Politik

Zur Europawahl am 9. Juni treten auch etliche kleine Parteien an, einige davon zum ersten Mal. (Foto: dpa/Sascha Steinach)

31.05.2024

Inneres, Wirtschaft, Umwelt: Die Wünsche der Kleinen

Europawahl am 9. Juni: Wir haben uns die Programme der kleineren Parteien angeschaut – wer steht wofür? Ein Überblick

Innere Sicherheit/Migration:

Die ÖDP fordert eine bessere Vernetzung der Fahndungsdatenbanken in Europa, unter Wahrung der Bürgerrechte. Staatstrojaner und ähnliche Maßnahmen sollen nur nach richterlicher Anweisung eingesetzt werden. Die Partei fordert eine gemeinsame EU-Asylpolitik, wozu die Bekämpfung von Fluchtursachen und eine fairere Verteilung der Flüchtlinge gehören. Asylbewerber*innen sollen auch Anträge außerhalb der EU-Grenzen stellen können.
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Um die innere Sicherheit zu stärken, fordert die Tierschutzpartei, dass gewaltfreie Erziehung von Kindern gefördert und praktiziert wird. Zur Bekämpfung von organisierter Kriminalität, vor allem Terrorismus und Drogenkriminalität, sollen Möglichkeiten geschaffen werden, internationale Finanzströme zu überwachen. Menschen, die Schutz benötigen, sollen aufgenommen werden. Asylverfahren sollen beschleunigt werden. Asylsuchende sollen solidarisch verteilt werden, dabei soll man die „Präferenzen der Asylsuchenden“ beachten.
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Die Familienpartei fordert eine stärkere Vernetzung der nationalen Sicherheitsbehörden sowie die Einführung einer europäischen Antiterrorgruppe, die auf mehrere Mitgliedstaaten verteilt werden soll. Eine bindende europäische Verteilungsquote von Flüchtlingen soll die Grenzstaaten entlasten. Ein europaweiter Rechtsrahmen soll festlegen, wer als schutzbedürftig zu erklären ist und unter welchen Bedingungen jemand in der EU leben kann. Das Ende von Billigexporten soll helfen, Fluchtursachen in ärmeren Ländern zu bekämpfen. 
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Ihrem Anspruch entsprechend präsentiert Die Partei zur Europawahl satirische Forderungen wie etwa die Abschaffung der Privatsphäre: „Die EU sammelt unsere Daten, sie will unsere Chats und Mails lesen, und unsere Gesichter überall erfassen. Die Idee ist gut: Wir fordern die Offenlegung von Patientenakten und Mails, Sex-Zeug von allen Politikern. Und nur von denen.“ Im Parteiprogramm spricht man sich für mehr direkte Demokratie in Deutschland aus.
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Die Piraten fordern den Aufbau einer europäischen Armee unter demokratischer Kontrolle. Wegen der instabilen Sicherheitslage sollen die heimische Rüstungsindustrie und die Cyberabwehr gestärkt werden. Alle Mitgliedstaaten sollen Flüchtlinge aufnehmen. Nötig sei eine Asylreform, die Inhaftierung und Schnellverfahren an den Grenzen vermeidet. 
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Volt setzt sich für eine europäische Armee, einen EU-Außenminister und die Gründung eines europäischen Nachrichtendienstes ein. In Sachen Migration schlägt Volt einen Kodex für die legale Anwerbung von Fachkräften vor. Man plädiert für die humane Aufnahme von Flüchtlingen und den Abschluss von Asylverfahren binnen dreier Monate.
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Die Partei für schulmedizinische Verjüngungsforschung hat dazu keine Vorschläge. (Die monothematische Partei beruft sich auf den Alternsforscher Aubrey de Grey. Dieser glaubt, es gebe eine 50-prozentige Chance, in den nächsten zwölf bis 15 Jahren eine Medizin zu entwickeln, die einem 60-Jährigen 20 zusätzliche Lebensjahre ermöglicht. Gelingen soll dies, indem auf molekularer und zellulärer Ebene altersbedingte Schäden repariert werden. Die EU soll daher 40 Milliarden Euro pro Jahr in die Verjüngungsforschung investieren.)
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DAVA (Demokratische Allianz für Vielfalt und Aufbruch) wünscht sich eine aktivere Rolle der EU in internationalen Organisationen und will Terror und Clan-Kriminalität bekämpfen. Bei der Asylpolitik soll die Menschenwürde ins Zentrum rücken. DAVA setzt auf eine gerechte Lastenverteilung in Europa, die Bekämpfung von Schleuserkriminalität und die gesteuerte Anwerbung von Fachkräften.

Wirtschaft/Finanzen:

Die ÖDP fordert die Einführung einer EU-Steuer zur Finanzierung von Anleihen sowie die Abkehr des Einstimmigkeitsprinzips des Europäischen Rates bei Steuerfragen. Dazu sollen die Abgeordneten aus den Euroländern ein eigenes Parlament bilden, das in Streitfragen zum Euroraum tätig wird. Eine CO2-Grenzausgleichsteuer soll Chancengleichheit zwischen Unternehmen innerhalb und außerhalb der EU schaffen. Die Beschäftigungs-, Sozial- und Umweltstandards in der EU sollen angeglichen werden. 
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Die Tierschutzpartei will durch enge staatliche Zusammenarbeit und internationale Vereinbarungen verhindern, dass sich Großkonzerne durch die Globalisierung nationalen Regelungen entziehen können. Subventionen für Industrien, die in Deutschland mittel- und langfristig nicht zukunftsfähig sind, sollen sozialverträglich beendet werden. Die Partei befürwortet die Erprobung und Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens.
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Die Familienpartei fordert den Aufbau eines europäischen Stromnetzes und eine gemeinsame Energiewende. Zudem soll bei jedem Kauf und Verkauf eines Finanzprodukts eine Transaktionssteuer fällig werden. Die Einnahmen sollen zur Hälfte den Mitgliedstaaten, zur anderen Hälfte einem EU-Sozialfonds zugutekommen, aus dem unter anderem ein EU-weites Kindergeld von 50 Euro pro Monat finanziert wird. Dazu sollen eine europaweit geltende Kapitalertragsteuer sowie Mindeststeuersätze eingeführt werden. 
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Die Partei fordert die Begrenzung von Managergehältern auf das 50 000-Fache eines Arbeiterlohns: „Kein Manager ist mehr als 50 000 mal mehr wert als ein beliebiger Arbeiter.“ Um Arbeitslosigkeit zu verhindert, fordert sie die Verkürzung der Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich oder die Umwandlung befristeter Arbeitsverhältnisse in unbefristete.
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Die Piraten wollen monopolistische Märkte zerschlagen und deren Entstehung künftig verhindern. Damit Freihandelsabkommen der Gesellschaft und nicht privaten Unternehmen dienen, sollen die Verträge so transparent wie möglich verhandelt werden. Bei den Steuern will die Partei einen größeren Teil der Steuerlast von Arbeit auf Kapital verlagern und Lücken im Steuerrecht schließen.
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In der Wirtschaftspolitik dringt Volt auf mehr Nachhaltigkeit und Innovation, was besonders gefördert werden soll. Die Finanzmärkte sollen voll harmonisiert, Steueroasen innerhalb der EU ausgetrocknet werden. Dazu schlägt Volt eine europaweit einheitliche Mindestkörperschaftsteuer von 22 Prozent vor.
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Verjüngungstherapien können in den Augen der Partei für schulmedizinische Verjüngungsforschung den Fachkräftemangel beheben, die europäische Wirtschaft stärken und den Weg Europas für eine florierende Longevity-Industrie ebnen, also für einen neuen Industriezweig im Bereich lebensverlängernde Maßnahmen. Renommierte Ökonomen, so die Partei, rechneten durch eine gestiegene Lebenserwartung von nur einem Jahr allein für die USA über den Zeitraum „von ein paar Jahrzehnten“ mit einer wirtschaftlichen Wertsteigerung von mehreren Billionen Dollar.
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Die Aufhebung von Handelssanktionen gegen „missliebige Staaten“ wie Russland, China oder Iran ist einer der Kernpunkte bei DAVA. Zudem plädiert man für mehr Freihandel und weniger Bürokratie. Finanzpolitisch kämpft man für den Erhalt des Bargelds und gegen Steuervermeidung und Steuerflucht.
 
Landwirtschaft/Umwelt:

Agrarförderung soll es laut ÖDP nur noch für Leistungen geben, die dem Gemeinwohl dienen, etwa für Klimaschutz, Erhalt der Artenvielfalt, oder Tierwohl. Öffentliche Einrichtungen sollen dazu verpflichtet werden, mindestens 30 Prozent ihrer Lebensmittel aus regionaler ökologischer Landwirtschaft zu beziehen. Bis zum Jahr 2030 soll in der EU die Klimaneutralität erreicht werden. Die Steuern auf den Verbrauch von Ressourcen ist deutlich und kontinuierlich zu erhöhen. 
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Die Tierschutzpartei will mittel- bis langfristig eine zu 100 Prozent ökologische Landwirtschaft erreichen, das Ziel ist biovegane Landwirtschaft. Gefordert wird, zu einer artgerechteren Tierhaltung und Milchproduktion zurückzukehren. Das bedeutet: ganzjähriger Auslauf ins Freie für alle Tierarten, Verzicht auf Amputationen sowie grausame Züchtungs- und Vermehrungsmethoden, Verzicht auf Kasten-, Käfig- und Anbindehaltung von Kälbern, Bullen, Schweinen, Hühnern und anderen Tieren.
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Die Familienpartei will, dass die intensive Landwirtschaft weniger und die nachhaltige Landwirtschaft mehr gefördert wird. Massentierhaltung soll eingedämmt werden. Eine Umweltschutzbehörde soll ein zu schaffendes Grundrecht auf sauberes Wasser durchsetzen. Essenziell für den Umweltschutz und die Bekämpfung des Klimawandels ist für die Familienpartei eine gemeinsame Energiepolitik, zu der der Atom- und der Kohleausstieg zwingend notwendig sind. 
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Kurzstreckenflüge sollen nach Meinung der Partei erlaubt bleiben. „Aber nur für Vögel und Insekten.“ Innovationen sollen mehr Umweltschutz herbeiführen, Deutschland soll dabei eine Vorbildrolle einnehmen.
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Die Piraten fordern von der EU, endlich die ehrgeizigen Umweltversprechen in den Bereichen biologische Vielfalt in Agrarökosystemen und Treibhausgasemissionen der Landwirtschaft einzulösen. Patente auf Leben lehnt die Partei ab. Die Umweltauswirkungen der Wirtschaft sollen auf null reduziert und dies EU-weit überwacht werden, um Greenwashing zu verhindern.
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Die Landwirtschaft will Volt ökologisch und nachhaltig umgestalten, es soll eine soziale Agrarreform und die Stärkung der Marktposition kleiner und mittlerer Betriebe geben. In Sachen Umwelt tritt Volt für die Wiederherstellung von Ökosystemen ein und fordert die Abschaffung klimaschädlicher Subventionen.
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Laut Partei für schulmedizinische Verjüngungsforschung ist bei der Überbevölkerung nicht der Platz das Problem, sondern die Umweltverschmutzung und der Umgang mit Ressourcen. Neue Technologien in der Nahrungsmittelproduktion, Stromerzeugung und anderen Bereichen sollen die Tragfähigkeit der Erde aber in absehbarer Zukunft deutlich erhöhen. Als Beispiele werden erneuerbare Energien, Entsalzungsanlagen, Fleisch aus dem Labor, vertikale Landwirtschaft, Algenfarmen, 3D-Druck, Kernfusion und synthetische Kraftstoffe genannt.
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In der Agrarpolitik spricht sich DAVA für eine „Balance zwischen ökologischer, sozialer und ökonomischer Nachhaltigkeit“ aus. Klimaschutz soll durch innovative Technologien erreicht werden, zudem fordert man eine Optimierung der Ressourcennutzung.

Gesundheit/Soziales/Arbeit:

Die ÖDP fordert ein Verbot von Werbung für Alkohol, Tabak und andere Suchtmittel sowie für alle gesundheitsgefährdenden Nahrungsmittel. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf soll sich durch familienfreundliche und familiengerechte Leitlinien verbessern. Zudem will die ÖDP eine gesetzliche Garantie existenzsichernder Löhne für alle Arbeitskräfte in der EU. 
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Die Tierschutzpartei will Tierversuche beenden und der Naturheilkunde mehr Raum geben. Es soll eine Krankenversicherung für alle eingeführt werden, die Beiträge sollen nach Einkommen gestaffelt sein. Steuern auf Alkohol und Nikotin sollen deutlich erhöht und Steuern auf Produkte mit hohen Anteilen von ungesunden Fetten und Zucker eingeführt werden. Fleischlose Ernährung wird befürwortet, auch für Babys.
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Die Familienpartei fordert die Einführung einer europäischen Familien- und Sozialpolitik. Auch in Deutschland sollen Familien mehr Geld bekommen: 4 Prozent aller Bruttoeinnahmen sollen in eine Familienkasse wandern. Daraus will die Partei ein erhöhtes Kindergeld, ein sozialversicherungspflichtiges Erziehungsgehalt für alle Eltern – um Erziehungsarbeit und berufliche Arbeit gleichzustellen – und eine höhere Rente für Eltern finanzieren.
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Die Partei kritisiert das intransparente Kostensystem im Gesundheitsbereich sowie Preiskartelle zwischen Ärzten und Krankenkassen und fordert eine nachhaltige Reform des Gesundheitssystems an, das allen Menschen gleichen Zugang gewährt.
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Die Piraten fordern eine verpflichtende Krankenversicherung und einen gleichberechtigten Zugang zur Gesundheitsversorgung für alle Menschen in der EU. Um die Rentenversorgung zu verbessern, soll zusätzlich ein europäischer Rentenfonds eingerichtet werden. Der Umzug von Berufstätigen in ein anders EU-Land gehöre verbessert und die Überwachung im Homeoffice verboten.
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Volt schlägt die Harmonisierung der europäischen Präventions- und Gesundheitssysteme und den gesicherten Zugang aller Bürger*innen zu Spitzenmedizin vor. Es soll europaweit gültige Arbeitsschutzstandards und die Anerkennung von Berufsqualifikationen geben. Volt will zudem eine europäische Sozialunion und ein regional angepasstes europäisches Grundeinkommen.
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Verjüngungstherapien könnten laut Partei für schulmedizinische Verjüngungsforschung die Gesundheitsausgaben stark verringern. Durch die Entlastung der Gesundheitssysteme könnte die Gesundheitsversorgung insgesamt besser werden. Die lebensverlängernden Maßnahmen sorgten dafür, dass Menschen sich in vielen Bereichen bilden, neue Ideen in die Gesellschaft einbringen, mehr Zeit mit Familie und Freunden verbringen und auch ihre Urururenkel kennenlernen könnten. Dies habe positive Auswirkungen auf die Rentenpolitik. So könnten Menschen länger arbeiten und entsprechend die Sozialsysteme entlasten.
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Dem Fachkräftemangel im Gesundheitswesen will DAVA durch mehr Ausbildung begegnen. Im Sozialen steht die Bekämpfung von Kinder- und Altersarmut im Mittelpunkt. Unter anderem fordert man eine europäische Harmonisierung der Rentensysteme und ein europaweit einheitliches Renteneintrittsalter. (David Lohmann, Thorsten Stark, Waltraud Taschner, Jürgen Umlauft)

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