Immer mehr Pfarrer in Bayern landen im Visier der Staatsanwaltschaften, nachdem sie in ihrer Gemeinde Flüchtlingen Kirchenasyl gewähren. "Uns sind drei relativ neue Fälle bekannt", sagte Harry Luck, Sprecher des Erzbistums Bamberg. Die Geistlichen der betroffenen Kirchgemeinden hätten Vorladungen zur Vernehmung beziehungsweise zum Gespräch erhalten, sagte Luck weiter. Zudem bestätigte die Schweinfurter Staatsanwaltschaft der Nachrichtenagentur dpa, dass sie die Ermittlungen wegen Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt in zwei weiteren Fällen aufgenommen hat. Die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth sprach von etwa zwölf Fällen seit Jahresbeginn.
Das Thema hatte zuletzt hohe Wellen geschlagen, weil gegen eine evangelische Pfarrerin aus dem unterfränkischen Haßfurt (Landkreis Haßberge) wegen Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt ermittelt wurde. Pfarrerin Doris Otminghaus gewährt afghanischen Flüchtlingen Kirchenasyl. Ihnen drohte bereits die Abschiebung in ihre Heimat. Die Bamberger Staatsanwaltschaft bestätigte diese Ermittlungen. "Die Ermittlungen dauern an und der Verfahrensausgang ist offen", sagte ein Sprecher dazu.
Wegen geringer Schuld eingestellt
In der jüngeren Vergangenheit sei ein ähnlicher Fall der Bamberger Staatsanwaltschaft allerdings wegen geringer Schuld eingestellt worden. Drei aus gleichem Grund eingestellte Fälle bestätigte auch die Staatsanwaltschaft in Coburg. "Die Staatsanwaltschaften sind nach dem Gesetz verpflichtet, bei einem Verdacht auf Straftaten zu ermitteln. Und die Unterbringung eines abgelehnten Flüchtlings ist strafbar", sagte Ursula Haderlein, Leitende Oberstaatsanwältin in Schweinfurt.
Der Landesbischof der evangelisch-lutherischen Kirche, Heinrich Bedford-Strohm, bezeichnete die Strafverfolgung der Geistlichen als "unverhältnismäßig". "Ich hoffe, dass dieses Vorgehen nicht zur Regel wird", schrieb er zuletzt auf seiner Facebook-Seite. Der evangelischen Landeskirche waren zuletzt 17 Ermittlungsverfahren gegen Pfarrer in Bayern bekannt. Zum Teil seien die bereits wieder eingestellt worden. Im Falle einer Verurteilung drohen Geld- bis Freiheitsstrafen.
Derzeit 60 Kirchenasyle in Bayern
In der evangelischen Kirche in Bayern würden derzeit fast 60 Kirchenasyle gewährt. Genaue Zahlen von der katholischen Kirche in Bayern gibt es nicht. Deutschlandweit sind der Ökumenischen Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl (BAG Asyl) in der Kirche 316 Kirchenasyle für 531 Menschen, darunter 141 Kinder, bekannt.
Die BAG Asyl kritisiert die "Kriminalisierung von Menschen, die gewaltfrei dafür eintreten, Menschenrechte zu achten und Leben zu schützen". Die Ermittlungen wirkten wie "ein Einschüchterungsversuch, der auf der symbolpolitischen Klaviatur spielt", sagte die Vorstandsvorsitzende Dietlind Jochims dazu.
Grundsätzlich behandeln die Kirchen das Thema Kirchenasyl eher diskret. Sie werben nicht mit diesem, auf altem Kirchenrecht basierenden Angebot. Das Kirchenasyl ist für sie vielmehr eine absolute Notlösung und kein politisches Mittel. Dennoch ist es rechtlich eine Grauzone und ein Thema, das viel Konfliktpotenzial birgt.
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Christiane Gläser, dpa)
Hintergrund: Schutz für Flüchtlinge im Kirchenasyl
Die Kirchen in Deutschland gewähren Flüchtlingen Zuflucht, deren Leib und Leben durch eine Abschiebung bedroht wäre oder die nicht hinnehmbare soziale und psychische Härten ertragen müssten. Ziel ist, dass die Flüchtlinge doch ein Bleiberecht in Deutschland erlangen. Sakrale Räume haben eine jahrhundertealte Schutztradition. Die Flüchtlinge leben aber in den seltensten Fällen direkt in der Kirche, vielmehr im Gemeinde- oder Pfarrhaus oder anderen Räumen. Dort sind sie weitgehend vor einem polizeilichen Zugriff geschützt, denn der deutsche Staat achtet das Kirchenasyl.
Die Ökumenische Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche hatte Anfang März 316 Kirchenasyle registriert. In ihnen seien 531 Menschen untergebracht, davon 141 Kinder.
Im Februar 2015 vereinbarten die Kirchen und das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), dass die Behörde gemeldete Kirchenasyl-Fälle noch einmal individuell prüft - oft mit einem positiven Ausgang für die Betroffenen. Die Vereinbarung betrifft allerdings nur Fälle, bei denen die Zuständigkeit für das Asylverfahren noch bei einem anderen EU-Mitgliedsland liegt.
Seit der Vereinbarung und bis Ende Januar 2017 wurden dem Bundesamt 791 Dossiers zu Kirchenasylfällen vorgelegt. In 307 Fällen hat Deutschland die Zuständigkeit für das Asylverfahren von einem anderen EU-Mitgliedsland übernommen, in 191 Fällen konnte der Auffassung der Kirchenvertreter hingegen nicht gefolgt werden. Weitere 293 Fälle erledigten sich durch den Ablauf der sechsmonatigen Überstellungsfrist oder auf sonstige Weise. (dpa)
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