Politik

Sener Sahin, Unternehmer, zieht CSU-Bewerbung um Bürgermeisteramt zurück. (Foto: privat/dpa)

07.01.2020

Muslime bei CSU-Basis nicht erwünscht

Geboren in Bayern, aufgewachsen in Bayern, beruflich erfolgreich in Bayern und politisch engagiert. Einen besseren Kandidaten für die Kommunalwahl könnte sich die CSU eigentlich nicht erträumen. Sollte man meinen. Doch es kommt anders

Nach Protesten der CSU-Basis hat im schwäbischen Wallerstein ein deutscher Unternehmer muslimischen Glaubens seine Kandidatur für das Bürgermeisteramt zurückgezogen. Auf Anfrage bestätigte der 44-jährige Sener Sahin seine Entscheidung. "Ich muss das nicht machen. Ich mache das nur, wenn das Team an einem Strang zieht", sagte er am Samstag. Zuvor hatte die "Augsburger Allgemeine" darüber berichtet. Der CSU-Vorsitzende und bayerische Ministerpräsident Markus Söder zeigte sich am Montag enttäuscht und äußerte sein Bedauern.

Sahin machte aus seinen zwiespältigen Gefühlen keinen Hehl. "Es ist ein komisches Gefühl. Ich weiß nicht, ob ich enttäuscht oder traurig bin. Ich wollte einfach etwas bewegen", sagte er. Es sei immer wieder um seinen Glauben gegangen. Ein Muslim und die Christlich-Soziale Union passten nicht zusammen, hätten Parteimitglieder gesagt. In Bayern finden am 15. März Kommunalwahlen statt. Sahin ist parteilos und wäre bei einer Kandidatur in die CSU eingetreten.

Bayerns Ministerpräsident Söder sagte über den Rückzug des 44-Jährigen: "Ich bedauere das." Wer sich zu den Grundsätzen der CSU bekenne, der sollte auch ein guter Kandidat sein, sagte der CSU-Vorsitzende am Rande der CSU-Klausurtagung im oberbayerischen Seeon. Wer sich so engagiere, habe Respekt und Unterstützung verdient. Er habe CSU-Generalsekretär Markus Blume beauftragt, den Vorgang aufzuarbeiten.

Kritik von Theo Waigel

Auch der CSU-Ehrenvorsitzende Theo Waigel hat kein Verständnis für die Entscheidung seiner Parteifreunde im bayerischen Wallerstein. "Ich halte es für grundfalsch, einen Kandidaten wegen seines Glaubens auszuschließen, wenn er sich zu unseren Werten bekennt", sagte Waigel der "Augsburger Allgemeinen" (Dienstag). "Gerade in einer Zeit, in der ein Dialog zwischen den Weltreligionen so dringend nötig ist, darf so etwas nicht passieren", sagte Waigel. "Sogar bei den Oberammergauer Passionsspielen dürfen Muslime mitmachen, dann muss das doch in der CSU auch möglich sein."

Der CSU-Ortsvorsitzende von Wallerstein, Georg Kling, sagte, einige Kandidaten für die Gemeinderatsliste hätten mit ihrem Rückzug gedroht. Sahin sei im vergangenen Jahr gefragt worden, ob er für die CSU antreten wolle. Am kommenden Donnerstag hätte er in Wallerstein (Landkreis Donau-Ries) von der CSU nominiert werden sollen. Doch seit Bekanntgabe des Vorschlags im Dezember habe es in Teilen des Ortsverbandes scharfen Widerstand gegeben. "Wir sind auf dem Dorf und wir sind noch nicht so weit", sagte Kling schwer enttäuscht.

Noch deutlicher wurde der CSU-Bezirksvorsitzende Markus Ferber. In der "Augsburger Allgemeinen" (Dienstag) sagte er: "Sener Sahin ist ein cooler Kandidat, bestens integriert im Ort, als Unternehmer, im Sportverein - ein klassischer CSU-Kandidat eben." Die CSU sei keine Partei von Katholiken und Protestanten, sondern eine werteorientierte Partei. "Und ein Moslem kann genauso unsere Werte teilen wie ein Christ."

Sahin besitzt in Wallerstein, einer kleinen Gemeinde an der Landesgrenze zu Baden-Württemberg, einen Maschinenhandel. Er lebt schon immer in der Region, wurde im nahen Nördlingen geboren und hat türkische Wurzeln. Mit seiner aus einer christlichen Familie stammenden Frau hat er zwei Kinder.
Die CSU hat Kling zufolge nun keinen eigenen Bürgermeisterkandidaten für die Kommunalwahl. Bei der Versammlung am Donnerstag werde die Kandidatenliste für den Gemeinderat aufgestellt. Erster Bürgermeister von Wallerstein ist seit vielen Jahren Joseph Mayer von der Parteifreien Wählergruppe.
(Ulrich Kaufmann, Roland Freund, dpa)

Sener Sahin rechnet erst in 30 Jahren mit muslimischem Bürgermeister
Nach der Aufgabe seiner Bewerbung als CSU-Bürgermeisterkandidat rechnet Sener Sahin erst in Jahrzehnten mit muslimischen Bürgermeistern in ländlichen Regionen Bayerns. "Ich bin sicher, dass das hier auf dem Land noch 30 Jahre dauern wird, bis die Leute bereit sind, einen wie mich als Bürgermeister zu wählen", sagte der 44-Jährige der "Süddeutschen Zeitung" (Dienstag). Die jüngere Generation denke da aber anders.

Der parteilose Sahin wollte bei der Kommunalwahl am 15. März für die Christsozialen im schwäbischen Wallerstein (Landkreis Donau-Ries) als Rathauschef kandidieren, nach Protesten der CSU-Basis wegen der Religion des Kandidaten zog der Unternehmer aber seine Bewerbung zurück. Parteichef Markus Söder bedauerte die Entscheidung und will den Vorgang nun aufarbeiten lassen.

Sahin glaubt, dass es in einer Großstadt anders gelaufen wäre als in Schwaben auf dem Land. "Hier haben viele noch nie mit einem Moslem Kontakt gehabt." Außerdem gehe "es um dieses C in CSU", meinte er über den christlichen Hintergrund der Unionspartei. "Wenn ich bei den Grünen oder der SPD angetreten wäre, wäre es wahrscheinlich alles nicht so dramatisch."
(dpa)

Kommentare (2)

  1. Simba am 09.02.2020
    Was heißt eigentlich CSU?
    Christlich Soziale Union!
  2. Andreas Rohleder am 08.01.2020
    Wie viele christliche oder jüdische Bürgermeister gibt es gleich noch mal in der Türkei?
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