Politik

Radler „recken bei einer grünen Ampel vor dem Lastwagen die Faust und fahren neben ihnen her“, klagt Unfallforscher Wolfram Hell. Dabei sei ihnen nicht klar, dass sie nicht gesehen werden. (Foto: dpa/Marcus Dorer)

14.03.2025

Mit 45 Stundenkilometern übers nasse Laub

Immer mehr und vor allem ältere Menschen sterben in Bayern bei Radlunfällen – Fachleute fordern eine Helmpflicht

Die jüngsten Zahlen zur Fahrrad-Unfallstatistik sind besorgniserregend: Laut bayerischem Innenministerium starben letztes Jahr 94 Radler bei Unfällen – ein neuer Rekord. Und das, obwohl die Anzahl der Verkehrstoten so niedrig war wie seit Beginn der Unfallaufzeichnungen vor 70 Jahren. Das Haus des Innenministers Joachim Herrmann (CSU) erklärt den Widerspruch auf Anfrage der Staatszeitung mit der „körperlichen Verfassung des betroffenen Radfahrers“.

Das ist eine höfliche Umschreibung dessen, was in der Forschung längst Konsens ist: Durch E-Bikes und die noch schnelleren Pedelecs setzen sich mehr ältere Menschen aufs Rad. „Senioren reagieren langsamer, verlieren schneller das Gleichgewicht und verletzen sich schwerer als Jüngere“, erklärt Kirstin Zeidler von der Unfallforschung der Versicherer im Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Fast drei Viertel der getöteten Fahrradfahrer in Bayern waren über 65 Jahre alt, knapp die Hälfte nutzte ein Pedelec.

Das ist aber nur eine Erklärung dafür, warum von bundesweit 446 tödlichen Fahrradunfällen rund 33 Prozent ohne Fremdverschulden verunglückt sind. Weitere Gründe sind Falschparker, unübersichtliche Kreuzungen oder schlecht ausgebaute Radwege – insbesondere auf Landstraßen, wo fast jeder zweite Unfall passiert. Laut GDV wurden 15 Prozent der Unfälle von Autos und 8 Prozent von Lkw verursacht. Bei einer Befragung räumten auch zwei Drittel ein, dass ihre Fahrweise schuld sei.

Radler „recken bei einer grünen Ampel vor dem Lastwagen die Faust und fahren neben ihnen her“, klagt Unfallforscher Wolfram Hell von der Gesellschaft für medizinische und technische Traumabiomechanik. Dabei sei ihnen oft nicht klar, dass sie überhaupt nicht gesehen werden.

Eine Helmpflicht? Politikerinnen und Politiker haben Angst vor dem Votum der Wahlberechtigen

Den größten Effekt zur Verringerung der tödlichen Unfälle hätte aus Hells Sicht neben einer rücksichtsvolleren Fahrweise eine Helmpflicht. „Von den getöteten Fahrradfahrern in München zwischen 2019 und 2024 trugen bis auf einen alle keinen Helm“, betont er. Mindestens die Hälfte davon könnte noch leben. In anderen Ländern seien Helme schon längst Pflicht oder die Tragequote liege wie in Stockholm bei 90 Prozent.

Tatsächlich ist es erstaunlich, warum Helme seit kurzem beim Skifahren freiwillig getragen werden, dies bei den bis zu 20 Stundenkilometern schnellen Pedelecs aber als verzichtbar gilt. Hell vermisst das Eingreifen der Politik. „Manche haben Angst vor ihren Wählerinnen und Wählern“, vermutet er. Dabei habe auch die umstrittene Gurtpflicht Leben gerettet. 

Neben dem Ausbau der Radwege und zusätzlichen Tempo-30-Zonen fordern Fachleute getrennte Grünphasen für den Radverkehr, wie bei Motorrädern eine ABS-Pflicht sowie ein Tempolimit von 80 Stundenkilometern auf Landstraßen. Effektiv wären auch Reflexionsstreifen und eine gute Beleuchtung der Zweiräder. Das klingt simpel, hat aber in Skandinavien die Rate von schweren Fahrradunfällen deutlich reduziert. (David Lohmann)

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