Politik

Die Solidarität mit den Geflüchteten ist groß – das zeigt sich auch bei Kundgebungen. Dennoch: Es gibt noch viele logistische Probleme. (Foto: dpa/Karl-Josef Hildenbrand)

20.05.2022

Fremde Heimat

Ukrainische Kriegsflüchtlinge in Bayern

Der russische Angriffskrieg in der Ukraine will nicht enden. Deutschland hat nach mittlerweile 85 Kriegstagen knapp eine Million ukrainische Flüchtlinge aufgenommen – Bayern davon rund 18 Prozent. Während es zu Beginn vor allem darum ging, den Menschen kurzfristig zu helfen, bereiten sich die Behörden jetzt auf einen längerfristigen Aufenthalt vor. Das stellt die Staatsregierung, die Kommunen, aber auch das ukrainische Generalkonsulat vor große Herausforderungen.

Viele Ukrainer*innen sind ohne Pass nach Deutschland geflüchtet. Dieses Dokument braucht man aber in der Regel, um Sozialleistungen beantragen oder ein Bankkonto eröffnen zu können. Entsprechend überlastet ist das Generalkonsulat in München. Trotz Überstunden und Wochenendarbeit. „Wir bräuchten drei Jahre, um alle Menschen mit einem Pass auszustatten“, klagt Konsul Dmytro Shevchenko. Hinzu kämen unzählige Anfragen für administrative Dienstleistungen. Er fordert daher weniger Bürokratie von den Behörden und eine Beratungsstelle auf Landesebene – inklusive einer Wohnungsdatenbank.

Denn ein weiteres Problem ist die langfristige Unterbringung der geflüchteten Menschen. Bisher sind laut Staatsregierung über 42 000 in staatlichen Unterkünften, die anderen bei Bekannten, Verwandten oder Gastfamilien untergebracht. Ab 1. Juni gelten geflüchtete Menschen aus der Ukraine allerdings als anerkannte Asylbewerber. Dadurch erhalten sie zwar Grundsicherung und können einfacher eine Arbeit aufnehmen. Im Gegenzug müssen sie aber aus den Asylunterkünften ausziehen – und wären damit obdachlos. Ein wenig Zeit bleibt den Kommunen noch, da die Verwaltungen mit der Ausstellung von Aufenthaltstiteln nicht hinterherkommen.

Einen Pass beantragen? Dauert aktuell drei Jahre

„Gerade in Regionen mit Wohnraumknappheit werden nicht alle sofort eine Wohnung finden“, kritisiert eine Sprecherin von Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) die Entscheidung der Ampel-Bundesregierung. Wie dies trotzdem gelingen kann, werde gerade mit den Kommunalen Spitzenverbänden diskutiert. In Erlangen habe die Immobilien Freistaat Bayern bereits die Erlaubnis erteilt, Kriegsflüchtlinge im sogenannten Himbeerpalast unterzubringen. Auch in München können sie jetzt übergangsweise auch in Büros, Praxen und kleineren Gewerbeobjekten untergebracht werden – nur Keller und Lagerräume sind tabu.

Das bayerische Bauministerium unter Leitung von Christian Bernreiter (CSU) unterstützt mit der Initiative „Leerstand nutzen – Lebensraum schaffen“ zusätzlich Gemeinden mit Fördersätzen von bis zu 90 Prozent dabei, wenn sie leer stehende Gebäude sanieren, um dort ukrainische Kriegsflüchtlinge oder anerkannte Flüchtlinge unterzubringen. Damit keine Konkurrenz zu hier lebenden Menschen mit geringem Einkommen entsteht, soll eine Unterbringung in Sozialwohnungen laut Bauministerium vermieden werden.

Bürokratie an Schulen beklagt der Bayerische Philologenverband (BPV). Obwohl dringend Lehrkräfte für die über 22.000 Kinder und Jugendlichen aus der Ukraine an bayerischen Schulen gesucht werden, steht laut einer BPV-Umfrage unter ukrainischen Lehrkräften nur ein Viertel von ihnen in Kontakt mit einer Schule. Dabei sprechen 84 Prozent von ihnen neben Ukrainisch und Russisch auch Englisch oder Deutsch. Probleme bereiten unter anderem die Anerkennung von Zeugnissen und Qualifikationen aus ihrem Heimatland. Das Kultusministerium verweist auf inzwischen rund 1000 pädagogische Willkommensgruppen und rund 3000 Lehr- und Willkommenskräfte an allen Schularten.

Um die Integration der geflüchteten Menschen zu beschleunigen, investiert die Staatsregierung dieses und nächstes Jahr rund 28 Millionen Euro in die Flüchtlingsberatung. Konkret sollen damit die Stellen in Wohlfahrtsverbänden und Kommunen auf 650 aufgestockt werden. Zusätzlich sollen Unterstützungskräfte auf Minijob-Basis bei der Erstorientierung helfen. Das loben selbst die Grünen im Landtag. „Das reicht aber nicht“, betont deren Abgeordnete Gülseren Demirel. Sie fordert zusätzlich mehr Investitionen in die psychosoziale Beratung und Betreuung.

Der bayerische Flüchtlingsrat begrüßt, dass die Staatsregierung die Kosten, die den Kommunen für die Unterbringung in den Asylunterkünften entstehen, zu 100 Prozent übernimmt, obwohl die Bundesregierung sie nur noch zu zwei Dritteln erstattet. Dies würde aber nur die Symptome und nicht das eigentliche Problem lösen. „Die Unterkünfte sind voll mit sogenannten Fehlbelegern, die zwar ausziehen müssten, aber mangels Wohnraumverfügbarkeit und Unterstützung nicht ausziehen können“, sagt Flüchtlingsrat-Sprecher Stephan Dünnwald. Das zu ändern, sei seit 2015 verschlafen worden.
(David Lohmann)

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