Politik

Vorsorgeuntersuchungen in der Schwangerschaft - nicht alles übernimmt die Kasse. (Foto: dpa)

18.01.2019

Hilfe für Mütter oder Selektion?

Immer mehr Frauen nutzen Pränataldiagnostik – nun streitet die Politik, ob die Krankenkasse solche Tests bezahlen soll

Für die werdende Mutter war es ein Schock. Klar hatte sich die damals 40-jährige Münchnerin in den Wochen zuvor immer wieder den Kopf zermartert: „Wird mein Kind gesund?“

Doch mit diesem Ergebnis der Nackenfalten-Messung hatte sie nicht gerechnet, als sie im Jahr 2012 wegen einer Schwangerschafts-Voruntersuchung eine auf Pränataldiagnostik spezialisierte bayerische Frauenarztpraxis aufsuchte. „Die Nackenfalte ist sehr groß. Angesichts Ihres Alters ergibt sich da ein Risiko von eins zu zehn, dass Ihr Kind am Down-Syndrom oder einer anderen sehr schweren Behinderung leiden wird“, sagte die Frauenärztin schließlich betont langsam.

Sie riet der werdenden Mutter zu einer Chorionzottenbiopsie. „Am besten jetzt gleich.“ Dann wisse sie sehr sicher, ob ihr Kind behindert sein werde. Nicht wenige Ärzte empfehlen Frauen in der Schwangerschaft umfassende Voruntersuchungen. Dabei sind manche davon deutlich riskanter als gemeinhin bekannt. Sie kosten die besorgten Mütter zudem viel Geld. Die Münchnerin betonte zwar, sie wolle das Kind, „auch wenn es behindert wird“. Doch die Ärztin entgegnete: „Was Sie machen, ist letztendlich Ihre Sache, ich kann Ihnen nur eine Empfehlung geben.“ Was die Medizinerin nicht erwähnte: Die von ihr vorgeschlagene Chorionzottenbiopsie, also die Entnahme von Gewebe der Plazenta, bringt zwar ein mit sehr großer Wahrscheinlichkeit richtiges Ergebnis zutage. Allerdings besteht bei diesem Eingriff ein Risiko einer Fehlgeburt – das je nach Studie bei 0,1 bis 1 Prozent liegt. Das heißt, bis zu jedes hundertste Kind stirbt aufgrund der Untersuchung, egal, ob es gesund oder krank zur Welt gekommen wäre. Auch einzelne andere bei Risikoschwangerschaften mitunter empfohlene Untersuchungen, die testen, ob ein Kind eine Behinderung hat, sind nicht immer ohne Risiko für den Fötus – insbesondere Fruchtwasseruntersuchungen. Bei letzteren kommt es Studien zufolge in bis zu jedem 200. Fall zu einer Fehlgeburt.

Unterschätztes Risiko

Die 40-jährige Mama entschied sich wegen der Risiken gegen die Chorionzottenbiopsie. Und siehe da: Bereits am kommenden Tag brachte ein weiteres Testergebnis weitgehende Entwarnung. Auch die weitere Schwangerschaft verlief unverdächtig, das Kind kam ohne Komplikationen zur Welt.

Natürlich werde zum Teil mit dem sogenannten Ersttrimester-Screening (ETS)„schlicht auch einfach Geld gemacht“, sagt Silke Koppermann vom Netzwerk gegen Selektion durch Pränataldiagnostik der Staatszeitung. Die Schwangeren würden „erst verunsichert, um sie hinterher mit selbst zu zahlenden Untersuchungen angeblich zu beruhigen“. Die Frauenärztin geht davon aus, dass die meisten Ärzte auf eine ausführliche Beratung Wert legten. Doch gebe es viele Mediziner, die quasi automatisch zu einer Untersuchung rieten, ohne zu klären, welche Konsequenzen ein Ergebnis für die Frau haben würde.

Seit Jahren werden die Pränatal-Praxen in Bayern immer voller. Das liegt auch daran, dass die Mütter bei der Geburt immer älter sind. Zwar liegt etwa die Wahrscheinlichkeit, ein Kind mit Down-Syndrom zur Welt zu bringen, für eine 40-Jährige im Durchschnitt bei etwa einem Prozent. Sie ist damit zwar sehr gering, allerdings neun Mal so hoch wie bei einer 30-Jährigen.

Manche Paare haben auch ein großes Risiko für Erbkrankheiten bei ihren Kindern. Viele Mütter wollen jedenfalls möglichst früh wissen, ob ihr Kind eine Behinderung hat – manche auch deshalb, weil sie die Schwangerschaft dann innerhalb der legalen Frist von zwölf Wochen abbrechen können. So gibt es seit einigen Jahren einen Bluttest, mit dem sehr sicher abgeklärt werden kann, ob das Ungeborene an Trisomie 21, auch bekannt als Downsyndrom, leidet. Zwei weitere Trisomien soll der Test ebenfalls erkennen, hier ist die Zahl der falsch gelieferten Ergebnisse jedoch höher.

Im Bundestag wird seit Jahren darüber diskutiert, ob der gut 200 Euro teure Test Kassenleistung werden soll. Im Oktober 2018 haben mehr als 100 Bundestagsabgeordnete in einem Papier dargelegt, dass sie auf eine grundlegende Klärung ethischer Fragen bei Bluttests für Schwangere, etwa im Fall eines drohenden Down-Syndroms des Kindes, drängen. Die Fortschritte der genetischen Diagnose erforderten gesellschaftliche Antworten, wie mit den Erkenntnissen umzugehen sei, sagte der CDU-Abgeordnete Rudolf Henke bei der Vorstellung der fraktionsübergreifenden Initiative.

Angestrebt wird dafür eine baldigeDebatte im Plenum. Hintergrund ist eine Prüfung des Gemeinsamen Bundesausschusses des Gesundheitswesens, in welchen Fällen die gesetzlichen Kassen solche Tests künftig bezahlen könnten. Die Linke-Abgeordnete Kathrin Vogler erläuterte, es sei mit vielen weiteren Bluttests zu genetisch verursachten Erkrankungen ungeborener Kinder zu rechnen. Noch sei eine gesellschaftliche Debatte möglich.

Innerhalb des Bundestags gehen die Meinungen, ob die Bluttests Kassenleistung werden sollten auseinander. Max Straubinger (CSU) plädiert dafür. „Die Kassen zahlen bei Risikoschwangerschaften ja bereits die Fruchtwasseruntersuchungen. Der Bluttest ist dagegen risikolos.“

Ärztin Koppermann ist dagegen. „Würde der Test bezahlt, wäre das die Botschaft, dass das selbstverständlich zur Schwangerenvorsorge dazu gehört.“ Bereits jetzt würden Schwangerschaften bei Föten mit Trisomie gezielt abgebrochen. Sie verweist auch auf Dänemark. Dort stieg die Zahl der Abbrüche von Schwangerschaften mit Down-Syndrom rasant an, seit dort das ETS als Screening eingeführt ist und die entsprechenden Bluttests von den Kassen bezahlt werden. Ihr Netzwerk warnt vor Selektion. (Tobias Lill)

Kommentare (1)

  1. Papa am 18.01.2019
    Dies ist keine Hilfe für Mütter, bestenfalls Selektion, in jedem Fall Geld generieren für unsere notleidende Ärzteschaft.

    Wir hatten auch eine Risikoschwangerschaft mit allem Drum und Dran, 3-D Ultraschall schon vor der 20ten Woche. Bei dieser Untersuchung konnte keinerlei Fehlbildungen festgestellt werden, es wurde uns trotzdem hingeredet, dass man eine Trisonomie 21 auf Grund dieser Untersuchung nicht feststellen könne, hierzu würde es einer Fruchtwasseruntersuchung bedürfen.

    Da wir uns im Vorfeld schon reichlich mit diesem Thema beschäftigt haben, konnten wir derartiges gelassen ausschlagen. Ein Kind mit dem Down-Syndrom hätten wir sowieso nicht abgetrieben und eine Trisonomie 18 wäre auf Grund der massiven körperlichen Fehlentwicklungen deutlich zu erkennen gewesen.

    Nun sind wir glücklich einen kerngesunden 8-jährigen Jungen zu haben, der auch noch außerordentlich intellegent ist, dies zu aufs Spiel zu setzen durch so eine unsinnige Untersuchung kann ich Niemanden empfehlen.

    Es gibt noch reichlich Möglichkeiten von risikoärmeren Untersuchungen, jedoch ist hier ein Mangel an Aufklärung zu verzeichnen.

    Vielleicht sollten die Krankenkassen lieber Untersuchungmethoden mit weniger Risiko in ihren Leistungskatalog aufnehmen, denn die 3-D Untersuchung ist normalerweise auch selbst zu bezahlen, nur bei Komplikationen werden diese Kosten übernommen.
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