Deutschlands Landrät*innen fühlen sich von der wachsenden Migration überfordert und üben massive Kritik an Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD). Zu den Wortführern zählt Starnbergs Landrat Stefan Frey (CSU).
BSZ: Herr Frey, die Landrät*innen in Deutschland sind sauer auf Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD), weil sie sich in der aktuellen Flüchtlingssituation überfordert sehen. Was wollen Sie genau?
Stefan Frey: Die Kommunen müssen finanziell entlastet werden, da sind sich alle Landräte in Deutschland einig. Allein die Unterkunftskosten für die Leute aus der Ukraine umfassen in unserem Kreishaushalt inzwischen Millionenbeträge. Das ist auf Dauer nicht zu schultern.
BSZ: Was werfen Sie der Bundesinnenministerin konkret vor?
Frey: Sie müsste besser hinschauen, was in Deutschland passiert. Sie müsste sich darum kümmern, dass die geflüchteten Menschen besser verteilt werden, vor allem EU-weit. Da gibt es Länder, die bei Weitem nicht die Quoten erfüllen, die wir erfüllen. Sie müsste besser steuern und schauen, wie aufnahmefähig wir weiterhin sind. Und da müsste ein Mechanismus gefunden werden, der Deutschland entlastet. Stattdessen lässt die Bundesregierung das Thema einfach laufen. Und wir brauchen zusätzliche Liegenschaften des Bundes.
BSZ: Die gibt man Ihnen nicht?
Frey: Bei uns im Landkreis haben wir zwei Kasernen der Bundeswehr. Die sind zwar größtenteils mit Militärpersonal belegt, es gibt aber auch große Freiflächen, die wir für die Aufstellung von Containern nutzen könnten. Dafür haben wir angefragt, aber bislang keine Antwort erhalten. Die Bundesregierung redet viel von Unterstützung. Aber vor Ort kommt sehr wenig an.
BSZ: Die Vorwürfe aktuell bekommt die Ampel ab. Aber liegen die Wurzeln der desolaten Situation nicht in der Asylpolitik der früheren Kanzlerin Angela Merkel (CDU)?
Frey Das kann ich nicht beurteilen. Ich sehe, was aktuell passiert, dafür müssen wir eine Lösung finden und alle an einem Strang ziehen.
BSZ: Müssen Sie bei sich im Kreis Starnberg schon Turnhallen zweckentfremden?
Frey: Genau das will ich ja vermeiden – auch um den sozialen Frieden bei uns im Landkreis zu wahren. Andere Kreise belegen bereits wieder Turnhallen. Für mich ist das auch keine Art, wie man Menschen unterbringt. Und ich kenne die Diskussionen mit den Eltern der Schulkinder und mit den Vereinen. Seit 2020 gab es wegen Corona immer wieder keinen Sportunterricht. Und jetzt soll das Training schon wieder ausfallen?! Noch kann ich auf Liegenschaften der Gemeinden zurückgreifen, das ist aber endlich.
BSZ: Sie haben kürzlich gesagt, die Bundesinnenministerin könne bei Ihnen im Landratsamt gern ein Praktikum absolvieren: Was müsste sie denn lernen?
Frey: Sie sollte wirklich mal unseren Beschäftigten über die Schulter schauen, was die den ganzen Tag machen, welcher Aufwand damit verbunden ist. Wir beschäftigen inzwischen in dem Bereich Ausländer und Unterbringung mehr als 45 Fachkräfte. Und bei der Unterbringung machen wir aktuell nichts anderes als Unterkünfte anmieten, dann wieder ausräumen, herrichten beziehungsweise sanieren. Grundstücke für Container suchen, erschließen, dann aufbauen. Obdach suchen für Geflüchtete aus der Ukraine, weil die Mietverhältnisse immer nur befristet sind. Für einige in Berlin, die da am Grünen Tisch Entscheidungen treffen, wäre es wirklich nötig, dass ihnen mal die Augen aufgehen. Da wird viel zu viel theoretisch diskutiert ohne Kenntnis der Praxis.
BSZ: Kürzlich äußerte sich der CDU-Landrat des sächsischen Kreises Bautzen, dass es so nicht weitergehen könne und er nicht gewillt ist, weitere Leute aufzunehmen. Er wurde als Nazi tituliert und niemand sprang ihm zur Seite. Ist er zu weit gegangen?
Frey: Solche Stimmen haben wir auch hier in Oberbayern. Aber bei allen Problemen muss man stets auf die Wortwahl achten und wie man das Problem genau angeht. Ich setze eher auf eine pragmatische Handlungsweise statt auf eine Konfrontation mit dem Bund oder dem Land. Solche unangemessenen Formulierungen helfen in der Sache ja nicht weiter und damit möchte ich mich auch nicht gemein machen. (Interview: André Paul)
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