Politik

Mikrochips sind gefragter denn je. Leider herrscht wegen der Grenzschließungen Mangel an Nachschub. (Foto: Getty Images/KTSdesign Science Photo Library)

19.02.2021

Mikrochips werden knapp, Orangen nicht

Die Grenzkontrollen und ihre Folgen für den Handel

Aus Sorge vor einer weiteren Verbreitung gefährlicher Coronavirus-Mutationen hat Deutschland die Grenzen zu Tschechien und Tirol nahezu dichtgemacht. Das befeuert die Ängste derjenigen, die Lieferengpässe befürchten. Teilweise zu Recht. Vor allem bei Halbleitern wird es eng – ausgerechnet. Denn die Nachfrage ist während der Pandemie deutlich gestiegen. Halbleiter sind für die Digitalisierung von großer Bedeutung.

Die Lieferzeiten dafür liegen derzeit bei bis zu sechs Monaten, ist von Europas größtem Halbleiterkonzern Infineon aus Neubiberg bei München zu hören. Und ein rasches Ende der Chipknappheit ist nicht in Sicht. Das führt nicht nur in der Automobilbranche zu Verzögerungen. Nahezu sämtliche mit Strom betriebenen Geräte hängen von Halbleitern ab. Und so schlägt der Lieferkettenengpass auf weitere Industrien und Produkte wie Laptops und Smartphones durch.

Die Gründe für den Lieferengpass sind vielfältig. Ein Grund: die Pandemie. „Der coronabedingte Digitalisierungsschub in allen Lebensbereichen hat zu einer verstärkten Nachfrage nach Halbleitern geführt“, erklärt Lukas Gabriel Wiese, Bereichsleiter Außenwirtschaft und Internationale Beziehungen beim Digitalverband Bitkom. Wegen der langen Vorlaufzeiten in der Halbleiterindustrie brauchen Kapazitätserweiterungen Zeit. „In diesem Kontext begrüßen wir die am 7. Dezember 2020 unterzeichnete EU-Initiative für Halbleitertechnologien“, sagt Wiese. Damit soll eine europäische Allianz für Mikroelektronik vorangetrieben werden. Entscheidend ist, dass es nicht bei Absichtserklärungen bleibt.

Einen coronabedingten Engpass gibt es auch bei Fahrrädern. Käufer müssen sich in diesem Jahr auf ein knappes Angebot und steigende Preise einstellen. „Wir rechnen damit, dass die Warenverfügbarkeit auch 2021 knapp sein wird“, sagte vor Kurzem David Eisenberger vom Zweirad-Industrie-Verband. Die Pandemie hat die Nachfrage nach Fahrrädern angekurbelt. Im vergangenen Jahr haben die deutschen Hersteller laut Eisenberger ein Plus von 20 Prozent erzielt. Für 2021 erwarteten sie einen ähnlich hohen Zuwachs. Wegen der gestiegenen Transportkosten könne es „an der einen oder anderen Stelle“ Preiserhöhungen geben. Denn Rahmen und andere Hauptkomponenten werden meist in Asien hergestellt und die Räder dann in Europa montiert.

Besser sieht es im Bereich Lebensmittel aus. „Uns wurden keine akuten Engpässe gemeldet“, sagt Meike Schwamborn, Sprecherin der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie (BVE). Allerdings sei die Beschaffung zeitaufwendiger und teurer geworden, beispielsweise, weil es weniger Lieferanten und Logistikkapazitäten gibt. Angesichts der verschärften Einreiseregelungen mahnt die BVE, dass sich selbst der Ausfall eines Teiles der Lieferkette noch am selben Tag im Supermarktregal bemerkbar machen würde.

Bei Lebensmitteln gibt’s teils sogar ein Überangebot

Eine Gefahr, vor der Sebastian Lechner, Geschäftsführer des Landesverbands Bayerischer Transport- und Logistikunternehmen (LBT), bereits jetzt warnt. Denn die 5000 bis 6000 Lkw, die pro Tag Waren aus Italien nach Bayern transportieren, haben auch Lebensmittel geladen. Daher fordert der LBT, es bei Tests für die Fahrer zu belassen und sie nicht noch zusätzlich mit Kontrollen an der Grenze aufzuhalten. Eine extra Lkw-Spur wäre hilfreich. Ebenso wie die Streichung der Testpflicht für Fahrer, die Tirol nur passieren, dort aber nicht aussteigen.

Ein für die Konsument*innen angenehmer Nebeneffekt der Pandemie: Lebensmittel werden teilweise preiswerter. So verweist Klaus Burger, Geschäftsführer von Burger Fruchtimport in Nürnberg, darauf, dass bei Produkten wie Orangen aus Spanien ein Überangebot bestehe. Denn die Gastronomie und Hotellerie fallen als Abnehmer wegen des Lockdowns aus. Bereits im vergangenen Frühjahr durften sich die Menschen über Schnäppchen-Spargel freuen, weil geschlossene Restaurants die edlen Stangen nicht kaufen konnten.

Und auch im Textilbereich gibt es derzeit keine Lieferengpässe. Das war im ersten Lockdown anders. Da konnten Firmen in Italien teilweise nicht produzieren, weil die Fabriken wegen hoher Infektionszahlen geschlossen waren. Jetzt sind die Lager der Mode- und Schuhgeschäfte prall gefüllt. Doch sie können ihre Waren nur online oder per Click & Collect vertreiben. Die Umsätze sind spürbar gesunken.

Bund und Länder sind jedenfalls gut beraten, jetzt schnell praktikable Lösungen zu finden, um die Warenversorgung hierzulande aufrechtzuerhalten. Doch in Berlin scheint man aus dem ersten Lockdown nichts gelernt zu haben. Die EU kritisiert Deutschland für seinen Alleingang bei den Grenzschließungen zu Recht.
(Ralph Schweinfurth)

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