Politik

Der ehemalige Parteivorsitzende der CSU, Erwin Huber, ist nach wie vor gut informiert über das, was in der Politik vor sich geht. (Foto: dpa/Hoppe)

11.08.2023

„Klimapolitik ist in der Union noch unterentwickelt“

Der CSU-Ehrenvorsitzende Erwin Huber (76) über Kanzlerfragen, Konservatismus und Strategien im Umgang mit der AfD

Bei Erwin Huber klingelt nach wie vor täglich um 6.30 Uhr der Wecker. Er will ja nicht den Tag vertrödeln. Müßiggang ist nicht vorgesehen im Leben des Polit-Junkies, der nach seinem Ausscheiden aus dem Landtag im Jahr 2018 noch ein Philosophiestudium absolvierte. Ihm entgeht keine Nachricht, und im CSU-Universum ist er noch immer bestens vernetzt. Gute Voraussetzungen für ein Gespräch.

BSZ: Herr Huber, wie überrascht waren Sie von der Umfrage, die vergangene Woche ergab, dass Unionsanhänger*innen mehrheitlich Markus Söder als Kanzlerkandidaten wollen?
Erwin Huber: Ich war schon erstaunt, dass auch im übrigen Deutschland Markus Söder so hoch eingeschätzt wird. Allerdings steht die Frage derzeit nicht an. Es reicht, wenn man das Ende 2024 oder Anfang 2025 klärt.

BSZ: Der CDU-Vorsitzende Merz findet sich in der Umfrage auf Rang drei nach Hendrik Wüst. Ist Merz der richtige Kandidat?
Huber: Für Merz sind die Optionen offen, und er wird den ersten Zugriff haben als Vorsitzender der CDU.

BSZ: Das klingt nicht euphorisch. Woran liegt es, dass Merz in der Beliebtheit so zurückgefallen ist?
Huber: Ich glaube, das ist eine Momentaufnahme, die mit seinem ZDF-Sommerinterview und der AfD-Frage zusammenhängt.

BSZ: Das Kopfschütteln über Merz ist doch nicht neu. Bereits seine Aussage über die kleinen Paschas war kein Treffer. Und seit Längerem fragt man sich, was seine Strategie ist.
Huber: Grundsätzlich hat Merz der CDU eine klare Linie vorgegeben. Die ist marktwirtschaftlich, außenpolitisch auf Beständigkeit ausgerichtet. Ich finde, die CDU steht heute inhaltlich besser da als vor zwei Jahren.

BSZ: Mit Blick auf die drei Kandidaten Merz, Söder, Wüst, wo sehen Sie Stärken und Schwächen?
Huber: Merz ist Parteivorsitzender und kann bürgerliche Wähler mobilisieren. Söder wiederum hat eine klare Abgrenzung zur AfD vorgenommen, er hat erkannt, dass man mit einer technologieaffinen Politik die Wirtschaft mobilisieren muss, und er ist ein Garant für innere Sicherheit. Wüst ist der Ministerpräsident des bevölkerungsreichsten Bundeslandes, für ihn spricht, dass er eine Machtperspektive durch eine Koalition mit den Grünen hat. Er ist der Mann, der die Mitte am stärksten mobilisieren kann. Für die Union ist es doch gut, dass sie zwei Jahre vor der Wahl eine Auswahl hat zwischen drei veritablen Kandidaten.

BSZ: Über deren Schwächen haben Sie kein Wort verloren ...
Huber: (lacht) Da fallen mir keine ein.

BSZ: Sie haben als Wüst-Pluspunkt die schwarz-grüne Koalition in Nordrhein-Westfalen genannt. Ausgerechnet die inzwischen weithin verhassten Grünen sollen eine Machtperspektive sein?
Huber: Natürlich. Wer denn sonst?

BSZ: Hendrik Wüst gilt als Mann der Mitte, Friedrich Merz eher als klassischer Konservativer. Wie definieren Sie den Begriff konservativ?
Huber: Konservatismus ist keine geschlossene Theorie wie Sozialismus oder Liberalismus. Sondern eher eine Haltung, eine Wertorientierung. Da geht es um Dinge wie Stabilität oder Verlässlichkeit. Ich sehe Konservatismus als politische Methode, wie man neue Themen angeht, nämlich besonnen und überlegt.

BSZ: Hat die Union auf die zentralen und wahlentscheidenden Themen Antworten?
Huber: Wir müssen am Programm sicher noch arbeiten.

BSZ: Welche Bereiche halten Sie für zentral?
Huber: In erster Linie das Thema äußere und innere Sicherheit inklusive Migration. Ich persönlich halte das Klimathema für wichtig, das ist aber in der Union noch unterentwickelt, da sehe ich einen großen Nachholbedarf. Auch bei der mittelfristigen Wirtschaftspolitik muss man noch nachlegen – bei Energie, Digitalisierung und Dynamisierung der Wirtschaft.

BSZ: Zur Energie: Markus Söder hat eine Reaktivierung der Kernkraft ins Spiel gebracht. Ist das die richtige Antwort?
Huber: Ich bezweifle, dass man die jetzigen AKW nochmal in Betrieb nehmen kann, weil das technisch und politisch sehr problematisch ist. Ich stimme aber zu, dass die Erforschung der Kernfusion ein entscheidender Schritt sein kann.

BSZ: Zur AfD: Stimmen Sie Merz’ ursprünglicher Aussage zu, dass man auf kommunaler Ebene nicht um eine Zusammenarbeit mit der AfD herumkommt?
Huber: Es war ein Fehler, das so zu beantworten. Man hätte sagen können, die Frage stellt sich nicht, wir haben eine klare Beschlusslage dazu. So hätte ich geantwortet. Jede Form der Zusammenarbeit auf kommunaler Ebene, die man erläutern muss, ist ein Türöffner für Missverständnisse.

BSZ: Tatsächlich klaffen Theorie und Praxis aber auseinander. Denn es gibt ja Kooperationen mit der AfD in Kommunen.
Huber: Das bestreite ich. Ich sehe keine Kooperationen. Zusammenarbeit bedeutet Absprache von politischen Zielen. Wenn man mal einem AfD-Antrag zustimmt, ist das noch keine Kooperation. Grundsätzlich finde ich ohnehin: Wenn die AfD auf kommunaler Ebene einen Antrag stellt, sollte man dem mit einem eigenen Antrag begegnen. Als ich CSU-Generalsekretär war, habe ich gesagt: Jeder, der mit Republikanern zusammenarbeitet, fliegt aus der Partei.

BSZ: Der Unterschied ist, dass die Republikaner nie über 7 Prozent Zustimmung hinauskamen, die AfD aber bei über 20 Prozent liegt.
Huber: Trotzdem. Man muss ein Zeichen setzen. Ja, die Leute sind unzufrieden mit der Politik und wenden sich der AfD zu. Das ist ungefähr so, als ob Menschen bei Kopfschmerzen eigentlich Aspirín brauchen, aber nach Arsen greifen. Für mich ist die AfD Gift. Und die Leute müssen wissen, wenn sie ihre Stimme der AfD geben, dann wird diese Partei nicht politikfähig sein, weil die AfD keinerlei Partner hat.

BSZ: Mit Blick auf die Landtagswahl im Oktober: Die CSU steht mittelgut da, während AfD und auch Freie Wähler zugelegt haben. Ihr Parteifreund Peter Ramsauer hat kürzlich FW-Chef Aiwanger als neuen Franz Josef Strauß bezeichnet. Stimmen Sie zu?
Huber: Aiwanger mit Strauß zu vergleichen ist ungefähr so, als ob man Habeck und Cicero vergleicht. Es ist verwegen, beide in einem Atemzug zu nennen. Ich halte Hubert Aiwanger für einen gnadenlosen Populisten, aber nicht für einen Vernunftpolitiker – das ist es aber, was wir brauchen.
(Interview: Waltraud Taschner)
 

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