Die Ampel schafft jede Menge neue Jobs in den Kommunen – wenngleich keine, die Gewerbesteuern in die leeren Kassen spülen. Es handelt sich vielmehr um neue Stellen, die Kommunen schaffen müssen – Personal, das prüfen muss, wer die von der Ampel beschlossenen neuen Leistungen erhalten darf.
Seit 1. Januar 2023 haben zwei Millionen deutsche Haushalte mit kleinen Einkommen – vor allem Alleinerziehende und alleinstehende Senior*innen – sowie Kinderreiche Anspruch auf das neue Wohngeld Plus. Das sind mehr als dreimal so viele Haushalte wie bisher. Durchschnittlich wird das Wohngeld um 190 Euro erhöht, was mehr als einer Verdopplung entspricht. Bedingung ist aber, dass keine Grundsicherung und kein Bürgergeld bezogen wird.
Und hier beginnt die Problematik. Denn auch wenn das Wohngeld Plus vom Bund getragen wird: Für die Auszahlung beziehungsweise die komplexe Prüfung und Bewilligung der Anträge sind die kreisfreien Städte beziehungsweise die Landkreise zuständig. Und die stellt das Vorhaben vor große logistische Herausforderungen. In Nürnberg etwa hat sich die Zahl der Anträge nach Angaben von Sozialreferentin Elisabeth Ries (SPD) nahezu verdoppelt. Mit bis zu einem halben Jahr Wartezeit müsse man rechnen. Um den Ansturm zu bewältigen, habe man 25 neue Beschäftigte in der Wohngeldstelle eingestellt – eine Verdopplung des bisherigen Personals. Diese Beschäftigten muss die Kommune aus ihrem eigenen Etat finanzieren.
Personal wird teurer
Und das Personal wird ja auch teurer: Zum 1. März 2024 sollen die Entgelte in einem ersten Schritt um einen Betrag von 200 Euro angehoben werden. In einem zweiten Schritt soll der dann erhöhte Betrag noch einmal linear um 5,5 Prozent steigen. Die Erhöhung soll allerdings in jedem Fall 340 Euro betragen. Obendrein sind nach Angaben des Deutschen Beamtenbunds 360 000 Stellen im öffentlichen Dienst nicht besetzt.
„Die Wohngeldreform belastet die Verwaltungen der Landratsämter ebenso wie die Einführung des Bürgergelds und die Betreuungsrechtsreform“, erläutert Klaus Schulenburg, Sozialreferent des Bayerischen Landkreistags. Eine fixe Summe könne man noch nicht nennen, weil „nicht wenige der für die Umsetzung dieser Vorhaben neu geschaffenen Stellen mangels Bewerber gar nicht besetzt werden können“, berichtet Schulenburg. Wobei, schränkt der Sozialreferent des Landkreistags ein, „das Antragsaufkommen von Kreis zu Kreis sehr unterschiedlich“ sei. Generell sind die großen kreisfreien Städte aber stärker betroffen, schon weil hier die Mieten höher sind. „Bei der Gesetzgebung sind die finanziellen Folgen für Städte und Landkreise nicht bedacht worden“, sagt Johann Kronauer, Finanzreferent beim Bayerischen Städtetag. Ihn ärgert, dass ein Kostenersatz oder wenigstens ein Zuschuss für das zur Antragsbearbeitung zusätzlich nötige Personal in den Kommunalverwaltungen vom Bund nicht vorgesehen wurde.
Tausende neue Kontrolljobs
Doch das Wohngeld Plus ist nur ein Mosaikstein unter den vielen zusätzlichen Aufgaben, die den Kommunen durch die Bundesgesetzgebung auferlegt werden. Ein weiterer Stein ist die Unterbringung der immer zahlreicher nach Deutschland strömenden Flüchtlinge; mehr als 350 000 werden es bis Jahresende, wenn man die bisherigen Zahlen hochrechnet – über 50 Prozent mehr als 2022. Trotz des Flehens der Kommunalpolitiker*innen um eine Obergrenze verweigert Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) diese weiter.
Und mehr Geld will sie auch nicht lockermachen, im Gegenteil: Es sei „seltsam, wenn jetzt schon – Anfang April dieses Jahres – gesagt wird, das Geld für dieses Jahr reiche nicht aus“, sagte die Bundesministerin vor gut drei Wochen. Faeser verwies allerdings auf einen Bund-Länder-Gipfel mit Kanzler Olaf Scholz (SPD), bei dem am 10. Mai über die Flüchtlingskosten beraten wird.
Mehrwegpflicht kontrollieren
Doch damit nicht genug: Auch bei der Kontrolle der neuen Mehrwegpflicht sind die Kommunen eingebunden und müssen Kontrollpersonal bereitstellen: Restaurants, Bäckereien und Metzgereien müssen nach dem Willen der Ampel neben Einwegverpackungen bei Mitnahmespeisen jetzt Pfandboxen anbieten. Mehr als gelegentliche Stichproben werden da wohl nicht möglich sein: In Bayern gibt es knapp 4000 Gastronomiebetriebe, rund 2400 Bäckereien und etwas mehr als 2000 Metzgereien – und fast alle bieten Essen to go.
Ab 2024 müssen die Kommunen dann kontrollieren, dass niemand unberechtigt eine neue Öl- oder Gasheizung einbaut. Und ab 2026 gilt es, den Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder mit Zehntausenden neuen Lehrkräften umzusetzen. Zahlen müssen das alles: die Kommunen.
(André Paul)
Kommentare (0)
Es sind noch keine Kommentare vorhanden!