Politik

Der ehemalige Erzbischof von München und Freising, Kardinal Friedrich Wetter, feiert am Montag seinen 95. Geburtstag. (Foto: dpa/Andreas Gebert)

19.02.2023

Kind meiner Zeit" – Kardinal Wetter wird 95

25 Jahre lang war Kardinal Friedrich Wetter als Nachfolger von niemand geringerem als Joseph Ratzinger Erzbischof von München und Freising. Jetzt wird er 95 – und ein Schatten hat sich über sein Lebenswerk gelegt

Kardinal Friedrich Wetter war als Bischof ein Mann der eher leisen Töne. Ruhe und Beharrlichkeit waren sein Erfolgsrezept als er 1982 die Nachfolge von niemand geringerem als Joseph Ratzinger als Erzbischof von München und Freising antrat und das 25 Jahre lang blieb. Sein Wahlspruch: "Pax vobis. Der Friede sei mit euch."

"Man hat begriffen: Stille bedeutet nicht Schlaf, sondern Wachstum. Wenn's kracht, geht gewöhnlich etwas in Scherben", sagte Wetter, der am Montag (20. Februar) 95 Jahre wird, einmal. Und gekracht hat es inzwischen in seinem früheren Erzbistum. Vieles liegt dort in Scherben und ein Schatten legt sich über Wetters langes Lebenswerk.

Denn als die Münchner Anwaltskanzlei Westpfahl Spilker Wastl im vergangenen Jahr ihr schlagzeilenträchtiges Gutachten zu sexueller Gewalt und ihrer Vertuschung in der Erzdiözese vorstellte, da geriet auch Wetter in die Schusslinie.

In seine Amtszeit fällt die Versetzung eines wegen sexuellen Missbrauchs rechtskräftig verurteilten Priesters in eine andere Gemeinde in Garching an der Alz – wo der Mann dann erneut Jungen missbraucht haben soll.

Als einer der wenigen Entscheidungsträger in der katholischen Kirche übernahm Wetter, der vor seiner Zeit als Erzbischof Bischof in seinem Heimatbistum Speyer war, daraufhin ausdrücklich persönliche Verantwortung und entschuldigte sich für seine "falsche Entscheidung".

Der betreffende Pfarrer hätte nicht mehr in der Seelsorge eingesetzt werden dürfen, hieß es in einer Erklärung, die das Erzbistum kurz nach der Vorstellung des Gutachtens in Wetters Auftrag veröffentlichte. "Es tut mir von Herzen leid", sagte er demnach. "Hätte ich anders entschieden, hätte es zu diesen Missbräuchen nicht kommen können." Doch er fügte auch ein großes Aber an: In anderen Fällen bestritt er ihm vorgeworfenes Fehlverhalten allerdings vehement.

Die Ehrenbürgerwürde seiner pfälzischen Heimatstadt Landau, wo Wetter 1928 als Sohn eines Lokführers geboren wurde und mit zwei Schwestern aufwuchs, hat er inzwischen zurückgegeben. Er wolle nicht, "dass durch die Auseinandersetzungen um meine Person der Friede der Stadt gestört wird", wurde Wetter vor einem Jahr von der Kommune zitiert.

Das vom Erzbistum unter Wetters Nachfolger Kardinal Reinhard Marx in Auftrag gegebene Gutachten wirft Wetter Fehlverhalten in 21 Fällen vor. Wetter selbst kam in seiner Stellungnahme aber zu dem Schluss, die Fakten dieser 21 Fälle belegten "keinesfalls pauschal ein "Fehlverhalten in 21 Fällen"".

Spezieller Blick auf Bewertung der Fälle

In seiner Stellungnahme offenbarte er einen sehr speziellen Blick auf die Bewertung der Fälle: Erst nach dem Jahr 2010, seien ihm "die fatalen und zerstörerischen Folgen faktisch" erst wirklich bewusst geworden, die "durch Missbrauch Kindern und Jugendlichen zugefügt werden", sagte Wetter beispielsweise.

"Eine ernsthafte und eingehende Auseinandersetzung hatte es bis dahin bei mir nicht gegeben. Eine Folge davon war, dass ich mit den Tätern nicht mit der gebotenen Strenge umgegangen bin." Sein "Problembewusstsein" sei "nicht genügend ausgebildet" gewesen, räumte Wetter ein – und damit sei er damals nicht allein gewesen.

"Dass dies damals bei vielen in der Gesellschaft, nicht nur in der Kirche, so war, macht mein unangemessenes und objektiv falsches Verhalten von damals zwar für mich verständlicher, kann es aber nicht rechtfertigen." Er schob vieles auf die Umstände damals, sagte, er sei ein Kind seiner Zeit.

Schon seit Jahren fordern Kritiker, die katholische Kirche als "Täterorganisation" dürfe die Fälle in ihren eigenen Reihen nicht nur selbst aufarbeiten. Die religionspolitische Sprecherin der Grünen im bayerischen Landtag, Gabriele Triebel, etwa bekräftigte vor wenigen Wochen die Forderung nach einer unabhängigen staatlichen Ombudsstelle, an die Betroffene sich wenden können. (Britta Schultejans, dpa)

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