Politik

14.01.2021

Ist die Streichung der Faschingsferien eine sinnvolle Maßnahme?

Die Absage der Faschingsferien sorgt für viel Unmut in Bayern: zum Beispiel bei Joshua Grasmüller, Koordinator des Landesschülerrats. Kultusminister Michael Piazolo dagegen betont: Aus pädagoscher Sicht sei das die beste Lösung

JA

Michael Piazolo (Freie Wähler), bayerischer Kultusminister

Der bayerische Ministerrat hat sich am 6. Januar seine Entscheidung, anstelle der Faschingsferien eine Schulwoche anzusetzen, nicht leicht gemacht. Ich weiß, dass damit allen Beteiligten viel abverlangt wird, dennoch ist es – nach reiflicher Abwägung – aus pädagogischer Sicht wohl die beste und sinnvollste Lösung, die Faschingszeit als Lernzeit zu nutzen.

Coronabedingt mussten immer wieder unsere Schulklassen in den Wechselunterricht oder wie jetzt bis zum 31. Januar in den Distanzunterricht. Damit geht viel Präsenzunterricht verloren, der letztendlich durch nichts zu ersetzen ist – nicht einmal durch die beste Technik. Anfang Februar ist hoffentlich – je nach Infektionsgeschehen – eine schrittweise Wiederaufnahme des Präsenzunterrichts möglich. Vor diesem Hintergrund halte ich es nicht für zielführend, unsere Schülerinnen und Schüler nach zwei oder vielleicht sogar nur einer Woche Präsenz- oder Wechselunterricht wieder in die Ferien zu schicken. Wir müssen angesichts der Pandemie jede Zeit und Gelegenheit nutzen, um Bildungsgerechtigkeit sicherzustellen. Das heißt konkret: Wissenslücken schließen, Lern- und Wiederholungsangebote ausweiten und unsere Abschlussklassen fit für die Prüfungen machen.

Und wir dürfen auch nicht diejenigen Schülerinnen und Schüler vergessen, die auf einen besonderen und individuellen Förderbedarf angewiesen sind.

Ob für den Grundschüler oder für die Berufsschülerin – Bildungsgerechtigkeit und Chancengleichheit für jeden einzelnen Schüler in Bayern zu sichern, haben für mich derzeit höchste Priorität. Und genau dafür brauchen wir die Zeit in den Faschingsferien – im Idealfall im Präsenzunterricht.

Natürlich werden unsere Lehrkräfte bei der Unterrichtsgestaltung darauf achten, die Schülerinnen und Schüler nicht zu überfordern, sondern passgenau auf ihre Bedürfnisse eingehen und auch Lernpausen einlegen.

NEIN

Joshua Grasmüller, Koordinator des Landesschülerrats

Unser Schulsystem ist seit knapp zehn Monaten mit noch nie dagewesenen Aufgaben konfrontiert. Die Schülerinnen und Schüler sehen sich einer unnatürlich hohen Belastung ausgesetzt; hervorgerufen und begünstigt durch höheren Prüfungsdruck, mehr oder weniger gut funktionierenden Online-Unterricht sowie der Unsicherheit, unter welchen Bedingungen sie ihr Schuljahr abschließen können. Alles in allem eine explosive Mischung, die durch die „Notenjagd“ in den Präsenzphasen noch gefährlicher wird.

In seinem Schulleben sieht sich jede Schülerin und jeder Schüler häufiger mit Herausforderungen und Belastungen konfrontiert, sodass auch ohne Pandemie längere Stressperioden keine Seltenheit darstellen. Unter normalen Umständen sind diese jedoch durch Ferien unterbrochen: einerseits, um das Gelernte zu rekapitulieren, und andererseits, um wenigstens eine kurze Phase der dringend benötigten Erholung zu ermöglichen – nicht nur für die Lernenden. Fallen die Faschingsferien nun weg, so stellt dies Schülerinnen und Schüler vor neue, zusätzliche, aber eigentlich vermeidbare Herausforderungen, denen sie neben einer noch immer wütenden Pandemie begegnen müssen.

Oberflächlich betrachtet scheint es unnötig zu sein, zwei Wochen nach dem schrittweisen Wiederbeginn des Präsenzunterrichts schon wieder Ferien anzusetzen. Allerdings verkennt man dabei, wie fordernd die Kombination aus Online-Unterricht und eigenständiger Erarbeitung von Inhalten ist. Die bloße Streichung der Faschingsferien lässt vermuten, dass die Versäumnisse der letzten Wochen mit einer Hauruckaktion kaschiert werden sollen, ohne dass hierzu im Vorfeld mit den Betroffenen in der Schulfamilie gesprochen wurde.

Warum verschiebt man die Ferien nicht oder kürzt sie nur? Warum gibt es (noch) keine verbindliche Reduktion des Stoffes sowie der Leistungsnachweise? Nicht immer sind die Lösungen, die naheliegend und einfach umsetzbar scheinen, auch praxistauglich und gut.

Kommentare (5)

  1. Katismati am 23.01.2021
    Als Klassenlehrerin einer fünften Klasse bereite ich im Distanzunterricht das Material und die Meetings für meine Schüler mit viel Aufwand vor, damit alles selbsterklärend ist, möglichst wenig ausgedruckt werden muss und die Kinder allein zurechtkommen, ohne Hilfe der Eltern. Ich wäge ab, wieviel sie jeden Tag schaffen können, überlege, was wirklich wichtig ist und versuche, die Aufgaben abwechslungsreich und motivierend zu gestalten, damit alle bei der Stange bleiben. Dazu sitze ich den ganzen Vormittag an Laptop, Tablet und Telefon, spreche mit meiner Klasse, erkläre und frage nach. Am Nachmittag/Abend wird korrigiert und neuer Unterricht vorbereitet. Zusätzlich müssen meine Kollegen und ich uns mit neuen, digitalen Arbeitsmitteln und -methoden vertraut machen und verpflichtende online Fortbildungen besuchen. Was in der aktuellen Situation sinnvoll und notwendig ist, aber weit mehr Zeit in Anspruch nimmt als normaler Präsenzunterricht. Eigentlich arbeite ich Teilzeit und habe auch noch eine Familie und einen Haushalt, die versorgt werden wollen. Doch ich will meinen Job ja gut machen und meinen Schülern diese schwierige Zeit erleichtern, da muss anderes mal zurückstecken.
    Zum Dank für unseren Einsatz und um ausgefallenen Unterricht (was bitte ist ausgefallen?) nachzuholen, werden die Faschingsferien gestrichen und Lehrer und Schüler sollen elf Wochen am Stück durcharbeiten. Dabei lege ich mich in den Ferien nie auf die faule Haut, sondern habe einfach mal die Möglichkeit, Liegengeblienes aufzuarbeiten und kurz durchzuschnaufen, um Raum für neue Ideen zu schaffen.
    LEHRER, SCHÜLER UND ELTERN BRAUCHEN DIE FERIEN, UM DURCHHALTEN ZU KÖNNEN!
  2. Schlawiner99 am 21.01.2021
    In den Faschingsferien Förder-/Vertiefungsunterricht anbieten, Teilnahme auf freiwilliger Basis, kein neuer Stoff!
  3. sparky am 18.01.2021
    Homeschooling eine Herausforderung.

    Bis heute haben manche Lehrer die Technik nicht im Griff und für die die es haben, ist es gleichermaßen anstrengend für Schüler und Lehrer.
    Wenn sich wirklich ihr Kind langweilt, scheint es nicht zwei oder ein Jahr vor dem Abi zu stehen.

    Und ich finde auch eine Pause hätte gut getan ( ist nicht so, das man in den Ferien nichts lernt)

    Überhaupt finde ich diese Ansagen (ohne Absprachen) sehr befremdet d und wenn man etwas auf längere Sicht wissen möchte, vom Kultusministerium in Bayern keine Antwort.
    Meist: das wissen wir nicht.
    Zum Beispiel geht freiwilliges wiederholen?
    Wir haben bald Februar. Probezeit würde verschoben bis März.
    Nettes Bonbon nur unter diesen Unterrichtsbedingungen sollte das Jahr wiederholt werden.

    Sehr geehrter Herr Dr. Markus Söder und Herr Piazolo, ich bin auch der Meinung außergewöhnliche Zeiten erfordern außergewöhnliche Maßnahmen, deshalb fordert ich sie auf neben Kinder selbst eine Woche am homeschooling teilzunehmen und zwar in allen Schularten und dann mündlich abgefragt zu werden und eine Rückmeldung zu bekommen.
    Bitte raus aus der Theorie und rein in die Praxis.

    Ich werde übrigens 50 und bin weder Lehrer noch Schülerin, da ich es jedoch in der eignen Familie mitbekomme, zeige ich Solidarität für pro Faschingsferien
  4. Mieter am 18.01.2021
    Es ist wirklich beruhigend, mitgeteilt zu bekommen, dass sich die Bekannten eines 14jährigen Sohnes zu Tode langweilen. Die lungern wahrscheinlich den ganzen Tag und die halbe Nacht bei dem armen Kerl rum und halten ihn vom Lernen ab. Anders kann man ja nicht zu einer solchen Erkenntnis kommen.
    Für alle anderen, die diesen 14jährigen Sohn nicht kennen, muss man annehmen, dass Homeschooling und Distanzunterricht trotzdem Schule ist. Da muss man pauken und sein Gehirnschmalz einsetzen. Das ist schon in normalen Zeiten anstrengend und wenn das Ganze auch noch ohne Schule stattfinden muss, ist es doppelt oder dreifach anstrengend. Daher brauchen die Kinder die Pausen - und die Ferien. Un sich zu erholen und zu neuen Anstrengungen fähig zu sein. Das wissen Eltern, das wissen Schüler und das wissen Lehrer. Nur der bayerische Ministerpräsident weiß das nicht. Ihm gabs der Herr wohl im Schlaf - ach nein, er hatte ja Schule.
  5. Mel am 15.01.2021
    Ich denke nicht, das so großer Stress auf den Schülern liegt. Der größte Teil aus dem Bekanntenkreis meines 14 -jährigen Sohnes langweilt sich zu Tode. Die paar Stunden vor dem Rechner sind doch bitte nicht mit Schule zu vergleichen! Und mal eine wirklich ernsthafte Frage. . . Wie sollen Familien, die ihren Jahresurlaub, oder in schlimmeren Fällen auch teilweise schon Urlaub von 2021, nehmen mussten um ihre Kinder zu unterrichten denn dieses Jahr bewältigen? Es hat niemand gefragt ob man als berufstätige Mutter mit Vollzeitstelle, Haushalt und dem neuen Nebenjob als Lehrerin einverstanden ist. Nein! Man macht es einfach, auch wenn das bedeutet, dass man 16 Stunden täglich auf den Beinen ist. Man macht es einfach, weil das von heute auf morgen von einem erwartet wurde. Man macht es einfach, weil man seinen Kindern helfen muss. Man nimmt Urlaub, wenn Engpässe in der Betreuung der Kinder entstehen bis man keinen mehr hat. Man nimmt unbezahlten Urlaub um Kinder betreuen zu können, was wiederum zu finanzielle Problemen führt, weil Geld fehlt. Also kann ich aus meiner Sicht nicht nachvollziehen wie man auf den Gedanken kommen kann es wäre falsch die Ferien zu streichen. Für viele Familien bedeutet das eine ganze Woche mehr Urlaub übrig zu haben, oder kein Geld zu verlieren, weil man noch eine Woche unbezahlten Urlaub nehmen muss.
Die Frage der Woche

Ist das geplante Demokratiefördergesetz sinnvoll?

Unser Pro und Contra jede Woche neu
Diskutieren Sie mit!

Die Frage der Woche – Archiv
Vergabeplattform
Vergabeplattform

Staatsanzeiger eServices
die Vergabeplattform für öffentliche
Ausschreibungen und Aufträge Ausschreiber Bewerber

Jahresbeilage 2023

Nächster Erscheinungstermin:
29. November 2024

Weitere Infos unter Tel. 089 / 29 01 42 54 /56
oder
per Mail an anzeigen@bsz.de

Download der aktuellen Ausgabe vom 24.11.2023 (PDF, 19 MB)

E-Paper
Unser Bayern

Die kunst- und kulturhistorische Beilage der Bayerischen Staatszeitung

Abo Anmeldung

Passwort vergessen?

Geben Sie Ihren Benutzernamen oder Ihre E-Mail ein um Ihr Passwort zurückzusetzen. Bei Fragen wenden Sie sich bitte an: vertrieb(at)bsz.de

Zurück zum Anmeldeformular 

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.

Abo Anmeldung

Passwort vergessen?

Geben Sie Ihren Benutzernamen oder Ihre E-Mail ein um Ihr Passwort zurückzusetzen. Bei Fragen wenden Sie sich bitte an: vertrieb(at)bsz.de

Zurück zum Anmeldeformular 

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.