Politik

München-Schwabing: Hier wollen viele wohnen. Entsprechend hoch sind die Immobilienpreise. (Foto: Getty/Christian Ender)

16.07.2021

Knallharte Auflagen für Investments

In München wird die Wohnungsnot immer größer – und jetzt verschärft die Stadt auch noch die Vorgaben fürs Bauen

Ein Fall von vielen: Im Münchner Viertel Maxvorstadt will der Eigentümer eines Mietshauses die einzelnen Wohnungen in Eigentumswohnungen umwandeln. Wegen der sogenannten Erhaltungssatzung, die in München gilt, muss die Stadt zustimmen. Das hat sie getan. Innerhalb von sieben Jahren darf der Eigentümer die Wohnungen nur an die bisherigen Mieter*innen verkaufen. Doch was ist dann? Droht die Luxussanierung, wenn die dort Wohnenden ihr Vorkaufsrecht nicht ausgeübt haben? Auf jeden Fall wird es für sie teurer. So etwas geschieht im kostspieligen München ständig. Dabei fehlen dort für knapp 100 000 Menschen bezahlbare Bleiben.

Die Landeshauptstadt könnte selbst wesentlich mehr unternehmen, um den Wohnungsmangel zu lindern – Grundstücke im eigenen Besitz verkaufen, ihr Vorkaufsrecht für den Ankauf fremder Grundstücke nutzen und vor allem: selbst Wohnungen bauen.

Einfacher – und vor allem billiger – ist es für die Stadt, Private in die Verantwortung zu nehmen. Über das Instrument Sobon vor allem, die sozialgerechte Bodennutzung. Diese Regelung besagt, dass Investoren, die in München bauen wollen, 40 Prozent der geplanten Wohnungen zu preisgünstigen Mieten anbieten müssen.

Die Privaten sollen es richten

Jetzt soll die Sobon nach den Plänen der grün-roten Rathausmehrheit verschärft werden. So müssen künftig 60 Prozent geförderter oder preisgünstiger Wohnraum entstehen. Diese Bindung gilt dann 40 statt wie bisher 25 Jahre. Neu ist, dass 80 Prozent Mietwohnungen bleiben müssen. Auf diese Weise erreichen Investmentfirmen100 Punkte. Die brauchen sie, damit die Stadt überhaupt bereit ist, das Baurecht zu erteilen. Investmentfirmen können aber auch 50 Prozent Eigentumswohnungen bauen. Dafür müssen sie dann 50 Prozent der Fläche an die Stadt München zu einem vorher festgelegten Preis weit unter Marktwert verkaufen.

Die Bau- und Immobilienwirtschaft wird auch an anderer Stelle in die Pflicht genommen. Bisher mussten Bauträger 100 Euro pro Quadratmeter für soziale Infrastrukturkosten bezahlen. Jetzt werden es 175 Euro. Am 28. Juli wird der Stadtrat über die Sobon-Reform entscheiden.

Ob das alles tatsächlich etwas bringt? Der Geschäftsführer des Immobilienverbands IVD Süd, Stephan Kippes, ist skeptisch: „Die Bauträger werden jetzt sehr scharf überlegen, welches Projekt sie realisieren.“ Kippes moniert, dass die Stadt nur an einer Stellschraube gedreht hat, um das Wohnungsproblem zu lösen. Fakt ist: Wer Grundstücke nicht unbedingt verkaufen muss, tut das zu diesen Bedingungen eben nicht. Und wartet entspannt ab.

Tatsächlich stellt sich die Frage, warum die Landeshauptstadt nicht endlich wirksame Instrumente schafft, um Investitionen in den Wohnungsbau zu fördern, etwa indem sie den Werkswohnungsbau erleichtert oder das genossenschaftliche Wohnen stimuliert.

Und der Freistaat: lässt Häuser leer stehen

Doch auch der Freistaat ist gefragt, die Wohnungsnot in München zu lindern. Florian von Brunn, Vorsitzender der SPD-Landtagsfraktion, beklagt, dass Wohnungen in München, die dem Freistaat gehören, teils schon seit sieben Jahren leer stehen. Das Bauministerium erklärt, dass die jeweiligen Objekte in schlechtem Zustand seien. Beispielsweise von der Versorgung getrennt, nicht mehr beheizbar oder von Schimmel befallen. Weshalb die Objekte nicht saniert wurden, sagt das Ministerium nicht. Und ein weiterer Grund für die Nichtnutzung wird angeführt: Oftmals seien für diese Grundstücke die Erbbaurechte ausgelaufen. „Ich habe mein Haus beauftragt, ein Gesamtkonzept zu entwickeln, das nicht nur den Verkauf einzelner Grundstücke, sondern auch die Entwicklung der Grundstücke vorsieht“, sagt Bauministerin Kerstin Schreyer (CSU) der Staatszeitung. Dazu will der Freistaat mit der Stadt zusammenarbeiten.

Weil der Trend zu immer mehr Single-Haushalten geht und die Bevölkerung Münchens pro Jahr um 0,75 Prozent wächst, wären auch Anreize nötig, große Wohnungen aufzugeben. Denn warum muss eine Person eine Vierzimmerwohnung belegen? Das sind meist ältere Menschen, deren Kinder nicht mehr im Haushalt leben. Ihnen beim Umzug in eine kleinere Wohnung zu helfen, wäre ein probates Mittel, um Druck aus dem Kessel im Münchner Wohnungsmarkt zu nehmen. Auch hier ist die Stadt gefragt.

Aber nicht nur in München, sondern auch im Umland müsste mehr gebaut werden. Daneben können attraktivere Bahnverbindungen fürs Pendeln in die Landeshauptstadt helfen. Oder das Beibehalten von Homeoffice.
(Ralph Schweinfurth)

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