Politik

Testen soll mehr Sicherheit an den Schulen bieten. (Foto: dpa/Peter Kneffel)

23.12.2021

Nachholjagd und Teststäbchen

Im bisherigen Schuljahr konnten die bayerischen Kinder und Jugendlichen im Regelfall in ihren Klassenzimmern lernen. Doch die Folgen des Distanzunterrichts wirken fort - und das wohl noch für lange Zeit

Seit fast zwei Jahren dominiert die Corona-Pandemie das Leben und Lernen an den Schulen in Bayern. Regelmäßige Tests sind ebenso zur Gewohnheit geworden wie Maskentragen und Abstandhalten. Und doch herrscht in den Schulen alles andere als Normalität: Allzu verbreitet sind noch immer die Lernrückstände, allzu groß die psychisch-sozialen Folgen des monatelangen Distanz- und Wechselunterrichts.

"Beides ist eine große Herausforderung", räumt Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler) unmittelbar vor den am Freitag beginnenden Weihnachtsferien freimütig ein. "Es gibt Schülerinnen und Schüler, die haben schon vieles aufgeholt, aber man kann da keineswegs sagen, dass wir schon dort sind, wo wir sein wollen. Das Thema wird uns in diesem, aber auch noch im nächsten Schuljahr erhalten bleiben."

Angst vor erneuten Schulschließungen

Zugleich malt die Omikron-Variante mit ihren hohen Ansteckungsraten wieder das Schreckgespenst eines harten Lockdowns an die Wand. Und solange die Pandemie nicht überstanden ist, herrscht bei vielen die Angst vor erneuten Schulschließungen. "Für mich ist Präsenzunterricht ganz entscheidend", betont Piazolo.

Damit spricht er den meisten Beteiligten, Kindern wie Eltern wie Lehrkräften, aus der Seele. Die Sprecherin des bayerischen Elternverbands, Henrike Paede, verweist aber darauf, dass es auch auf die Art und Weise des Präsenzunterrichts ankomme. "Es hilft überhaupt nichts, Sachwissen in die Kinder zu stopfen, wenn die keinen Spaß am Lernen haben."

"Wir müssen die in die Motivation bekommen, wir müssen die in Projekte bringen, ganzheitlich, es muss auf vielen Kanälen ins Gehirn hineingehen", skizziert Paede die Erwartungen der Eltern. "Mit sozialem Miteinander, mit Spaß, mit Bewegung, mit Tun und Machen und der Erfahrung, dass ich was bewirken kann, wenn ich die Ärmel hochkrempel." Stattdessen würden an vielen Schulen sehr viele Leistungsnachweise erhoben - oft mit schlechten Noten, weil der versäumte Stoff nur im Schnelldurchgang behandelt worden sei.

Der Chef des Realschullehrerverbands, Jürgen Böhm, zeigt sich dennoch "fest davon überzeugt, dass die Qualität der Bildung in diesem Schuljahr noch erreicht wird". Dem häufig zu hörenden "Ober-Katastrophengerede" könne er sich nicht anschließen, auch wenn es bei einzelnen nach wie vor Nachholbedarf gebe. "Aber wir müssen schauen, dass die Leistungsansprüche bei den Kindern aufrechterhalten bleiben."

Ein hoher Prüfungsdruck müsse nicht sein, findet Michael Schwägerl vom bayerischen Philologenverband, einer Vertretung der Gymnasiallehrkräfte. Bei Kurzarbeiten, Lernproben und Schulaufgaben sei mehr Flexibilität nötig. "Die Leistungserhebungen müssen angeschaut werden." Auch beim Lehrplan müssten die Lehrkräfte situativ entscheiden, was sie "für die nächsten Monate, das nächste Schuljahr, für den Abschluss benötigen. Ob da die Vorgaben des Ministeriums reichen, wird sich zeigen."

"Nicht geschafft, den Kindern gerecht zu werden"

Denn das Auffangen der Rückstände jeglicher Art brauche Zeit - und eine individuelle Beschäftigung mit dem einzelnen Kind und Jugendlichen, erläutert der Verbandsvorsitzende. "Die Problematik ist aber, wer kann das leisten, wo sind die Köpfe und die Hände, die eine individuelle Unterstützung leisten können?"

In das gleiche Horn bläst auch Simone Fleischmann vom Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverband: "Wir müssen doch nach zwei Jahren Pandemie endlich erkennen, dass die Heterogenität noch größer geworden ist und wir nicht alle gleich behandeln können. Das Geld für Förderung, Differenzierung und Individualisierung hätten wir ja vielleicht noch, aber das Personal haben wir nicht."

Fleischmann zieht daher ein gänzlich gegensätzliches Fazit wie ihr Verbandskollege Böhm. "Alle miteinander haben wir es in den zwei Jahren nicht geschafft, den Kindern gerecht zu werden. Nicht weil die Kinder es nicht geschafft haben, sondern weil wir es als System nicht geschafft haben, sie aufzufangen."
(Elke Richter, dpa)

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