Politik

Von den neun Spitzenpolitikern, die in Bayern seit 1980 zurückgetreten sind, schafften es nur zwei zurück nach ganz oben: Otto Wiesheu und Barbara Stamm. Peter Gauweiler wurde zwar nie mehr Regierungsmitglied, aber zumindest Parteivize – wenngleich nicht für lange. Wie es mit Christine Haderthauerweitergeht, ist offen. Klar ist: Sie wünscht sich ein Comeback. (Fotos: dpa)

29.04.2016

Kampf ums Happy End

Rücktritt, und dann? Die Causa Haderthauer lenkt den Blick auf die Frage, wann gestürzte Politiker eine zweite Chance erhalten

Politische Affären und Rücktritte gibt es immer wieder. Dabei schaffen es die wenigsten Spitzenpolitiker nach ihrem Fall zurück in einstige Höhen. Jetzt hat Christine Haderthauer erklärt, sie wünsche sich eine zweite Chance. Anlass für eine Rückschau auf die Comebacks bayerischer Spitzenpolitiker mit Affären-Vergangenheit. Neun Spitzenpolitiker sind in Bayern seit 1990 wegen einer politischen Affäre zurückgetreten: Otto Wiesheu (1983, Generalsekretär), Gerold Tandler (1990, Finanzminister), der 1998 verstorbene Max Streibl (1993, Ministerpräsident), Peter Gauweiler (1994, Umweltminister), Alfred Sauter (1999, Justizminister), Barbara Stamm (2001, Sozialministerin), Monika Hohlmeier (2005, Kultusministerin), Georg Schmid (2013, CSU-Fraktionschef) und Christine Hader-thauer (2014, Staatskanzleichefin). Ins Bodenlose gefallen ist neben Max Streibl – ihn brachte die Amigoaffäre zu Fall – nur einer: Georg Schmid, der über die Verwandtenaffäre im Landtag stürzte, nicht mehr kandidierte und 2015 zu einer Bewährungsstrafe verurteilt wurde. Die anderen schafften es zumindest wieder ins Parlament. Tandler, zurückgetreten nach der Steueraffäre Zwick, wechselte 1991 in die Wirtschaft.
Ein Comeback in einstige Höhen gelang nur zweien der neun: Einer von ihnen ist Otto Wiesheu (71). Er hatte 1983 unter Alkoholeinfluss einen Verkehrsunfall mit Todesfolge verursacht. Er trat zurück, verließ den Landtag. 1990 kehrte Wiesheu, den schon Franz Josef Strauß geschätzt hatte, ins Parlament zurück, wurde Kultusstaatssekretär und 1993 Wirtschaftsminister – er blieb bis 2005.

Ein CSU-Mann  machte sogar erst Karriere, nachdem er über eine Affäre gestolpert war

Ein erfolgreiches Comeback feierte auch Barbara Stamm (71). Die einstige Sozialministerin trat 2001 zurück. Ihr waren Versäumnisse in der BSE-Rinderwahnkrise und beim Schweinemast-Skandal vorgeworfen worden. Zwei Jahre später wurde die beliebte Stamm Landtagsvizepräsidentin, 2008 Präsidentin. Peter Gauweiler (66) schaffte es zwar nie mehr zurück in die Regierung, avancierte aber 2013 immerhin zum Vizeparteivorsitzenden. Allerdings ging das nicht lange gut. Weil Gauweiler auch als Seehofer-Stellvertreter streitbar sein wollte und dabei gelegentlich mit Seehofer selbst zusammenstieß, trat er 2015 als Vize und als Bundestagsabgeordneter zurück. Gauweiler hatte sein Ministeramt 1994 wegen des Vorwurfs zurückgegeben, er habe seine Anwaltskanzlei unrechtmäßig verpachtet. Dem vergangenes Jahr verstorbenen Oberpfälzer CSU-Abgeordneten Markus Sackmann wiederum war es sogar gelungen, nach einer zehn Jahre zurückliegenden Affäre um die vorschriftswidrige Nutzung von Diensttelefonen überhaupt erst Regierungskarriere zu machen: Er avancierte im Jahr 1997 zum Wirtschaftsstaatssekretär. Dass der damalige Fraktionschef Alois Glück große Stücke auf ihn hielt, dürfte dabei nicht geschadet haben.

Politologin Münch: Wichtig ist, welchen Rückhalt der Betreffende vor dem jeweiligen Vorfall hatte

Ob ein gestürzter Politiker eine zweite Chance erhält, sagt die Politikwissenschaftlerin Ursula Münch, Direktorin der Akademie für Politische Bildung, „hängt sicherlich von der Größe des Vergehens ab“. Mit am stärksten aber davon, „welchen Rückhalt der Betreffende vor dem jeweiligen Vorfall hatte“. Und, so Münch: „Es kommt darauf an, ob man jemanden braucht – so viele politische Talente gibt es ja nicht.“ Jetzt hofft also Christine Haderthauer (53) auf ein Comeback – zunächst mal als Landtagsabgeordnete. Sie war im Jahr 2014 über die Modellbau-Affäre gestürzt: Im Zentrum steht dabei das 1990 von ihr mitgegründete Unternehmen Sapor Modelltechnik, das von psychisch kranken Straftätern in forensischen Kliniken hergestellte Luxus-Modellautos vermarktete. Die Vorwürfe gegen sie und ihren Mann, den Landgerichtsarzt Hubert Haderthauer, drehen sich um moralische, dienst- und steuerrechtliche sowie strafrechtliche Fragen. Christine Haderthauer akzeptierte bereits einen Strafbefehl wegen eines Steuerdelikts. Noch immer läuft im Landtag ein Untersuchungsausschuss zur Modellbauaffäre. Vergangene Woche hat die Ingolstädterin erklärt, sie wünsche sich, „dass man mir die Chance gibt, mit der zweiten Luft durchzustarten“. Um wieder zu kandidieren, benötigt Haderthauer zunächst das Plazet ihrer Partei. Gemessen an Münchs Kriterien sind ihre Chancen offen: Zwar hält sich Haderthauers Beliebtheit CSU-intern in Grenzen. Andererseits gilt sie als politisches Talent. Münch betont, Haderthauer könne eine zweite Chance nicht einfach einfordern. „Eine gewisse Demut muss man zu erkennen geben.“ In dieser Disziplin allerdings hat Haderthauer bislang kaum Punkte gesammelt. Ob die ehrgeizige Ex-Ministerin im Fall einer erfolgreichen Landtagskandidatur erneut ein Spitzenamt erringen kann, steht in den Sternen. Helfen könnte der chronische Männerüberhang in ihrer Partei. „Es gibt in der CSU“, bestätigt Politologin Münch, „zu wenig Frauen, die nach außen wahrgenommen werden.“ (Waltraud Taschner)

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