dass sich die Zahl der Gläubigen in den beiden großen christlichen Kirchen bis zum Jahr 2060 möglicherweise halbieren könnte. „Für die kirchlichen Finanzen bedeutet diese Projektion, dass aufgrund des erwarteten Kaufkraftverlusts von 51 Prozent die Kirchensteuereinnahmen im Jahr 2060 etwa doppelt so hoch sein müssten, um die gleichen Ausgaben wie heute zu finanzieren“, rechnet Pressesprecher Harry Luck vor. Da damit kaum zu rechnen sei, werde die Kirche in Zukunft nicht mehr jedes Angebot aufrechterhalten können. Aus diesem Grund müsse man schon heute entsprechende Weichen stellen, sagt Luck.

„Umbrüchen offen begegnen“ – das könnte auch für die Kirchenleitungen ein gutes Motto sein.
(Brigitte Degelmann)

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