Kann die Pflege zu Hause nicht mehr geleistet werden, weil keine Angehörigen da sind oder weil das Pflegen zu aufwendig wäre, bleibt nur eines: das Heim. Doch das ist teuer. Gerade in Bayern ist das ungemein kostspielig. Was Pflegebedürftige massiv umtreibt. „Ich bekomme die Verzweiflung derjenigen mit, für die ein Umzug ins Pflegeheim die letzte Option ist“, sagt Michaela Monno-Linde, Fachberaterin für pflegende Angehörige der Caritas im Landkreis Main-Spessart.
Der Anteil, den Pflegebedürftige in bayerischen Pflegeheimen aus eigener Tasche bezahlen müssen, steigt kontinuierlich an. Nach Angaben des Landesverbands Bayern der Ersatzkassen (vdek) müssen im ersten Jahr im Heim rund 2800 Euro pro Monat selbst gezahlt werden. Das sind 560 Euro mehr als noch vor einem Jahr.
Die Kosten setzen sich so zusammen: dem Heimplatz samt Mahlzeiten, den Investitionskosten (etwa für Fahrkosten oder Büros) und der konkreten Pflege. Die nennt sich im Fachjargon „Einrichtungseinheitlicher Eigenanteil“. Dafür schießt die Pflegekasse etwas zu. Im ersten Jahr im Heim werden 15 Prozent übernommen. Senior*innen, die mehr als drei Jahre im Heim leben, erhalten aktuell 75 Prozent refinanziert.
Allein der Einrichtungseinheitliche Eigenanteil verschlingt laut vdek im ersten Jahr im Heim rund 1530 Euro im Monat. „Viele Menschen haben Angst um ihr erspartes Vermögen“, erfährt Michaela Monno-Linde, geht sie zu Pflegebedürftigen nach Hause. Senior*innen fragten sich bang: „Wird das denn genug sein bis zum Lebensende?“ Sie möchten ihre Kinder nicht finanziell belasten. Und sie haben Angst, Sozialhilfe beantragen zu müssen. „Einige haben sich auch vorgestellt, ihren Kindern und Enkeln etwas zu vererben, was dann natürlich nicht mehr möglich ist“, sagt die Pflegefachkraft.
Raimund Binder, Leiter des AWO-Pflegeheims Marie-Juchacz-Haus in Würzburg, sagt: „Bei uns liegt der Eigenanteil im ersten Jahr summa summarum bei 3612 Euro.“ Den von der vdek errechneten Betrag von 2800 Euro pro Monat sieht er als viel zu niedrig an. Auf diesen Betrag kämen allenfalls Heime, die die seit Juli 2023 geltende neue Personalbemessung in der Langzeitpflege noch nicht umgesetzt hätten.
Oft reichen die Ersparnisse nicht aus – was dann?
Die hohe Eigenbeteiligung im Marie-Juchacz-Haus hat laut Raimund Binder Konsequenzen: „Etwa die Hälfte unserer Bewohner ist auf Sozialhilfe angewiesen.“ Die bekommen sie vom Bezirk Unterfranken, der sich das Geld über die Bezirksumlage von den Kommunen zurückholt.
Neben den Alten, die in Armut gestürzt werden, sind es denn vor allem auch die Städte und Landkreise, die unter der Situation zu leiden haben. Binder plädiert dafür, die Eigenanteile auf höchstens 2500 Euro im Monat zu deckeln: „Was darüber liegt, muss bezuschusst werden.“
Immer mehr Menschen seien nicht mehr in der Lage, die anfallenden Kosten bei Pflegebedürftigkeit vollständig aus eigenen Mitteln zu bestreiten, bestätigt Achim Sing, Pressesprecher des Bayerischen Städtetags. Viele Menschen, die auf vollstationäre Pflege angewiesen sind, würden derzeit von Sozialhilfe abhängig. Doch wer sein ganzes Leben lang gearbeitet und viele Jahre Beiträge in die Pflegeversicherung gezahlt hat, sollte sich darauf verlassen können, dass er im Alter abgesichert ist, meint Sing.
Auch der Bayerische Städtetag fordert, Eigenanteile zu begrenzen, um zu verhindern, dass Pflegekosten die gesamten Ersparnisse und das Einkommen auffressen. Es brauche außerdem eine auskömmliche Investitionsförderung von stationären Pflegeeinrichtungen und ambulanten Diensten.
Fünf-Punkte-Plan des VdK
Der VdK Bayern tüftele einen Fünf-Punkte-Plan zur Reduzierung der Eigenanteile aus. Der sieht im Kern eine einzige Pflegeversicherung für alle vor – egal, ob es sich um Angestellte oder Beamte, Abgeordnete oder Selbstständige handelt. Versicherungsfremde Leistungen, etwa die Kosten der Rentenversicherung für pflegende Angehörige, dürften nicht mehr aus dem Topf der Pflegeversicherung bezahlt werden.
„Zudem ist nicht einzusehen, dass die Ausbildungszulage immer noch bei den Betroffenen landet“, sagt VdK-Sprecherin Anja Karatas. Nachdem die Heimbewohner*innen bereits Miete zahlten, sollten sie nicht zusätzlich noch für „Investitionskosten“ aufkommen müssen: „Die sind in manchen Fällen noch mal genauso hoch oder sogar noch höher als die eigentliche Miete.“ Investitionskosten sollten komplett von den Bundesländern finanziert werden.
Wie viele Menschen in Bayern aktuell auf stationäre Pflege angewiesen sind, kann das bayerische Pflegeministerium nicht sagen. Die Pflegestatistik ist noch auf dem Stand von Ende 2021. Vor drei Jahren gab es ziemlich genau 110.000 Heimbewohner*innen. Voraussichtlich Ende dieses Jahres wird laut Pflegeministerium die Statistik für 2023 vorliegen.
Der Freistaat versucht dem Ministerium zufolge, Pflegebedürftige bei den Eigenanteilen zu entlasten. „So unterstützen wir mit dem Förderprogramm ,PflegeSoNah‘ seit dem Jahr 2020 Investitionen in Pflegeeinrichtungen“, erklärt ein Sprecher. Durch die Investitionskosten-Förderrichtlinie PflegeSoNah würden Träger und dadurch Bewohner deutlich entlastet.
Die von den Pflegebedürftigen in der Eigenbeteiligung zu tragenden Investitionskosten seien aktuell die niedrigsten im Vergleich der westdeutschen Länder. Vom Bund fordert das Pflegeministerium „eine generationengerechte Finanz- und Strukturreform der Pflegeversicherung“. So seien Pflegebedürftige von den Kosten der Ausbildung zu entlasten. Die Ausbildung, wünscht man sich, müsse stattdessen aus Steuermitteln finanziert werden. (Pat Christ)
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