Politik

Dringend wird Wohnraum benötigt. Aber viele Pläne von Wohnungsgenossenschaften haben sich zuletzt in Luft aufgelöst. (Foto: Bilderbox.com)

20.10.2023

Haarsträubende Bürokratie

Kommunale Wohnungsgenossenschaften und Baugesellschaften haben’s immer schwerer

Nach dem Zweiten Weltkrieg waren es vor allem Wohnungsbaugenossenschaften, die vielen Menschen ein Dach über dem Kopf besorgten. Doch heute stehen sie vor Problemen: Preisexplosionen bei Baustoffen und Energie, Fachkräftemangel und immer drakonischere Vorgaben fürs ökologische Bauen treffen sie ebenso wie alle Bauunternehmen. Ihre Existenz ist bedroht.

Christian Sobl vom Gablonzer Siedlungswerk (GSW) im schwäbischen Kaufbeuren etwa berichtet von einem in Kaufbeuren angedachten „Generationencampus“ mit Kita, Berufsschülerapartments und Seniorenwohnungen. Das 2021 geplante Projekt kann nicht starten. Zu den genannten Schwierigkeiten gesellen sich Lieferengpässe, ein KfW-Förderstopp, die Erhöhung der energetischen Standards inklusive des geplanten Verbots fossiler Brennstoffe bei Neubauten. Immerhin konnten die Erdarbeiten ausgeschrieben werden. Geplant ist die Fertigstellung nun erst für 2026.

Dieses Projekt ist ein Paradebeispiel für die Probleme am Bau. Laut Sobl konnten in Kaufbeuren in letzter Zeit mehrere Projekte mit unterschiedlicher Bauherrnschaft nicht realisiert werden – obwohl die Baugrundstücke vorhanden waren. Grund: Das Ganze war nicht mehr wirtschaftlich. Zudem sorgen wechselnde politische Ziele für Verdruss.

„Der über Jahre angestrebte Energieeffizienzstandard EH 55 zum Beispiel wurde von der Politik nun als heute gängiger Standard definiert“, erklärt Sobl. Sämtliche Fördermaßnahmen wurden daraufhin eingestellt. Von der KfW wird nun nur noch der höhere Standard EH 40 gefördert. Beim Generationencampus hätten deshalb Abstandsgrenzen und Zuschnitte verändert werden müssen. Allerdings lag die Baugenehmigung bereits vor. Das GSW beschloss, nicht noch einmal alles umzuplanen.

Wer mal eine günstige Wohnung hat, bleibt drin

Die Baupreissteigerung bei Wohngebäuden lag im ersten Quartal 2023 bei einem Plus von 15 Prozent zum Vergleichszeitraum 2022. Mitunter beträgt die Steigerung auch 30 Prozent. Alles in allem verteuern energetische Standards, Bauvorschriften, Brandschutz, Lärmschutz, Gutachten und bauliche Auflagen das Bauen so stark, dass ein Neubau von bezahlbarem Wohnen für mittlere und untere Einkommen nicht mehr möglich ist.

Wer an der Spitze eines Wohnungsbauunternehmens steht, muss nüchtern rechnen. So wie Hans Sartoris, Geschäftsführer der Stadtbau Würzburg GmbH. Kopfzerbrechen bereiten auch ihm bei seinen Kalkulationen vor allen Dingen energetische Vorgaben. Und das seit Langem. „Solche Vorgaben gibt es seit 2002, 2014 wurden sie erstmals, 2020 nochmals und letztes Jahr neuerlich verschärft“, zeigt er auf.

Die ständigen Verschärfungen führten zu permanenten Kostensprüngen, die inzwischen nicht mehr wirtschaftlich darstellbar seien. Insbesondere nicht in Verbindung mit bezahlbaren Mieten. Aber auch die geringe Wohnungsbauförderung wirkt sich fatal aus. „Sozial gebundene, preisgünstige Wohnungen müssen von frei finanzierten Wohnungen quersubventioniert werden, dies treibt die Marktmiete kontinuierlich nach oben“, so Hans Sartoris. Aktuell liege diese in Würzburg bei 15 Euro kalt pro Quadratmeter im Neubau: „Das ist sogar für gut verdienende Arbeitnehmerhaushalte nicht mehr leistbar.“

Dass sich Normalverdiener*innen kaum noch die Wohnungsmiete leisten können, bekommt die Würzburger Stadtbau hautnah zu spüren. „Wer bei uns im Bestand wohnt, zieht nicht mehr aus“, sagt Hans Sartoris. Früher habe die Fluktuation bei etwa 10 Prozent gelegen: Von 5000 Wohnungen wurden pro Jahr 500 frei. Inzwischen können höchstens noch 200 günstige Bestandswohnungen der Würzburger Stadtbau pro Jahr weitervermietet werden. Das reicht mehr oder weniger gerade dafür aus, um die Ärmsten der Armen zu versorgen.

"Nicht nur in Bayern geht es langsam voran"

Hans Maier, Direktor des Verbands bayerischer Wohnungsunternehmen, beklagt: „Nicht nur in Bayern geht es mit dem Wohnungsbau langsam voran.“ Er kritisiert neben umfangreichen Stellplatzanforderungen hohe Baukosten und „überzogene energetische Standards“ als größte Kostentreiber und damit stärkste Neubaubremsen. Dies habe eine Mitgliederbefragung gezeigt.

Immer weniger Wohnungen können dem Verbandsdirektor zufolge für das gleiche Investitionsvolumen gebaut werden. Eine Modellrechnung auf Datenbasis der Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen ergebe: „In angespannten Wohnungsmärkten werden sich die Herstellungskosten einer Wohnung von Mitte 2021 bis Ende 2023 um 38 Prozent verteuert haben.“ In entspannteren Wohnungsmärkten liege die Kostensteigerung mit 29 Prozent nur geringfügig darunter.

Die Folge laut Maier: Mit den Investitionsmitteln des Jahres 2021 könnten Ende 2023 statt 100 nur 73 Wohnungen in angespannten und nur 78 in entspannten Wohnungsmärkten errichtet werden.

Die explodierenden Baukosten beschäftigen die Wohnungswirtschaft schon seit vielen Jahren. Bereits 2013 gab es eine Baukostensenkungskommission der damaligen Bundesregierung, die einen umfangreichen Maßnahmenkatalog zum Stopp der Baukostensteigerungen vorgelegt hat, erinnert Maier. Passiert jedoch sei bisher nichts. (Pat Christ)
 

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