Politik

Koalitionsvertrag unterschrieben, Kanzlerwahl geschafft, Ministerien besetzt: Kanzler Friedrich Merz und Vizekanzler Lars Klingbeil. (Foto: dpa/Kappeler)

09.05.2025

Mit vereinten Kräften

In die neue Bundesregierung wurden auch Leute von außen berufen – so etwas funktioniert nur selten. Warum ist das so?

Die Kanzlerwahl ist geschafft, jetzt geht’s ans Regieren. Dabei dürfen für die CDU auch Politikfremde mitmischen: Ceconomy-Chef Karsten Wildberger als Digitalminister und Verleger Wolfram Weimer als Kulturstaatsminister. Bislang haben Externe nur selten reüssiert. Ein Überblick.

CSU-Chef Markus Söder war bei seiner Nominierung eines externen Kandidaten sogar noch ein Stück weiter gegangen als Merz bei der Berufung seiner designierten Ministerinnen und Minister. Auf den Präsidenten des Bayerischen Bauernverbandes, Günther Felßner, dem er das Agrarministerium versprochen hatte, baute Söder gar Teile seines Wahlkampfs auf. Doch kurz vor der Wahl zog Felßner zurück, nachdem Tierschutzaktivisten auf seinen Bauernhof eingedrungen waren und dort mit dem Abbrennen von Pyrotechnik auf dem Stalldach die Familie verschreckt hatten. Felßner machte allein diese Aktion für seinen Rückzug verantwortlich, aus der CSU war aber auch zu hören, dass der parteiinterne Rückhalt für die Außenbesetzung nicht übermäßig ausgeprägt gewesen sei und Felßner auf dem Berliner Polit-Parkett etwas „gefremdelt“ habe.

Offenbar ist eine gewisse Politiknähe Grundvoraussetzung dafür, dass eine Kabinettskarriere auch ohne vorheriges Mandat im entsprechenden Bundes- oder Landesparlament die Chance auf Erfolg hat.

Der CSU-Ehrenvorsitzende Erwin Huber hat einige erlebt, die aus der Wirtschaft in die Politik wechselten. Er bilanziert: „Die Entscheidungsabläufe sind in beiden Bereichen stark unterschiedlich, mit der Folge von längeren Einarbeitungszeiten und speziellen Risiken.“ Es gebe bei einem solchen Systemwechsel zwar „Informations- und Erfahrungsgewinne“, jedoch auch „zeitraubende und konfliktträchtige Anpassungsreaktionen“, sagt Huber der Staatszeitung.

Prominenteste Seiteneinsteiger

Zu den prominentesten Seiteneinsteigern auf Bundesebene zählt Ex-Arbeitsminister Walter Riester, den der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) im Jahr 1998 aus seinen Führungspositionen bei der IG Metall an seine Seite holte. Riester war da immerhin schon Mitglied im SPD-Bundesvorstand. Mit der Riester-Rente hat der Schwabe dann einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen. Auch Schröders zweite Außenbesetzung, die Ernennung von Julian Nida-Rümelin zum Kulturstaatsminister, funktionierte damals. Der Münchner Philosophieprofessor hatte eine Vorbildung als Kulturreferent der Landeshauptstadt und galt als enger Vertrauter des damaligen OB Christian Ude (SPD).

Auch in Bayern gab es immer wieder Außenbesetzungen. Ein Glücksfall für Bayern war Hans Maier, der an der Universität München als Politikprofessor gewirkt hatte, bevor der damalige Ministerpräsident Alfons Goppel (CSU) ihn zum Minister für Wissenschaft und Kunst berief. Maier blieb immerhin 16 Jahre im Amt – von 1970 bis 1986 – und verschaffte sich in dieser Zeit parteiübergreifende Wertschätzung. Zum Zeitpunkt seiner Berufung war Maier nicht mal CSU-Mitglied, er holte das drei Jahre später nach. Als Professor verlieh er der CSU damals einen intellektuellen Touch, den die Partei durchaus nötig hatte.

In seinen Memoiren schreibt Maier, dass dem damaligen CSU-Vorsitzenden Franz Josef Strauß „die Öffnung der CSU für die ihr eher abholden Wissenschaftler, Intellektuellen und Künstler wichtig war“. Ab 1976 gehörte Maier als Abgeordneter dann auch dem Landtag an. Seine Begründung: „Mir war klar, dass man in der Parteiendemokratie auf die Dauer nicht in der Splendid Isolation des Parteilosen verharren konnte.“

Abschied nach einem Streit

Maiers Abschied aus der Politik erfolgte nach einem Streit mit dem damaligen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß. Maier konnte sich derlei Differenzen leisten, als Wissenschaftler war er unabhängig. Er wirkte anschließend als Professor für Christliche Weltanschauung, Religions- und Kulturtheorie an der Uni München.

Gut möglich, dass FJS den Weggang bedauerte. „Wenn Leute wie Maier weg sind“, hatte Strauß einmal einem Spitzenbeamten anvertraut, „ist die CSU wieder eine Bierdimpflpartei.“

Grandios als Ministerin gescheitert ist dagegen die Münchner Professorin Marion Kiechle. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatte es für einen Coup gehalten, die renommierte Wissenschaftlerin in sein Team zu holen. Kiechle war damals deutschlandweit die erste Frau auf einem Gynäkologielehrstuhl. Sie selbst gab sich überzeugt, der Aufgabe als Wissenschaftsministerin gewachsen zu sein. Schließlich habe sie als Klinkchefin bereits eine „Topmanagement-Position“ ausgefüllt, betonte sie. Es kam anders. Sie blieb nur sieben Monate im Amt. In dieser Zeit trat sie in zahlreiche Fettnäpfchen, die man als Politneuling gar nicht wahrnimmt, wurde nie mit der Fraktion warm, stolperte über ungeschickte Sätze im laufenden Landtagswahlkampf. Nach der Wahl wurde Kiechle nicht mehr als Ministerin berufen und kehrte als Professorin an die TU München zurück.

Außenbesetzungen aus den Parlamenten

Außenbesetzungen in Bayern stammten aus gutem Grund zumeist nicht aus der Wirtschaft, sondern aus anderen Parlamenten. Vor allem Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) hatte ein gewisses Faible dafür. 1993 holte er Reinhold Bocklet aus dem Europaparlament an die Spitze des bayerischen Agrarministeriums. Bocklet war zwar kein Landwirt, sondern Jurist, hatte sich in 14 Brüsseler Jahren aber genügend Expertise in Agrarpolitik angeeignet und war sogar Vorsitzender des CSU-Agrararbeitskreises. Für Bocklet sollte sich der Wechsel in die Landespolitik lohnen. Er wurde später Bundes- und Europaminister. Nach dem Ausscheiden aus dem Kabinett fungierte er noch zehn Jahre als Landtagsvizepräsident.

Zu den von Stoiber an Land gezogenen Seiteneinsteigern gehörte 1998 der damalige Kronacher Landrat Werner Schnappauf. Er wurde Umweltminister. Neben fachlichen Gründen – Schnappaufs Lieblingsthema war die Nachhaltigkeit – war der Regionalproporz ausschlaggebend. Er scheiterte auch am Neid der Kollegen. So kämpfte er 2003 vergeblich um ein Direktmandat, schaffte den Sprung in den Landtag aber über die Liste. Immerhin hielt er sich bis 2007 im Amt, bis er als Hauptgeschäftsführer zum Bundesverband der Deutschen Industrie ging.

Weitere Außenbesetzungen Stoibers waren Emilia Müller (aus dem Europaparlament) und Beate Merk, die als Oberbürgermeisterin von Neu-Ulm amtiert hatte. Beide konnten sich geraume Zeit halten, mit der Fraktion wurde jedenfalls Müller nie warm und Merk erst spät.

Bislang letzte externe Berufung ins bayerische Kabinett war 2022 der Deggendorfer Landrat Christian Bernreiter (CSU). Er avancierte zum Bau- und Verkehrsminister. CSU-Chef Markus Söder sah in dem vor Ort beliebten Landrat mit Blick auf die Landtagswahl 2023 ein Bollwerk gegen den gerade in Niederbayern populären Freie-Wähler-Vorsitzenden Hubert Aiwanger und die im Bezirk starke AfD. Die Hoffnungen haben sich nicht erfüllt, die CSU-Verluste in Niederbayern waren gewaltig. Fachlich wirkt Bernreiter mit dem eher großstädtischen Thema Wohnungsbau und dem Desaster um die zweite S-Bahn-Stammstrecke in München überfordert. Ein Schuh, den sich in erster Linie der Personalverantwortliche Söder anziehen muss. (W. Taschner, J. Umlauft)

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