Politik

Die aus Syrien geflüchtete Familie Osso klagt auf Asyl. (Foto: dpa)

04.11.2015

Hoffen auf einen milden Richter

Der Asylantrag abgelehnt, die Abschiebung nur eine Frage der Zeit -für immer mehr Asylbewerber ist der Gang zum Verwaltungsgericht der letzte Strohhalm. Auch für die syrische Familie Osso

Ismael Osso wirkt erstaunlich ruhig und gefasst. Dabei geht es für den Syrer und seine fünfköpfige Familie an diesem Vormittag im stuckverzierten Gerichtssaal des Ansbacher Verwaltungsgerichts um alles. Scheitert seine Klage, droht ihm, seiner Frau Fahima und seinen vier Kindern schon in wenigen Wochen die Ausweisung - zurück nach Bulgarien, wo die syrischen Jesiden nach einer abenteuerlichen Flucht durch die Türkei für ein paar Monate Zuflucht gefunden hatten. 

Dass sie dort nie richtig Asyl beantragt hatten und sich von den Behörden gegen ihren Willen monatelang festgehalten fühlten, wie die Ossos betonen, überzeugte den Entscheider beim Nürnberger Bundesamt für Migration und Flüchtlinge nicht. Er lehnte im Juni 2014 ihren Asylantrag ab. Nun setzt die in Nürnberg lebende Familie auf die Milde der Verwaltungsrichterin Ariane Bayer, die den Fall an diesem Tag verhandelt.

Es ist ein zäher Prozess. Erst verspätet sich der Dolmetscher um fast eineinhalb Stunden. Dann ziehen die Übersetzungen das Verfahren in die Länge. Richterin Bayer gibt sich dennoch geduldig. Sie lässt Ismael Osso ausführlich schildern, wie er und seine Familie nach stundenlangem Dauerbeschuss aus ihrer Heimatstadt Aleppo zunächst aufs Land, später in die Türkei fliehen. Und wie Schlepper sie schließlich in das EU-Land Bulgarien lotsen. 

Manche Verfahren dauern nur zehn Minuten

Dass sich Richter so viel Zeit für Asylklagen nehmen, sei nicht selbstverständlich, berichtet der Anwalt der Ossos, Yunus Ziyal. "Manche Verfahren sind nach zehn Minuten zu Ende". Ziyal ist Profi genug, um zu wissen, wie wenig sich Verwaltungsrichter von dramatischen Fluchtgeschichten beeinflussen lassen. Der junge Anwalt, der für eine Münchner Anwaltskanzlei Flüchtlinge im Großraum Nürnberg vertritt, setzt vielmehr auf formal-juristische Argumente.

Die Ossos, so versucht Ziyal die Einzelrichterin umzustimmen, seien bei ihrer Registrierung in dem bulgarischen Auffanglager von den Behörden nie offiziell angehört worden. Sie hätten deshalb in Bulgarien gar kein Asyl erhalten. Folglich könne von einem "subsidiären Schutz", den die syrische Familie in den Augen des Asyl-Bundesamtes in Bulgarien gefunden habe, keine Rede sein. 

Ziyal kann sich vor Anfragen von klagewilligen Asylbewerbern gar nicht retten. Er vertritt derzeit 100 Flüchtlinge. Viel mehr Fälle seien nicht zu schaffen, sagt er. Seit Jahresanfang habe die Anwaltskanzlei, für die er arbeitet, deshalb einen Annahmestopp. 

Viele Asylbewerber stottern das Anwaltshonorar ab

Ob sich die Vertretung von Flüchtlingen für einen Rechtsanwalt finanziell lohnt? Ziyal antwortet ausweichend: "Man muss schon von der Sache überzeugt sein." Manche seiner Mandanten stotterten das Anwaltshonorar ab. "Und manchmal mache ich auch finanzielle Zugeständnisse." Bei gewonnen Prozessen zahle sein Honorar die Staatskasse. Die Erfolgsquote bei solchen Verfahren sei allerdings unterschiedlich. "Bei Syrern habe ich eine hohe Erfolgsquote. Bei Asylbewerbern aus dem Westbalkan ist das genau umgekehrt." 

Wie gering die Aussichten von Asylklagen sind, zeigt ein Blick in die Statistik des Verwaltungsgerichts Ansbach, wo inzwischen 9 der 14 Kammern regelmäßig mit Klagen von Flüchtlingen befasst sind. Von den 1600 Asylrechtsklagen in diesem Jahr wiesen die Richter 1320 ab, wie Gerichtssprecher Jürgen Stadler berichtet. Aus Sicht der klagenden Asylbewerber erfolgreich waren nur 55; bei weiteren 30 Klagen spricht Stadler von einem Teilerfolg. DerRest habe sich anderweitig erledigt. 

Die Aussicht auf Erfolg ist denkbar gering

Auch bayernweit ächzen die Verwaltungsgerichte unter der Flut von Asylklagen. Allein für das Jahr 2015 rechnet ein Sprecher des BayerischenVerwaltungsgerichtshofs (VGH) im gesamten Freistaat mit 13 000 asylrechtlichen Verfahren. Noch 2012 waren es lediglich 3300. Seitdem stieg die Zahl stetig. Für Entspannung könnten nun 26 neu geschaffene Stellen sorgen. "Die Stellen zu schaffen ist das eine, die Stellen aber auch zu besetzen, das andere", meint allerdings der VGH-Sprecher.

Bei den Ossos geht das Zittern jedenfalls weiter. Inzwischen hat die Kammer die Klage der syrischen Familie abgelehnt. Sie ist der Überzeugung, dass einLeben in Bulgarien für die Flüchtlingsfamilie durchaus zumutbar ist. Ihr Anwalt sieht das anders und versucht den Fall nun "wegen seiner grundsätzlichenBedeutung" vor den VGHzu bringen - damit wäre die Familie erst einmal vor einer Abschiebung sicher. (Klaus Tscharnke, dpa)

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