Politik

Stellte vor Kurzem seine Autobiografie vor: Der ehemalige CSU-Vorsitzende und Bundesfinanzminister Theo Waigel. (Foto: Peter Kneffel/dpa)

16.04.2019

Happy Birthday "Mister Euro"

Wie kaum ein Politiker hat Theo Waigel die deutsche und europäische Geschichte geprägt. Pünktlich zu seinem Geburtstag veröffentlicht er seine Memoiren - Edmund Stoiber dürfte das gar nicht gefallen

Nein, groß feiern will Theo Waigel auch seinen 80. Geburtstag nicht. Nur mit der Familie, Ehefrau Irene Epple-Waigel, Kindern und Enkeln, daheim im Allgäu. "Nur unter uns an Ostermontag mit Kirchgang und Mittagessen", sagt der frühere CSU-Chef und "Mister Euro" kürzlich bei der Vorstellung seiner Autobiografie mit dem Titel "Ehrlichkeit ist eine Währung" in München. Aber es lasse sich wohl nicht verhindern, dass die CSU auch noch etwas mache.

Pünktlich zu seinem Ehrentag am 22. April gewährt Waigel auf 352 Seiten einen Einblick in sein Leben. Ziel der Autobiografie war es, Persönliches zu erzählen, "ohne Privates preiszugeben. Meine ehrliche Überzeugung sollte zum Ausdruck kommen, Verbiegen war noch nie meine Sache", schreibt er im Vorwort. Doch nicht jeder Weggefährte dürfte mit Waigels Sicht der Dinge zufrieden seien - geschweige denn ihm dazu gratulieren. Mit Sicherheit gilt das für Edmund Stoiber (77).

"Es gab schon Dinge unter der Gürtellinie, die einem wehtun"

Um den Streit von Waigel und Stoiber zu verstehen, muss man zurückblicken in die Zeit Anfang der 1990er Jahre. Damals war Waigel seit fünf Jahren CSU-Chef und schielte auch auf den Posten des Ministerpräsidenten. Doch der Traum platzte: 1993 unterlag er seinem jüngeren Rivalen Stoiber im Machtkampf um den Posten. Schon vor Jahren räumte Waigel dazu ein, er habe danach überlegt, alles hinzuschmeißen: "Es gab schon Dinge unter der Gürtellinie, die einem wehtun." Damals wurde auch Privates - wie die Trennung von seiner ersten Frau - in der CSU thematisiert. In seinem Buch macht Waigel keinen Hehl daraus, dass für ihn Stoiber für die "diffamierende Kampagne" verantwortlich war - entweder persönlich, oder er kannte und deckte zumindest die Initiatoren.

Wer Waigels Leben aber auf diese Episode reduziert, wird ihm nicht gerecht. "Es ist ein spannendes Leben gewesen", betont er. Geboren wurde Waigel, dessen Vorname eigentlich Theodor ist, als Sohn eines Kleinbauern in Oberrohr im schwäbischen Landkreis Günzburg. Der gläubige Katholik verließ schweren Herzens seine Heimat, um in München und Würzburg Jura zu studieren. So erfolgreich sich seine politische Vita im Rückblick liest, auch er muss in seinem Leben viele Enttäuschungen verkraften - auch davon erzählt er in seinem Buch. Ausführlich geht er dabei auf den Tod seines älteren Bruders Gustl im Zweiten Weltkrieg ein, zitiert aus Briefen von der Front, die für ihn bis heute ein "Zeugnis gegen Krieg und Nationalismus" sind.

1960 trat Waigel in die CSU ein, in die Junge Union gar schon drei Jahre früher. Von 1982 bis 1989 war Waigel Chef der Landesgruppe, von 1988 bis 1999 CSU-Chef. Bundespolitiker wollte Waigel eigentlich nie werden, lieber wäre er Landrat in seiner Heimat Krumbach geworden. Doch der Landkreis wurde kurzerhand aufgelöst. Dafür eröffneten sich neue Wege: 1972 zieht er in den Bundestag ein, ihm gehört er bis 2002 an. Im Rückblick ist er dafür dankbar, denn zweifelsohne konnte er so an vielen historischen Ereignissen und Entscheidungen teilhaben: vom legendären Kreuther Trennungsbeschluss der CSU 1976 über die deutsche Wiedervereinigung bis zur Europäischen Währungsunion.

Dem Kreuther Trennungsbeschluss, jener Zerreißprobe von CSU und CDU im Bundestag, widmet er sich im Buch in bemerkenswerter Detailtiefe. Sein Tenor ist nicht neu und hatte 1976 schon den damaligen CSU-Chef Franz Josef Strauß zur Weißglut gebracht: "CSU und CDU müssen nicht nur vereint schlagen, sondern auch gemeinsam marschieren. Sie gehören als Einheit zusammen." Am Ende blieb es bei einem Strohfeuer, die Fraktionsgemeinschaft blieb bestehen, Strauß gab nach. Gleichwohl hatte die CSU fortan einen Mythos, dem die CSU laut Waigel bis heute viel Kraft und mediale Aufmerksamkeit verdankt.

Das Ende der Karriere ohne Argwohn und Verlustängste gemeistert

Auch nach seinem Ausscheiden aus dem Bundestag blieb Waigel der CSU eng verbunden. 2009 machte die Partei ihn zum Ehrenvorsitzenden, damit ist er auf Lebenszeit Mitglied im Parteivorstand. Zudem verlagerte Waigel sein Engagement auch in die Privatwirtschaft - in beratender Funktion arbeitete er mit seinem Sohn in einer Münchner Rechtskanzlei. Und als Vorsitzender der Münchner Europa Konferenz organisiert er regelmäßig überparteiliche Diskussionsveranstaltungen - dank seiner engen Kontakte meist hochkarätig besetzt.

Keine Frage, Waigels größtes politisches Erbe findet sich aber in Portemonnaies in ganz Europa: der Euro. Als Bundesfinanzminister in der Regierung von Helmut Kohl (CDU) schlug er den Namen 1995 für die gemeinsame europäische Währung vor. Mit Erfolg. Der Europäische Rat gab grünes Licht und bescherte dem CSU-Politiker prompt einen Spitznamen, den er zeitlebens behalten sollte: "Mister Euro".

Natürlich kommt auch Waigels markantestes Merkmal zur Sprache: seine buschigen Augenbrauen, die für Karikaturisten ein Geschenk waren. Sie zu stutzen, käme nie infrage, betont er: "Jetzt im Alter wachsen die Schnurrbärte ungeordneter, ich lasse sie von niemandem verändern. Man sollte zu dem stehen, was man ist. Etliche gut gemeinte Versuche, den Wildwuchs zu zähmen, habe ich abwehren müssen."

Wer Waigels Buch liest oder ihn trifft, merkt eines sofort: Der dreifache Vater ist - abgesehen von Stoiber - mit sich im Reinen. Anders als viele andere hat er es geschafft, das Ende seiner Karriere ohne Argwohn und Verlustängste zu meistern. "Ohne Irene wäre ich heute - da bin ich sicher - ein trauriger, verbitterter alter Mann", schreibt er in seinem Buch und dankt dafür seiner zweiten Frau und dem gemeinsamen Sohn: "Mit ihr und Konstantin, der unser Glück vollkommen machte, erfreue ich mich am Leben und blicke gelassen auf das, was noch kommt."
(Marco Hadem, dpa)

Kommentare (1)

  1. otto regensdacher am 17.04.2019
    Der selbsternannte "Mr. Euro"....
    Leider hat dieser ehemalige Politiker bis heute nicht kapiert, dass der EURO vom Anfang an ein totgeborenes Kind war. Eine Gemeinschaftswährung kann in unterschiedlich gewichteten Volkswirtschaften eben nicht funktionieren. Die Probleme daraus haben wir nach wie vor: die Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank, die wirtschaftlichen und finanziellen Probleme in den südlichen Ländern der EU - um nur Beispiele zu nennen.
    Waigel ist nichts anderes als ein "begnadeter Selbstdarsteller", wie so viele andere Politiker der Gegenwart!
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