Politik

Flaggen vor dem Gebäude des EU-Parlaments in Straßburg. In wenigen Wochen wird ein neues Parlament gewählt. (Foto: dpa/Philipp von Ditfurth)

24.05.2024

Migration, Soziales, Umwelt: Was die Parteien wollen

Europawahl am 9. Juni: Wir haben uns die Programme der größeren Parteien angeschaut – wer steht wofür? Ein Überblick

Innere Sicherheit/Migration

Vor dem Hintergrund der aggressiven russischen Außenpolitik wollen CDU und CSU eine „echte Verteidigungsunion“ schaffen. Zudem soll die grenzüberschreitende Kriminalitätsbekämpfung verbessert werden. Bei der Migration setzt man auf erleichterte Fachkräftezuwanderung, aber Außengrenzsicherung gegen illegale Migration.
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Um Terrorismus und organisierte Kriminalität grenzübergreifend besser bekämpfen zu können, fordern die Grünen einen Ausbau der europäischen Polizeibehörde Europol. Asylbewerber*innen sollen unter den EU-Staaten gerechter aufgeteilt werden. Gefordert werden auch menschenrechtsbasierte Abkommen mit Staaten außerhalb der EU, um sichere Fluchtwege zu schaffen. Wer sich gut integriert hat, soll auch per Spurwechsel bleiben dürfen.
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Die SPD will einen Binnenmarkt für Verteidigung und eine gemeinsame Rüstungspolitik auf den Weg bringen. Zur Bekämpfung der Kriminalität soll die Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden gestärkt werden. Bei der Aufnahme Geflüchteter fordert die SPD wirkliche europäische Solidarität und Rechtsschutz bei Asylverfahren an den Außengrenzen.
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Die AfD will die EU in ihrer jetzigen Form abschaffen und stattdessen eine Europäische Wirtschaftsgemeinschaft souveräner Nationalstaaten gründen. Die europäischen Grenzen sollen von der Staatengemeinschaft und zusätzlich in Eigenregie geschützt werden. Bis dahin soll es weiterhin stationäre Grenzkontrollen geben. Außerdem gefordert: mehr Abschiebungen und Asylverfahren nur noch außerhalb Deutschlands.
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Die Linke fordert ein Ende des Aufbaus von grenzübergreifenden Datensystemen der Sicherheitsbehörden. Armuts- und Klimaflüchtlinge sollen ebenfalls verbindliche Flüchtlingsrechte bekommen. Die EU soll eine solidarischere Aufnahmeregelung von Schutzsuchenden in den Mitgliedstaaten schaffen, aufnahmebereite Länder, Städte und Regionen sollen EU-Finanzhilfen bekommen.
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Die FDP will eine europäische Verteidigungsunion schaffen und die EU-Grenzschutzorganisation Frontex ausbauen, ebensoso wie Europol zu einem Europäischen Kriminalamt. Asylanträge sollen unter Einhaltung rechtsstaatlicher Standards in Drittstaaten geprüft werden, Wirtschaftsflüchtlinge ausgewiesen werden.
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Die Freien Wähler wollen die irreguläre Migration begrenzen. Dazu soll der Schutz der EU-Außengrenzen verstärkt werden, zuständig soll die EU-Grenzschutzorganisation Frontex sein. Die FW fordern eine klare Trennung von Zuwanderung und Asyl. Für die Einwanderung sollen die Nationalstaaten zuständig sein. Der Abschluss von EU-Rückübernahmeabkommen soll forciert werden. Staaten, die sich weigern, ihre Bürger*innen zurückzunehmen, sollen mit Sanktionen belegt werden.
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Das Bündnis Sahra Wagenknecht will die illegale Migration stoppen und dafür die Perspektiven für die Menschen in deren Heimatländern stärken. Nötig sei eine grundlegende Reform der Flüchtlings- und Migrationspolitik. Dazu sollen unter anderem Asylverfahren an den EU-Außengrenzen und in Drittstaaten gehören. Daneben soll die EU ihre Anstrengungen erhöhen, Kriege diplomatisch zu lösen, und sie soll keine Waffen in Kriegsgebiete liefern.

Wirtschaft/Finanzen

Hier setzen CDU und CSU auf eine Vertiefung des Binnenmarkts, Bürokratieabbau und neue Freihandelsabkommen mit den USA und Südamerika. Eine „Schuldenunion“ lehnen beide Parteien ab. Zudem wollen sie das Bargeld erhalten und die Finanzmärkte im Sinne der Bürger*innen regulieren.
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Die Grünen fordern ein großes EU-Investitionsprogramm ab 2028: Dazu gehört ein voll ausgebautes europäisches Schienen-, Strom- und Wasserstoffnetz. Dazu soll der klimaneutrale Umbau der Industrie gefördert werden. Entscheidungen sollen per Mehrheitsentscheid im EU-Rat fallen. Für mehr finanzielle Unabhängigkeit sollen die Mitgliedsländer höhere Beiträge zahlen, Einnahmen zum Beispiel aus dem Eurosystem sollen ins EU-Budget fließen. 
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Zur Entlastung der Nationalstaaten plädiert die SPD für eigene EU-Steuern, vor allem bei der Körperschaft- und einer Finanztransaktionssteuer. Um die Wirtschaft anzukurbeln, brauche es einen industriepolitischen Aufbruch und den Schutz des Binnenmarkts vor unfairem globalem Wettbewerb.
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Die AfD will den Euro abschaffen und eine neue Deutsche Mark einführen. Eine Europäische Wirtschaftsgemeinschaft souveräner Nationalstaaten soll statt der EU für faire Wettbewerbsbedingungen sorgen. Das Verbrennerverbot soll rückgängig gemacht werden.
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Die Linke will eine Mindeststeuer für transnationale Unternehmen erheben. Subventionen oder Investitionshilfen für Unternehmen sollen an soziale und ökologische Kriterien geknüpft werden, etwa, dass Tariflöhne gezahlt werden. Sie fordert außerdem die Stärkung regionaler Wirtschaftskreisläufe.
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Oberstes Ziel für die FDP ist die Bekämpfung der Inflation und der Schulden. Freihandelsabkommen sollen vorangetrieben werden. Für Start-ups und kleine Unternehmen ist ein einfacher Zugang zur Börsenfinanzierung geplant. Zur Entbürokratisierung sollen für jede neue Regelung zwei alte gestrichen werden. Darüber wachen soll ein Mittelstandskommissar. 
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Um die Energiesicherheit herzustellen, fordern die Freien Wähler den Ausbau regenerativer Energien, biomassebasierte Systeme sowie die Weiterentwicklung von Wasserstoff und Kernenergie. Gezielte Förderung sollen kleine und mittelständische Unternehmen sowie das Handwerk erfahren. Dafür soll Bürokratie abgebaut und die digitale Infrastruktur ausgebaut werden. Ausgebaut werden sollen die europäische Luft- und Raumfahrtindustrie, die Computerspiele- und die Softwareentwicklung. 
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Das Bündnis Sahra Wagenknecht sieht die Wirtschaftssanktionen gegen Russland kritisch, denn diese hätten Russland kaum geschadet, der europäischen Wirtschaft aber sehr wohl. Gefordert wird eine Reform der Ausschreibungs- und Vergaberichtlinien. Bei Aufträgen von Kommunen sollten die Schwellenwerte für eine EU-weite Ausschreibung deutlich erhöht werden, damit Kommunen und andere öffentliche Auftraggeber nicht so häufig EU-weit ausschreiben müssen. Die Unternehmensbesteuerung soll EU-weit einheitlich sein.

Landwirtschaft/Umwelt

Die Versorgungssicherheit mit Lebensmitteln soll durch mehr regionale Erzeugung gewahrt werden. Der Schutzstatus des Wolfes soll gesenkt werden. CDU und CSU treten für Technologieoffenheit bei Energie und Klimaschutz ein, wollen die Kreislaufwirtschaft voranbringen und dem Verbrennermotor eine Zukunftsperspektive geben.
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Die Grünen drängen auf eine grundsätzliche Reform der EU-Agrarpolitik, damit nicht mehr Fläche, sondern Maßnahmen für Klima, Wasser, Boden, Biodiversität, Gesundheit und Tierschutz gefördert werden. Die Partei fordert außerdem die Umsetzung aller im EU-Gesetz zur Wiederherstellung der Natur vereinbarten Ziele zum Schutz europäischer Land- und Meeresflächen. Dazu setzt sich die Partei für ein neues Investitionsprogramm für sichere und nachhaltige Chemikalien „made in EU“ ein.
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Die SPD will eine bessere Honorierung der Bauern für öffentliche Dienstleistungen und fordert verlässliche Rahmenbedingungen für eine umwelt- und ressourcenschonende Agrarproduktion. Im Bereich Umwelt setzt sie auf die Wiederherstellung von Ökosystemen sowie klimaneutrale Wirtschaft und Energieerzeugung.
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Der Green Deal führt laut AfD zu Deindustrialisierung und Naturzerstörung. Stattdessen will die Partei regionale Wertschöpfungsketten, kurze Transportwege und die Direktvermarktung in der Landwirtschaft fördern. Maßnahmen gegen den Klimawandel werden abgelehnt, da die Veränderungen ganz natürlich seien.
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Die Linke fordert den Umbau der Agrarförderung in der EU weg von der Wettbewerbs- und Exportorientierung hin zu regionaler Erzeugung, Verarbeitung und Wertschöpfung. Ein EU-Bodengesetz soll Spekulationen mit landwirtschaftlichen Nutzflächen einschränken. Der Einsatz chemischer Mittel auf den Äckern soll drastisch reduziert, die Tierhaltung klima-, umwelt- und tierschutzverträglich werden.
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Die flächenbezogenen Direktzahlungen für Bäuerinnen und Bauern will die FDP binnen der nächsten 15 Jahre auslaufen lassen. Der Wettbewerb in der Landwirtschaft soll gefördert und die Bürokratisierung abgebaut werden. Außerdem plädiert die FDP dafür, Gentechnik und Pflanzenschutzmittel nicht pauschal zu verurteilen. Die Artenvielfalt soll ähnlich den CO2-Zertifikaten mit handelbaren Biodiversitätszertifikaten erhöht werden.
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Um die Landwirtschaft in der EU zu schützen, fordern die Freien Wähler Schutz vor Dumpingstandards an den EU-Außengrenzen durch Zölle. Pflanzenschutzmittel, die von der EU zugelassen sind, sollen auch in Deutschland verwendet werden dürfen. Die Landwirtschaft und deren Engagement im Landschaftsschutz sollen insbesondere in strukturell benachteiligten Gebieten von der EU angemessen honoriert werden. Die Freien Wähler sehen im Agrarbereich eine Überreglementierung der EU, die abgebaut werden soll.
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Das Bündnis Sahra Wagenknecht will die Förderung neuer Technologien, die helfen, den Klimawandel zu bekämpfen. Der Green Deal wird abgelehnt. Die Agrarpolitik soll stärker regional und national ausgerichtet sein; Landwirtschaft soll primär der Versorgung der Menschen im eigenen Land dienen. Agrarimporte sollen mit Schutzzöllen belegt werden.

Gesundheit/Soziales/Arbeit

CDU und CSU wollen durch mehr Produktion in der EU die Medikamentenversorgung absichern und einen Forschungsverbund gegen schwere Krankheiten schaffen. Es soll bessere soziale Schutzstandards auf dem Arbeitsmarkt geben, und bei der Arbeitnehmerfreizügigkeit sollen Hindernisse abgebaut werden.
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Prävention und Gesundheitsförderung stehen im Mittelpunkt des Grünen-Programms. Dazu gehört, Gesetzeslücken bei Tabakwerbung EU-weit zu schließen. EU-weit soll es digitale Patientenakten geben. Für mehr bezahlbaren Wohnraum fordern die Grünen eine Offensive mit Sanierungen im Bestand und Innenverdichtung, nachhaltigem Bauen, einer Fachkräfteoffensive sowie mehr Investitionen über die Europäische Investitionsbank. Eine EU-Arbeitslosenrückversicherung soll die nationalen Arbeitslosenversicherungen im Krisenfall stützen. 
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Die SPD will die sozialen Rechte von Arbeitnehmer*innen stärken, Lohndumping bekämpfen und europäische Mindeststandards für die soziale Grundsicherung einführen. Es soll für eine patientenorientierte Gesundheitswirtschaft und eine starke pharmazeutische Industrie gesorgt werden.
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Gesundheitsschutz müsse Aufgabe der nationalen Parlamente bleiben, fordert die AfD. Traditionelle Geschlechterrollen sollen unterstützt werden und Eltern mehr Geld pro Kind erhalten. Eine europäische Arbeitslosenversicherung wird abgelehnt.
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Krankenhäuser und Pflege sollen nach dem Willen der Linken in öffentlicher Hand sein, Medizintechnik und Pharmaindustrie nur dem Gemeinwohl verpflichtet sein. Die Partei fordert in allen EU-Staaten soziale Mindeststandards etwa bei Einkommen und Rente, deren Einhaltung auch kontrolliert wird. Dazu will die Linke eine europäische Erwerbslosenversicherung einführen. Der öffentliche Wohnungsbau soll viel stärker gefördert werden.
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Die FDP will die Zusammenarbeit der EU mit der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ausbauen. Der Schutz der Privatsphäre und das Recht auf Anonymität in digitalen Räumen sollen gestärkt werden. Außerdem fordert die Partei, den Wohnortwechsel von Arbeitskräften innerhalb der EU zu vereinfachen und die EU-Arbeitszeitrichtlinie zu entschärfen.
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Die Freien Wähler sehen Europa als Sozialunion und fordern Mindeststandards, um Lohndumping und Ähnliches zu unterbinden. Die Sozialgesetzgebung soll aber bei den Mitgliedstaaten bleiben. Beklagt wird eine Überlastung der Sozialsysteme durch die massive Zuwanderung. Auch aus diesem Grund wollen die FW die Zuwanderung begrenzen. Eine wohnortnahe Gesundheitsversorgung soll erhalten, Gesundheitsdaten sollen geschützt bleiben. Impfzwänge werden abgelehnt.
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Die Daseinsvorsorge, also Wohnen, Wasser und Energieversorgung, soll nach dem Willen des Bündnis Sahra Wagenknecht in öffentlicher Hand sein. Ein EU-weiter Mindestlohn soll eingeführt werden in Höhe von 60 Prozent des Durchschnittswerts der Vollzeitbeschäftigten. In der EU sollen Unternehmensgewinne mit mindestens 25 Prozent besteuert werden. Die Gewinnverschiebung in internationale Steueroasen soll unterbunden werden. (JUM/LOH/TA/TS)
 

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