Politik

08.01.2016

Mein Kampf: Endlich kommentiert

Ein Kommentar von Florian Sendtner

Kommentare hat es viele gegeben zu Hitlers 782 Seiten dicker programmatischer Hetzschrift Mein Kampf. Seit das Machwerk 1925/26 erschienen ist, haben sich unzählige Intellektuelle darüber lustig gemacht und empört, von Thomas Mann bis Serdar Somuncu. Doch der eine, große, wissenschaftlich akribische, fundamentale Kommentar, der jede Zeile ernsthaft analysiert, der erscheint erst heute, pünktlich nach Ablauf des Urheberrechts, auf dem der bayerische Finanzminister saß. Was für ein Armutszeugnis: 70 lange Jahre tat man so, als habe dieses Buch keine große Rolle gespielt, als habe die dreiste Ankündigung der größten Verbrechen in der Menschheitsgeschichte kaum jemand gelesen – obwohl Mein Kampf bis 1945 in einer Auflage von mindestens elf Millionen Exemplaren verbreitet wurde.

Die 500 000 Euro, die der Landtag dafür genehmigte, sind gut angelegt

Mit diesem Märchen ist jetzt endlich Schluss. In zwei Bänden, auf 2000 Seiten, präsentiert das Münchner Institut für Zeitgeschichte am heutigen Freitag eine kritisch kommentierte Ausgabe des schändlichsten Buchs, das in München je gedruckt wurde. Und Lehrer und Studenten, soviel steht jetzt schon fest, werden sich darauf stürzen. Denn was gibt es Erhellenderes als ein Originaldokument, das von kundigen Historikern gleichzeitig nach allen Regeln der Kunst auseinandergenommen wird? Der O-Ton des Führers, dem die Deutschen in ihrer überwältigenden Mehrheit blind in Krieg und Massenmord gefolgt sind, wird kommentiert eine aufklärerische Wirkung zeitigen, die vielen versagt bleibt, die in bester Absicht über die NS-Verbrechen informieren wollen. Die 500 000 Euro, die der bayerische Landtag dem Institut für Zeitgeschichte für die nun erscheinende Ausgabe im Jahr 2013 bewilligte, waren gut angelegtes Geld. Dass Seehofer dann wenig später dem Landtag in die Parade fuhr und das Projekt aufs Schärfste missbilligte, dass er das Kunststück fertigbrachte, dem Institut für Zeitgeschichte in den Rücken zu fallen und damit eine der renommiertesten Institutionen der bayerischen Landeshauptstadt zu desavouieren, wird bald vergessen sein. Bleiben wird die wissenschaftliche Leistung und der Mut des Instituts für Zeitgeschichte, das Mörderbuch aus dem Giftschrank herausgeholt und erklärt zu haben.

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