Die Freude im Neuburger Stadtrat war groß, als Oberbürgermeister Bernhard Gmehling (CSU) 2021 eine vermeintlich günstige Lösung für die lang ersehnte Brücke für Radfahrer*innen präsentierte: Das am Jahresanfang vom Bund aufgelegte Sonderprogramm Stadt und Land versprach für Projekte wie dieses eine Förderung von 80 Prozent der Kosten, sofern der Antrag bis Ende des Jahres vorliegt. Doch schnell kam die Ernüchterung: Zu den Kriterien gehörte auch die Erstellung eines Radverkehrsgutachtens, das dem Antrag zwingend beiliegen musste. Und der gesamte Bau hätte Ende 2023 abgeschlossen sein müssen, damit es etwas mit der Förderung wird.
Als klar war, dass wegen der Kosten von mehr als 5 Millionen Euro für den Bau ein aufwendiges Vergabeverfahren gestartet werden müsste, hisste die Stadt die weiße Flagge. Böse Zungen behaupteten ja, es handle sich bei der Förderung nur um ein „Fake-Programm“, mit dem der Bund nach außen hin signalisiere, wie viel er für den Radverkehr tue – ohne wirklich viel hergeben zu müssen, weil die Vorgaben zu streng seien, meinte der Oberbürgermeister ernüchtert. Bis heute wartet Neuburg auf seine Brücke.
Zur Ehrenrettung des Programms sei gesagt: Die für Bayern vorgesehenen Mittel in Höhe von rund 95 Millionen Euro wurden trotzdem alle beantragt. Allerdings dürften die meisten Gelder in weit weniger ambitionierte Projekte als das in Neuburg geflossen sein – etwa in neue Radspurmarkierungen oder Radständer. Dazu teilen einige der teilnehmenden Kommunen die Kritik aus Neuburg: In einer Umfrage des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC) bemängelten sie besonders die geringe Planungssicherheit des Programms – vor allem aufgrund der gesetzten Fristen.
Zu knappe Fristen, zu unklare Kriterien, zu hoher Personalaufwand, zu hoher Eigenanteil: Diese Kritik üben Kommunen, Unternehmen und Privatpersonen an vielen der weit über 2000 Förderprogramme, die in Deutschland von Europäischer Union, dem Bund und den Ländern angeboten werden.
Dann lieber gar kein Geld
Deswegen werden viele Mittel auch gar nicht erst abgerufen. Es sind bundesweit Milliardenbeträge. Im Freistaat Bayern gibt es mehr als 300 Förderprogramme. Laut bayerischem Finanzministerium wurden in den vergangenen acht Jahren mehr als 275 Millionen Euro Fördermittel, die im Haushaltsansatz des Freistaats veranschlagt waren, nicht abgerufen.
„Die Vielzahl an Förderprogrammen auf Ebene von EU, Bund und Land überfordert unsere Kommunen“, erklärt Matthias Simon, Direktor des Bayerischen Gemeindetags. Das bestätigt eine Studie des Beratungsunternehmens PD und des Deutschen Städtetags: Trotz knapper Kassen verzichteten demnach 60 Prozent der potenziellen Fördernehmer wegen der Komplexität und der Bearbeitungsdauer auf eine Beantragung von Fördermitteln.
Ein ähnliches Bild zeichnet eine Studie der Bundesförderbehörde KfW: Über die Hälfte der Kommunen mit mehr als 2000 Einwohner*innen gab an, dass sich Projekte durch die langwierige Bearbeitung um mindestens ein Jahr verzögern. Bei 38 Prozent mussten sogar geförderte Projekte ganz eingestampft oder abgespeckt werden. Darauf weisen Leo Sarah Necker, Leiterin des Ifo-Zentrums für Soziale Marktwirtschaft und Institutionenökonomik in Fürth sowie die Wissenschaftler Sebastian Blesse und Leon Högner hin. „Die Zugangsbarrieren ziehen sich durch den ganzen Fördermittelprozess“, bemängelt Högner. Denn es reicht nicht, erst einmal das richtige Förderprogramm gefunden zu haben und alle für den Antrag notwendigen Unterlagen zusammenbekommen zu haben. Oft muss dann auch noch jeder Schritt bis zum Abschluss dokumentiert werden.
Das schreckt auch viele Unternehmen ab – wenn sie denn überhaupt von den Fördermöglichkeiten wissen: Laut dem Digitalisierungsindex der Telekom, für den mehr als 2000 mittelständische Betriebe befragt wurden, kennt die Hälfte der Betriebe die entsprechenden Förderungen gar nicht. Rund ein Drittel verzichtete dagegen bewusst auf eine Förderung. Nur weniger als ein Fünftel nahm eine Förderung in Anspruch – die meisten von ihnen kritisierten den bürokratischen Aufwand.
Die Zurückhaltung ist auch bei einer Förderung des Freistaats für Schwimmkurse zu spüren: Die Staatsregierung gibt seit 2021 an Vorschulkinder und Erstklässler 50-Euro-Gutscheine für Seepferdchen-Schwimmkurse aus. Doch wer die Gutscheine bei der Anmeldung der Kinder einlösen will, hört bei vielen Anbietern dieselbe Antwort: Die Gutscheine werden nicht angenommen. Denn viele scheuen den bürokratischen Aufwand.
Wie hoch die Kosten für die Bearbeitung der Anträge in den Förderbehörden ist, lässt sich nicht beziffern. Sicher ist er enorm. Hartnäckig hält sich daher die Forderung nach einer Reform. Diese Woche plädierte Tim Pargent, finanzpolitischer Sprecher der Grünen im Landtag, dafür, die Förderprogramme im Freistaat deutlich zu reduzieren und die frei werdenden Mittel den Kommunen zur Verfügung zu stellen. Beim bayerischen Gemeindetag rennt er damit offene Türen ein: „Genau das entspricht unserer Forderung“, sagt Direktor Simon. „Man könnte den Gemeinden einen Vertrauensvorschuss gewähren.“ Eine Lösung, die auch das Ifo-Zentrum gutheißen würde.
Im bayerischen Finanzministerium will man auf die Förderprogramme nicht verzichten. Damit lasse sich mit begrenzten Mitteln ein maximaler Mehrwert für die Bevölkerung erzielen, erklärt ein Sprecher. (Thorsten Stark)
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