Politik

"Drah' di net um, der Ösi geht im Rathaus um!": Ein Lokalsender landete mit seiner Hymne auf Alexander Putz – frei nach Falco – im Netz einen Hit. (Foto: dpa)

04.11.2016

"Ich komme doch nicht vom Mond!"

Landshuts neuer OB Alexander Putz über seinen Mangel an kommunalpolitischer Erfahrung, Politikverdrossenheit und seine niederösterreichische Herkunft

Der 53-jährige Bauingenieur schaffte vor zwei Wochen eine Sensation: Der Liberale setzte sich in der Stichwahl gegen die CSU durch, die seit 46 Jahren Landshut regiert. Das große Anliegen des politischen Quereinsteigers: eine bessere Kommunikation mit den Bürgern – gerade auch außerhalb von Wahlkampfzeiten. Was er sonst noch ändern will und bei wem er sich Rat sucht, verrät Putz im Interview. BSZ: Herr Putz, vor vier Jahren sind Sie der FDP beigetreten – warum wollten Sie mit 49 Jahren plötzlich in die Politik?
Alexander Putz: Mein Vater war Maurer und überzeugter Sozialdemokrat, der mich schon mal zum Plakatekleben mitgenommen hat. Nach meiner technischen Ausbildung wollte ich Politikwissenschaft oder Publizistik studieren. Doch dann lernte ich eine junge Frau aus Niederbayern kennen, sie wurde schwanger, ich zog zu ihr und musste Geld verdienen. Dann kam ein zweites Kind, und mit 30 Jahren habe ich mich selbstständig gemacht. Mein Interesse an der Politik aber habe ich nie verloren – und auch aus einer gewissen Unzufriedenheit mit üblichen politischen Ritualen ist bei mir nach und nach der Wunsch entstanden, mich selbst aktiv einzubringen.

BSZ: Und warum bei der FDP?
Putz: Das war ein langer Prozess, geprägt von einem Kopf-Bauch-Konflikt. Mich hat an der FDP vor allem die Synthese zwischen einer Politik der wirtschaftlichen Vernunft und gleichzeitig der gesellschaftlichen Offenheit und Toleranz überzeugt. Das spiegelt auch mein Lebensgefühl und meinen Lebenslauf wieder.

BSZ: Ist Ihr Erfolg auch ein Erfolg der Partei?
Putz: Eine Oberbürgermeisterwahl ist in erster Linie eine Persönlichkeitswahl – das sieht man auch in der FDP so. Die Menschen haben zum Großteil die Person Alexander Putz gewählt, aber natürlich wohlwissend, dass er ein Freier Demokrat ist.

BSZ: Wer berät Sie? FDP-Kollegen?
Putz: Im Wahlkampf habe ich ganz bewusst auf eine professionelle Politikberatung samt Werbeagentur verzichtet. Nur so konnte ich alles genau so machen, wie ich es wollte – und damit authentisch bleiben. Aber selbstverständlich brauche ich jetzt auch Input und Beratung. Dabei werde ich aber nicht auf das Parteibuch schauen, sondern sie mir vor allem vor Ort suchen. Der CSU-Amtsinhaber Hans Rampf hat mir schon hundertprozentige Unterstützung bei der Einarbeitung zugesagt.

"Wie sollen Bürger Respekt vor uns haben, wenn wir ihn uns gegenseitig nicht entgegenbringen"

BSZ: Machen Sie jetzt also erst einmal einen Crashkurs für Kommunalpolitik und Verwaltung?
Putz: Natürlich gibt es Details in den Verwaltungsabläufen, in die ich mich einarbeiten muss – so wie jeder neue Oberbürgermeister. Aber ich bin seit 2013 Kreisvorsitzender der Landshuter FDP und habe als solcher auch das kommunalpolitische Programm der Partei entworfen. Ich bin doch nicht vom Mond nach Landshut gekommen, sondern lebe hier seit 34 Jahren.

BSZ: Was wollen Sie anders machen als Ihre Vorgänger?
Putz: Ich will der Politikverdrossenheit mit mehr Transparenz begegnen – zum Beispiel, indem man Unterlagen aus öffentlichen Sitzungen online stellt und Stadtratssitzungen aufzeichnet, um sie via Mediathek zugänglich zu machen. Eine Wahlbeteiligung von 45 Prozent kann uns nicht zufriedenstellen. Wir brauchen dringend eine bessere Kommunikation mit den Bürgern – auch außerhalb von Wahlkampfzeiten.

BSZ: Ihnen wurde vorgeworfen, im Wahlkampf mit der Politikverdrossenheit der Landshuter gespielt zu haben: als „Anti-Politiker“, der gegen die Etablierten kämpft.
Putz: Jemanden zum Anti-Politiker zu erklären, weil er sagt, dass er sich wünscht, dass Politik nicht dem Schwarz-Weiß-Denken verfällt, nicht vereinfacht, sondern besser erklärt – das finde ich seltsam. Es gab auch den Vorwurf, dass ich meine politischen Mitbewerber viel zu wenig angegriffen hätte. Ich halte es aber für grundsätzlich verkehrt, dass sich Politiker persönlich angreifen. Wie sollen Bürger Respekt vor uns haben, wenn wir ihn uns gegenseitig nicht entgegenbringen. Ja, vielleicht ist das ein Gegenmodell, aber es ist weder populistisch noch anti.

BSZ: Gibt es etwas, das Sie genauso machen wollen wie Ihre Vorgänger?
Putz: Natürlich ist nicht alles falsch gemacht worden, sonst würden ja nicht jedes Jahr tausend Bürger nach Landshut ziehen. Unter Hans Rampf ist zum Beispiel die Innenstadt viel lebendiger geworden. Aber man kann auch das Gute verbessern. Etwa indem wir die Stadt auch außerhalb der Region besser vermarkten.

BSZ: Was ist das drängendste Problem in Landshut?
Putz: Der sehr hohe Schuldenstand kombiniert mit einem Investitionsstau. Wir brauchen neue Schulen, müssen auch viele sanieren. Ebenso brauchen wir Umgehungsstraßen, um unsere riesigen Verkehrsprobleme zu lösen. Für mehr Einnahmen setze ich vor allem auf die Themen Wirtschafts- und Unternehmensförderung sowie Tourismus. Außerdem benötigen wir dringend mehr bezahlbaren Wohnraum – hier setze ich statt auf eine städtische Wohnungsbaugesellschaft auf eine bessere Unterstützung privater Initiativen und Wohnungsbau-Genossenschaften.

"Sprechtraining? Wäre das Voraussetzung gewesen, hätte ich gar nicht erst kandidiert!"

BSZ: Wie kompromissbereit sind Sie dabei, im Stadtrat sitzt schließlich nur noch ein weiterer FDPler?
Putz: Kompromissbereit muss man immer sein. Aber ich sehe bei den wesentlichen Themen kein großes Problem, Mehrheiten zu finden. Im Übrigen hätte die CSU auch nur 14 von 44 Sitzen im Stadtrat gehabt. In Landshut hat es seit Jahren Tradition, dass der OB überparteiliche Mehrheiten schmieden muss.

BSZ: Sie wollen OB- und Stadtratswahlen wieder zusammenlegen – in dreieinhalb Jahren wird dann schon wieder gewählt. Was wollen Sie bis dahin erreichen?
Putz: In dieser Zeit kann man sicher nicht alle großen Probleme der Stadt lösen, aber es müssen Projekte ins Laufen gekommen sein. Ich wünsche mir, dass man erkennen wird, dass wir die Stadtentwicklung aktiv angegangen sind und dass Bürger, Stadtrat und Bürgermeister dabei an einem Strang ziehen.

BSZ: Man hört bei Ihnen deutlich die österreichische Herkunft durch – gab es dadurch schon mal Probleme?
Putz: Die Klangfärbung seiner Kindheit und Jugend kann man doch nicht ablegen! Das ginge nur mit einem Sprechtraining wie für Schauspieler. Dazu hat mir tatsächlich der eine oder andere geraten, als ich in die Politik wollte. Wäre das Voraussetzung gewesen, hätte ich aber gar nicht erst kandidiert. Und wie man am Ergebnis sieht: Die Landshuter stört es nicht.

BSZ: Kann Bayern etwas von Österreich lernen?
Putz: Auch wenn es aktuell leider weniger zutrifft, in Österreich gab es über Jahrzehnte hinweg ein viel unaufgeregteres Miteinander der politischen Kräfte. Das liegt mit am Proporz, der auch seine Schattenseiten hat: Stichwort Parteibuchwirtschaft. Positiv aber ist, dass man weiß, dass man das Land nur gemeinsam vorwärts bringen kann. Dass zum Beispiel der Wiener Hauptbahnhof, der 2,5 Milliarden Euro gekostet hat, im Gegensatz zu Stuttgart 21 in wenigen Jahren realisiert werden konnte, ist auch ein Zeichen dafür, dass in Österreich nicht jedes Sachthema politisch instrumentalisiert wird. Gerade was die Realisierung von Großprojekten betrifft, wäre der Blick über die Grenze manchmal nicht schlecht. (Interview: Angelika Kahl)

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