Politik

Bayern, Piding: Schleierfahnder kontrollieren an einer Kontrollstelle der Polizei an der Autobahn ein Auto. Ministerpräsident Söder (CSU) hat sich bei der Polizeiinspektion Fahndung Traunstein über die Schleierfahndung in Bayern informiert. (Foto: Lino Mirgeler/dpa)

04.04.2018

Grenzpolizei als Wahlkampfschlager

Der Schutz der deutschen Außengrenzen ist seit 1998 Aufgabe des Bundes - die CSU-Staatsregierung will aber vor der Landtagswahl das Rad der Zeit zurückdrehen

Markus Söder ist sich sicher: Mit der Neugründung der Grenzpolizei bedient er ein Grundbedürfnis der Menschen in Bayern. "Ich kann nur allen raten, die Bevölkerung ernstzunehmen, und Sicherheit ist für die Menschen das Wichtigste", sagt Bayerns Ministerpräsident am Mittwoch vor schönstem Alpenpanorama. Bei Piding an der Grenze zu Österreich besucht er Schleierfahnder der Polizei an der Autobahn 8. Es ist der erste Besuch Söders bei den bayerischen Grenzschützern, die aber erst ab 1. Juli wieder so heißen sollen. Denn schon 1998 hat Bayern die hoheitlichen Aufgaben an den Bund abgetreten.

Das soll jetzt neu justiert werden. Denn auf dem Weg zu Söders großem Ziel - die Verteidigung der absoluten CSU-Mehrheit im Landtag bei der Wahl am 14. Oktober - kommt der Neugründung der Grenzpolizei eine besondere Bedeutung zu. Und dies nicht nur, weil der CSU der Verzicht auf die bayerische Grenzpolizei vor 20 Jahren nach wie vor großes Unbehagen bereitet, die Verlagerung der Kompetenzen auf den Bund bis heute von vielen als einer der größten Fehler angesehen wird.

Dabei hatte das damals auch für die CSU Sinn gemacht. Nach dem Beitritt Österreichs zur EU und zum grenzkontrollfreien Schengen-Raum 1995 hatte sich die Situation an der Grenze massiv verändert.  Schon seit 1997 waren die Grenzkontrollen zu Österreich stufenweise aufgehoben worden. Das wenige, was an Kontrollaufgaben blieb, oblag seither der Bundespolizei, auch wenn Bayern nach langem Streit mit dem Bund wegen der dortigen Personalnot bereits vor mehr als einem Jahr eigene Beamte abstellt, um die Bundespolizei zu unterstützen.

Anders als noch vor wenigen Tagen nach der entscheidenden Sitzung des Kabinetts in München stellt Söder jetzt auf Nachfrage klar, dass sich die Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern auch nach der Gründung der bayerischen Grenzpolizei nicht ändern werden - die bayerischen Beamten strebten nicht an, hoheitliche Aufgaben des Bundes zu übernehmen. "Ziel ist eine kooperative Zusammenarbeit. Das ist eine Chance, noch besser mit der Bundespolizei zusammenzuarbeiten", sagt Söder. Wie die konkrete Aufgabenverteilung aussehe, werde noch in Gesprächen mit Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) geklärt.

Das Ziel der CSU: Stimmen der AfD-Wähler zurückgewinnen

Letztlich hätten Bund und Länder aber das gleiche Ziel: den Kampf gegen Illegalität, sagt Söder. Neben den Kontrollen an festen Grenzposten durch den Bund steht bei den bayerische Grenzpolizisten die Schleierfahndung im Fokus. Es sei aber falsch zu denken, es handele sich nur um eine Umetikettierung durch neue Uniformen und Abzeichen. Die Einheit solle auch mit modernster Technik wie Drohnen und Fahrzeugen ausgestattet werden. Wie das konkret aussehen wird, bleibt abzuwarten, fest steht bislang nur: Dienstsitz der neuen Behörde wird Passau und rund 1000 Beamte soll es dann im Grenzraum zu Österreich und Tschechien geben.

Mit der Gründung der neuen Einheit sollen aber nicht nur die Lücken in den Grenzkontrollen minimiert werden, Söder will damit auch ganz gezielt auf ein Problem eine Antwort geben, die der CSU wahltaktisch gegen die AfD helfen könnte. Denn gerade in den Grenzgebieten haben die Christsozialen bei der Bundestagswahl massiv Stimmen und Vertrauen in der Bevölkerung verloren. Ein schmerzhafter Verlust, denn nicht nur Innenminister Joachim Herrmann lobt bei jeder Gelegenheit die innere Sicherheit als CSU-Kernkompetenz.

Während es bei der Gründung der Grenzpolizei offiziell darum geht, illegale Migration, Schleuserbanden und Kriminalität an den Grenzen zu Tschechien und Österreich besser zu bekämpfen, zielt der Plan inoffiziell also auch direkt auf die Verbesserung des seit der Flüchtlingskrise 2015 angekratzten Sicherheitsgefühls bei der zweifelnden CSU-Klientel im Grenzgebiet. Die bayerische Grenzpolizei sei ein klares Signal, dass er und die CSU es ernstmeinten, sagt Söder.

Dass bayerische Grenzpolizisten künftig mit ihrer Arbeit die Prinzipien des kontrollfreien Schengen-Raums obsolet machen könnten, will Söder nicht gelten lassen. "Ob Schengen funktioniert, liegt nicht an Bayern", betont er. Vielmehr reagiere Bayern nur - solange die EU-Außengrenzen nicht ausreichend kontrolliert würden, "machen wird es halt selbst". Söder geht aber noch einen Schritt weiter: Er hoffe, dass die Arbeit der bayerischen Grenzpolizei nicht nur in anderen Bundesländern, sondern europaweit Nachahmer finde - etwa in Griechenland. Die Freien Wähler bezeichneten die geplante Grenzpolizei als "völligen Fehlschlag" und "puren Aktionismus". "Wir haben schon jetzt viel zu wenig Polizei vor Ort – und Söder will trotzdem noch mehr Personal in einer zusätzlichen Behörde mit einem völlig überflüssigen Wasserkopf binden", sagte Eva Gottstein, sicherheitspolitische Sprecherin der Freien Wähler-Landtagsfraktion. Die Pläne gingen komplett an den Bedürfnissen der Polizei und der Bürger vorbei und trügen definitiv nicht zur Wahrung der inneren Sicherheit bei. "Viel sinnvoller wäre es, die Schleierfahndung auszudehnen und die dafür festgeschriebenen Stellen auch tatsächlich zu besetzen." (BSZ/dpa)

Kommentare (1)

  1. Miiich am 08.04.2018
    Söder "kopiert" damit eine alte Forderung der Bayernpartei.

    Die Widererrichtung der Grenzpolizei macht aber nur Sinn, wenn sie (IM GEGENSATZ ZUM SÖDERPLAN) auch ihre alten Kompetenzen zurückerhält. Und dies wäre AUCH NACH BUNDESRECHT mit Seehofers Zustimmung jederzeit möglich!

    Im Bundespolizeigesetz (BPolG) ist nämlich folgendes geregelt:
    § 2 Grenzschutz
    (1) Der Bundespolizei obliegt der grenzpolizeiliche Schutz des Bundesgebietes (Grenzschutz), soweit nicht ein Land im Einvernehmen mit dem Bund Aufgaben des grenzpolizeilichen Einzeldienstes mit eigenen Kräften wahrnimmt.
    (2) ...
    (3) Das Einvernehmen nach Absatz 1 ist in einer schriftlichen Vereinbarung zwischen dem Bundesministerium des Innern und dem beteiligten Land herzustellen, die im Bundesanzeiger bekanntzugeben ist. In der Vereinbarung ist die Zusammenarbeit zwischen der Bundespolizei und der Polizei des Landes zu regeln.
    (4) Nimmt die Polizei eines Landes Aufgaben nach Absatz 1 im Einvernehmen mit dem Bund mit eigenen Kräften wahr, richtet sich die Durchführung der Aufgaben nach dem für die Polizei des Landes geltenden Recht.
Die Frage der Woche
Vergabeplattform
Vergabeplattform

Staatsanzeiger eServices
die Vergabeplattform für öffentliche
Ausschreibungen und Aufträge Ausschreiber Bewerber

Jahresbeilage 2024

Nächster Erscheinungstermin:
28. November 2025

Weitere Infos unter Tel. 089 / 29 01 42 54 /56
oder
per Mail an anzeigen@bsz.de

Download der aktuellen Ausgabe vom 29.11.2024 (PDF, 19 MB)

E-Paper
Unser Bayern

Die kunst- und kulturhistorische Beilage der Bayerischen Staatszeitung

Abo Anmeldung

Passwort vergessen?

Geben Sie Ihren Benutzernamen oder Ihre E-Mail ein um Ihr Passwort zurückzusetzen. Bei Fragen wenden Sie sich bitte an: vertrieb(at)bsz.de

Zurück zum Anmeldeformular 

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.

Abo Anmeldung

Passwort vergessen?

Geben Sie Ihren Benutzernamen oder Ihre E-Mail ein um Ihr Passwort zurückzusetzen. Bei Fragen wenden Sie sich bitte an: vertrieb(at)bsz.de

Zurück zum Anmeldeformular 

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.