Politik

Den deutschen Pass kann man nun in Ausnahmefällen bereits nach drei Jahren bekommen. Union, FW und AfD üben daran deutliche Kritik. (Foto: dpa/Marijan Murat)

05.07.2024

Lang ersehnt, heiß bekämpft

Vergangene Woche ist das neue Staatsangehörigkeitsrecht in Kraft getreten – die Kritik daran ist heftig: zu Recht?

Immer mehr Menschen haben zuletzt den deutschen Pass erhalten. Mit der jetzt in Kraft getretenen Reform des Staatsangehörigkeitsrechts dürfte sich diese Entwicklung weiter beschleunigen. Das sorgt seit Monaten für Zündstoff. Missfallen erregt vor allem, dass nun bereits nach drei – statt bisher acht – Jahren die deutsche Staatsbürgerschaft erlangt werden kann und dass die doppelte Staatsbürgerschaft grundsätzlich möglich ist. Wie berechtigt ist die Kritik, wie ist die Situation in Bayern?

In den Jahren 2021 bis 2023 ist die Zahl der Einbürgerungen in Bayern um fast ein Drittel gestiegen. Von 23.158 im Jahr 2021 auf 36.103 im Jahr 2023. In den ersten fünf Monaten des Jahres 2024 stellten 28 131 Menschen einen Einbürgerungsantrag – die meisten dürften bewilligt werden. Laut bayerischem Innenministerium verhält es sich nämlich so, dass in der Regel bereits bei der Beratung zur Einbürgerung geklärt wird, ob eine Antragstellung erfolgversprechend ist. Meist zögen die Menschen einen Antrag zurück, wenn keine Aussicht auf Bewilligung besteht. Rechnet man die bisherigen Antragszahlen auf das Jahr 2024 hoch, gibt es dieses Jahr in Bayern – bei einer Anerkennungsquote von 95 Prozent – 64.138 Einbürgerungen.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD), die das neue Einbürgerungsrecht federführend erarbeitet hat, betont: „Wir stärken damit den Standort Deutschland.“ Im Bundesinnenministerium weist man zudem darauf hin, dass Einbürgerungen künftig zwar schneller abliefen, dafür aber die inhaltlichen Voraussetzungen „deutlich strenger“ seien.

Einbürgerung geht zu schnell

Genau das bezweifeln viele. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) geht die Einbürgerung zu schnell. Und bei der jetzt möglichen Mehrstaatigkeit fehlt ihm „ein klares Bekenntnis zu Deutschland“. Auch die Freien Wähler und natürlich die AfD hegen Vorbehalte. Und sogar aus der FDP, die die Reform in Berlin mitbeschlossen hat, kommt leise Kritik: Bayerns FDP-Chef Martin Hagen lobt zwar die inhaltlichen Kriterien, die neuen Einbürgerungsfristen, sagte er der Staatszeitung, finde er aber „etwas sehr kurz“.

Drei Jahre gelten künftig etwa dann, wenn gute Sprachkenntnisse oder ehrenamtliches Engagement vorliegen. Weiterhin ist ein Sprachtest auf Level B1 nötig – was bedeutet, dass die Betreffenden sich über alltägliche Dinge unterhalten können. Ausnahmen gibt es für die sogenannte Gastarbeitergeneration: Sie muss nicht mehr wie bisher den schriftlichen Deutschtest und den schriftlichen Einbürgerungstest – darin werden Fragen zur Gesellschaftsordnung gestellt – absolvieren.

Das darf man durchaus hinterfragen: Warum wird jemand, der seit 30 Jahren hier lebt und noch immer weder die Sprache beherrscht noch vertraut ist mit unserem Wertesystem, mit der Staatsbürgerschaft belohnt? Nicht nur für Bayerns Innenminister Herrmann ist die Sprache mit Blick auf Integration „die Schlüsselkompetenz schlechthin“. Herrmann warnt auch davor, dass niedrigere Einbürgerungsstandards den Nährboden bilden für Ressentiments in der Bevölkerung – die ohnehin bereits groß sind. Eine Insa-Umfrage ergab Ende vergangenen Jahres, dass nur ein Drittel der Deutschen die beschleunigte Einbürgerung gut findet.

Lebensunterhalt selbst bestreiten

Zu den laut Faeser strengeren inhaltlichen Kriterien zählt auch, dass Interessierte in der Lage sein müssen, ihren Lebensunterhalt und den ihrer Familie selbst zu bestreiten. Eine sinnvolle Vorgabe, die helfen kann, unsachliche Kritik zu entkräften: In sozialen Medien war viel zu lesen über den jetzt drohenden „Massenansturm“ von Leuten, die Deutschland dann alimentieren müsse.

Neu ist auch, dass Einbürgerungswillige ein Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung abgeben müssen. Das soll rassistische oder gegen die Menschenwürde gerichtete Vorfälle eindämmen. Grundsätzlich positiv – doch fraglich ist, ob ein Mensch, der den deutschen Pass will, antisemitische oder homophobe Einstellungen offenbart. Allerdings: Wer hier lügt – und erwischt wird –, dem kann die deutsche Staatsbürgerschaft binnen zehn Jahren wieder entzogen werden.

Sicher ist: Das Thema bleibt kontrovers und wird den Bundestagswahlkampf mitbestimmen. Die Union hat bereits angekündigt, die Reform im Falle eines Wahlsiegs zurückzudrehen. Fragt sich nur, wer dabei mitmacht: Die SPD als Erfinderin der Novelle eher nicht. Ebenso wenig die Grünen. Mit der AfD will man nichts zu tun haben, die FW werden es kaum in den Bundestag schaffen, und die FDP muss um ihren Wiedereinzug bangen. Was für die Einbürgerungsreform gilt, trifft auch auf andere Ampel-Projekte zu, die die Union korrigieren will: Ihr fehlen Gleichgesinnte. (Waltraud Taschner)

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