Politik

Würzburg ist einer von Bayerns Corona-Hotspots. (Foto: Karl-Josef Hildenbrand, dpa)

23.09.2020

Massentests, Auflagen und dennoch viele Infizierte

Von München ist es nicht weit nach Österreich und Italien, die Würzburger brauchen da schon deutlich länger. Dennoch gibt es in beiden Städten ziemlich viele Coronavirus-Fälle. Wird dort nur einfach mehr getestet als woanders oder mehr geknutscht

Bayerns Strategie im Umgang mit dem Coronavirus gilt als zupackend. Altenheime abgeschottet, Baumärkte zu, das öffentliche Leben im Frühjahr auf ein Minimum heruntergefahren. Wie bundesweit geht es danach peu à peu auch im Freistaat wieder bergauf - doch nach den großen Ferien kommt die Wende. Rund 65 500 Coronafälle sind seit dem Frühjahr in Bayern registriert worden, etwa 270 000 bundesweit.

Die Zahl der Fälle, die binnen sieben Tagen pro 100 000 Einwohner registriert werden, liegt im Freistaat regelmäßig sehr deutlich über dem Bundesschnitt - warum?
Bayernweit haben sich in den vergangenen Wochen etwa in den Regionen Würzburg und München besonders viele Menschen mit Sars-Cov-2 infiziert. Das Robert Koch-Institut (RKI) führt das in der Mainstadt etwa auf einen Ausbruch in einer Shisha-Bar zurück. Weitere Fälle kämen durch private Feiern oder eine Ansteckung bei der Arbeit zustande. Da viele Menschen zwischen Stadt und Landkreis Würzburg pendeln, meldeten die Behörden zuletzt auch etliche Infizierte im Landkreis.
In München sieht das RKI verschiedene Ursachen für die vergleichsweise hohen Fallzahlen: ambulante Pflegedienste, Krankenhäuser, Asylbewerberunterkünfte, Kitas, Schulen, Bars und Reiserückkehrer. "Covid-19-Fälle treten besonders in Zusammenhang mit Feiern im Familien- und Freundeskreis auf", schreibt das RKI. "Der Anteil der Reiserückkehrer unter den Fällen geht zurück."
Ministerpräsident Markus Söder (CSU) meint: "Die Zahl derer, die über Leichtsinn sich infizieren, wächst." Dies zeige sich an der hohen Zahl junger Infizierter - da gebe es bei manchen noch kein starkes Bewusstsein für die Gefahr von Corona.

Spielt die Nähe zu Österreich und Italien eine Rolle, von wo aus sich das Coronavirus im Frühjahr über ganz Deutschland ausbreitete?
Schwer zu sagen. In Bayern ist das Infektionsgeschehen anders als in Mecklenburg-Vorpommern oder Schleswig-Holstein. Dort sind die Zahlen von Anfang an deutlich niedriger gewesen. Das RKI meldete am Dienstagmorgen, dass sich im Freistaat in den vergangenen sieben Tagen 20,2 Menschen je 100 000 Einwohner mit Corona infiziert haben. In Berlin waren es sogar 22,8, in den anderen Bundesländern weniger.

Nach Worten des Leiters der Abteilung für Epidemiologie am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung, Gérard Krause, kommt in Bayern vieles zusammen: Ballungsraum Industrie und damit womöglich mehr Mobilität, Nähe zu Risikogebieten, bereits viele Infizierte im Frühjahr, mehr Tests.

Wie alt sind die Betroffenen derzeit?
In Bayern ist derzeit knapp jeder zweite neue Corona-Infizierte 15 bis 34 Jahre alt. Gut 47 Prozent aller in München gemeldeten Infektionen der vergangenen sieben Tage stammen nach Zahlen des Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) aus dieser Altersgruppe. Etwa 29 Prozent aller gemeldeten Infektionen der vergangene Tage entfallen laut LGL allein auf die Gruppe der jungen Erwachsenen im Alter von 20 bis 30 Jahren.

Können Maskenpflicht auf öffentlichen Plätzen und Feierverbote an beliebten Orten helfen, Ansteckungen zu vermeiden?
Gut möglich, glaubt Infektionsepidemiologe Krause und nennt etwa Weihnachtsmärkte als Beispiel, wo es kaum möglich sein werde, ausreichend Abstand zu halten. "Es geht nicht um absolute Sicherheit, sondern um zusätzlichen Mehrwert." Alles sei Abwägungssache, womöglich könne das Risiko einer Infizierung durch solche Maßnahmen gesenkt werden. "Da gibt es keine harten Daten." Aber da Bayern im Frühjahr besonders vom Virus betroffen war und nun wieder ist, könnten solch lokale Auflagen helfen, Infektionen zu verhindern.

Im Freistaat werden besonders viele Corona-Tests gemacht. Wer viel testet, findet auch mehr?
Nicht unbedingt, sagt die Geschäftsführerin des Verbandes der Akkreditierten Labore in der Medizin (ALM), Cornelia Wanke. "Es wird natürlich mehr gefunden, das ist klar." Aber anlassloses Testen - zum Beispiel von Menschen ohne Symptome, die weder Kontakt zu Infizierten hatten noch in einem Risikogebiet waren - bringe nicht viel. "Wer gezielt testet, der findet auch viel." Nach ALM-Angaben testet Bayern bundesweit betrachtet sehr viel - knapp 158 000 Mal in der vergangenen Woche. In Baden-Württemberg, wo ähnlich viele Menschen leben, seien es nur etwa 112 000 Tests gewesen.

Laut RKI gibt es zahlreiche Gründe dafür, weshalb die Fallzahlen derzeit nach oben gehen. "Eine Ausweitung der Tests kann zu einem Anstieg der Fallzahlen beitragen, weil Fälle detektiert werden, die sonst unentdeckt geblieben wären - beispielsweise Fälle ganz ohne Symptome oder mit nur sehr milden Symptomen", schreiben die Experten in Berlin. "Die vorhandenen Infektionen werden dann also vollständiger erfasst."

Die Fallzahlen würden aber auch zunehmen, "wenn das Infektionsgeschehen generell zunimmt" - durch viele Ansteckungen bei Partys oder am Arbeitsplatz, teils bedingt durch Urlaubsrückkehrer aus dem Ausland. Bei Ausbrüchen in Schulen oder Betrieben werden nach Angaben des bayerischen Gesundheitsministeriums Reihentests angeordnet, um Infektionsketten zu unterbrechen.

Wie kommen die Krankenhäuser aktuell zurecht?
Gut, so die Einschätzung der Bayerischen Krankenhausgesellschaft. "Die Kliniken haben überhaupt keine Probleme momentan, die Patienten aufzunehmen", versichert Sprecher Eduard Fuchshuber. "Es kommen deutlich weniger ins Krankenhaus als im Frühjahr." Derzeit würden bayernweit etwa 170 Covid-19-Patienten stationär behandelt, ein Viertel davon auf einer Intensivstation. Aber: "Es steigt moderat an."
(Angelika Resenhoeft, dpa)

Kommentare (1)

  1. Stefan am 24.09.2020
    Ich finde, Markus Söder macht einen sehr guten Job als Krisenmanager. Auch wenn es schwer fällt auf das Oktoberfest zu verzichten oder die Maske an Öffentlichen Plätzen wie dem Viktualienmarkt oder beim Einkaufen lästig erscheinen mag, so ist es doch nichts verglichen mit den Einschränkungen, die Bayerns Nachbarländer z. T. erlassen mussten um die Pandemie in den Griff zu bekommen.
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