Der Norddeutsche Rundfunk (NDR) hat sich von der Journalistin Julia Ruhs getrennt und damit eine öffentliche Debatte ausgelöst. Ruhs wird das Format "Klar" künftig nur noch beim Bayerischen Rundfunk (BR) moderieren, beim NDR hingegen nicht mehr. Welche Themen die Sendung behandelt und warum das Format so polarisiert.
Worum geht es in der Sendung?
Nach Angaben von NDR und BR soll "Klar" Streitfragen aufgreifen, die in der Mitte der Gesellschaft kontrovers diskutiert werden, und verschiedene Perspektiven darauf zeigen. Die drei Pilotfolgen liefen im April, Juni und Juli in Kooperation von NDR und BR. Die Sendung wurde beim klassischen Fernsehen im NDR und auf Tagesschau24 ausgestrahlt, steht in der ARD-Mediathek und kann bei YouTube gestreamt werden. Für 2026 sind weitere Ausgaben geplant, die unregelmäßig veröffentlicht werden sollen.
Bei YouTube erreichte die erste Sendung über die Asylpolitik in Deutschland seit April mehr als 550.000 Aufrufe, dazu kamen über 130.000 Klicks in der ARD-Mediathek. Bei der zweiten Sendung über Probleme in der Landwirtschaft waren es seit Juni mehr als 250.000 Youtube-Abrufe und gut 30.000 Mediatheken-Klicks. Die dritte Sendung über die gesellschaftlichen Folgen der Corona-Krise kam seit Ende Juli auf knapp 50.000 Youtube-Aufrufe und etwa 14.500 Mediatheken-Klicks. Das Echo unter Nutzern war groß. Allein unter dem Beitrag zum Thema Migration stehen bei Youtube mehr als 10.000 Kommentare.
Was gab es für Kritik an dem Format?
Die Sendung sorgte in der Vergangenheit mehrfach für Unmut. So äußerte sich etwa NDR-Journalistin Anja Reschke in ihrer eigenen Sendung öffentlich zu einzelnen Inhalten. Besonders die Auftaktsendung zur Migration sorgte für Aufsehen - Ruhs hatte dort unter anderem über Gewalt im Zusammenhang mit Einwanderung berichtet. In dem Zusammenhang sprach ZDF-Moderator Jan Böhmermann von "rechtspopulistischem Quatsch", ohne sich auf eine konkrete Aussage zu beziehen.
Gleichzeitig hat "Klar" nach Angaben von NDR und BR hohe Akzeptanzwerte. In einer repräsentativen Online-Studie im Auftrag des NDR hätten 63 Prozent der Befragten der Sendung die Schulnoten 1 oder 2 gegeben. Das Format bediene den Wunsch nach Meinungsvielfalt sowie klarer Haltung.
Wer ist Julia Ruhs?
Die 1994 geborene Journalistin beim Bayerischen Rundfunk hat auch eine Kolumne bei "Focus Online". Sie wird oft als neue konservative Stimme beschrieben. Kürzlich veröffentlichte Ruhs ein Buch mit dem Titel "Links-grüne Meinungsmacht. Die Spaltung unseres Landes".
Auf die Entscheidung des NDR reagierte sie mit deutlicher Kritik. "Mein "Klar"-Team und ich persönlich haben unglaublich viel Zuspruch für unser Format bekommen, von Menschen, die eigentlich schon das Vertrauen in den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und die dortige Meinungsvielfalt verloren haben", sagte sie der Deutschen Presse-Agentur. "Wir haben also das geschafft, wovon die Sender immer träumen - eine verlorene Zielgruppe zurückzugewinnen."
Wie reagiert die Politik?
Rückendeckung bekam Ruhs aus Teilen der Politik. Unionsfraktionschef Jens Spahn etwa kritisierte die Entscheidung des NDR als "sehr problematisch". Auf der Plattform X schrieb er, dass Meinungsvielfalt eines der Hauptaufgaben des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sei.
Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) sprach von einem "extrem schlechten Signal". Bayerns Regierungschef Markus Söder (CSU) schrieb auf der Plattform X: "Das ist kein gutes Signal für die Meinungsfreiheit, Pluralität und Toleranz im öffentlich-rechtlichen NDR." Konservative Stimmen gehörten zum demokratischen Meinungsspektrum, "auch wenn das einigen Linken nicht gefällt".
Wie geht es mit dem Format weiter?
Wer die Ausgaben des NDR künftig präsentieren soll, steht noch nicht fest. Ruhs bleibt dagegen Teil des Moderationsteams für die Folgen, die der Bayerische Rundfunk (BR) produziert. Das teilten NDR und BR gemeinsam mit.
Der NDR nannte zunächst keine Begründung für seine Entscheidung. Auf Anfrage hieß es am Donnerstag lediglich: "Dem NDR ist Perspektivenvielfalt im Programm wichtig. Deswegen hat der Sender das Format "Klar" entwickelt und gemeinsam mit dem Bayerischen Rundfunk ins Leben gerufen". NDR und BR wollen demnach das Format im kommenden Jahr fortführen und mit höherer Folgenzahl ausbauen - mit mehreren Moderatoren und damit mehreren Perspektiven.
Wie steht es um den ÖRR?
Es ist nicht die erste umstrittene Personalentscheidung in den Sendern der ARD. Der Journalist und Autor Thilo Mischke hätte eigentlich zum Februar dieses Jahres neuer Co-Moderator von "ttt" werden sollen. Dann kamen Vorwürfe unter anderem des Sexismus auf, die sich auf die Vergangenheit bezogen.
Es ging dabei vor allem um Mischkes Roman "In 80 Frauen um die Welt" aus dem Jahr 2010. Nachdem die ARD Anfang des Jahres zunächst an ihm festgehalten hatte, machte sie, als die Kritik immer lauter wurde, einen Rückzieher. Mischke hatte im Anschluss scharfe Kritik an der ARD geäußert. (dpa)
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