Politik

Die Zwölf-Apostel-Felsen im Altmühltal, Deutschlands zweitgrößtem Naturpark. (Foto: dpa)

27.04.2018

Naturzentren und andere Wohltaten

Ministerpräsident Söder hat den angekündigten dritten Nationalpark gekillt – wie geht’s jetzt weiter?

Bayern bekommt also keinen dritten Nationalpark. Ministerpräsident Markus Söder teilte kürzlich mit, der Plan sei „zurückgestellt“, und zwar „auf absehbare Zeit“ . So blieb also durchaus ein Hintertürchen offen. Doch warum dieser Schritt – wo doch eine repräsentative Umfrage des Emnid-Instituts vom März eine Zustimmung von 64 Prozent seitens der bayerischen Bevölkerung zu einem dritten Nationalpark erbrachte; unter den CSU-Wählern waren es sogar 67 Prozent.

Es war wohl am Ende eine kühle Kosten-Nutzen-Analyse von Söder im Vorfeld der Landtagswahl im Herbst dieses Jahres. Kaum jemand, der eher CSU zu wählen gedenkt, würde der Partei die Stimme verweigern, nur weil es doch keinen neuen Nationalpark gibt; Ökologie ist nun mal nicht das Kerngeschäft der Schwarzen. Umgedreht hätte eine durchgepeitschte Pro-Entscheidung in der jeweiligen Region zu massiven Verlusten führen können. Obendrein sind in knapp zwei Jahren Kommunalwahlen. Ein CSU-Bürgermeister, der sich bei einer so wichtigen Frage gegen die Bevölkerung stellt, hätte gleich sein Rathaus räumen können. Umgedreht funktioniert aber die praktische Umsetzung nicht ohne die örtlichen Kommunalpolitiker.

„Leider wächst die Begeisterung zu einem Nationalpark reziprok zur Entfernung davon“, meint bedauernd ein oberbayerischer CSU-Landtagsabgeordneter, der das Projekt eher befürwortet. Vor Ort waren die Gegner immer deutlich in der Mehrheit. Das war in der Rhön so, im Steigerwald und zuletzt auch im Landstrich entlang der Donauauen.

Der Bund Naturschutz glaubt, dass der dritte Nationalpark bald kommt

Mit Blick auf die konkreten Auswirkungen für die Menschen in den potenziellen Regionen kursierten teilweise Übertreibungen und Mutmaßungen. Dass der Tourismus zum Erliegen kommen würde beispielsweise, dass es gar Enteignungen gäbe. Sicher wäre das Recht zum Holzeinschlag – teilweise ein jahrhundertealtes Privileg in einigen Wäldern – beschränkt worden; aber doch nicht ohne entsprechende materielle Kompensation.

Die mit der Suche nach einem geeigneten Standort beauftragte frühere Umweltministerin Ulrike Scharf (CSU) wirkte bei allem ehrlichen Bemühen überfordert.

Eine gewisse Mitschuld am Scheitern kann man aber auch dem früheren Ministerpräsidenten Horst Seehofer nicht absprechen. Der hatte das Projekt, wie es seinem Wesen entspricht, etwas eruptiv gestartet. Also kühn verkündet, es werde einen drittenNationalpark geben – ohne dass überhaupt klar gewesen wäre, wo.

Zur Errichtung eines dritten Nationalparks gab es einen einstimmigen Beschluss der Staatsregierung. Was das bremsende Verhalten einiger Kabinettsmitglieder in ein merkwürdiges Licht rückt. Danach erst begann die Suche nach dem möglichen Gebiet. Die Donauauen bei Neuburg etwa waren für die gesetzliche Flächenmindestvorgabe von 100 Quadratkilometern zu klein; ein räumlich abgetrennter Teil der Isarauen hätte dann in einer Art Flickenteppich-Park die fehlenden Quadratkilometer ergänzen sollen.

Doch wie geht es jetzt weiter? Scharfs Nachfolger Marcel Huber verweist auf die neue Naturoffensive Bayern. Diese beinhalte unter anderem das geplante Bayerische Artenschutzzentrum in Augsburg und eine Stärkung der 18 Naturparks. Die drei größten sind der Naturpark Altmühltal mit knapp 3000 Quadratkilometern, der Naturpark Bayerischer Wald (nicht zu verwechseln mit dem Nationalpark) mit 2700 und der Naturpark Fränkische Schweiz-Veldensteiner Forst mit 2300 Quadratkilometern. Der kleinste ist mit 230 Quadratkilometern der Naturpark Steinwald im Fichtelgebirge. Zur bayerischen Naturoffensive zählt auch die Aufstockung der finanziellen Unterstützung beim sogenannten Vertragsnaturschutz: Er bekommt zehn Millionen Euro zusätzlich, insgesamt also 51 Millionen pro Jahr. Neue Naturparkzentren sollen entstehen – eines der ersten ist das am Riedberger Horn anstelle der umstrittenen Ski-Schaukel, weitere Naturpark-Ranger sollen eingestellt werden. In der Rhön ist ein Biodiversitätszentrum geplant, an der Donau ein begehbares Aquarium. Die Natur, versichert Umweltminister Huber, werde „von den neuen Maßnahmen massiv profitieren“.

Beim Bund Naturschutz (BN) attestiert man Marcel Huber zwar Engagement und Sachverstand – unvergessen sei sein Einsatz für das Bergwaldzentrum im Nationalpark Berchtesgaden –, zugleich herrscht aber Skepsis. „Die angekündigten Infozentren allein reichen nicht“, findet BN-Landesbeauftragter Richard Mergner. Drum herum müssten neue Naturschutzgebiete entstehen. In diesen herrschen ähnlich strenge Vorschriften wie in den Nationalparks, es gibt aber keine Mindestgröße. Im Spessart hat der BN ganz aktuell etwa 7000 Hektar Staatsforst dafür im Blick. Die Naturparks dagegen sind zwar oft noch viel größer als die Nationalparks, aber in ihnen unterliegen Landwirtschaft und Tourismus deutlich niedrigeren Beschränkungen.

Dass der dritte Nationalpark, wenn überhaupt, erst in ferner Zukunft wahr werden wird, glaubt Richard Mergner übrigens nicht – und setzt dabei auf die Landtagswahl im Oktober und einen eventuellen Verlust der absoluten Mehrheit der CSU. SPD und Grüne, so der BN-Chef, seien nämlich Unterstützer des Parks. Das stimmt. Doch FDP und FW, die im Fall des Falles wahrscheinlicheren Koalitionspartner, sehen es ähnlich kritisch wie die CSU.

Trotzdem wird der Bund Naturschutz gemeinsam mit dem Landesbund für Vogelschutz in den nächsten Monaten weiter für den Nationalpark kämpfen. „Uns gibt es seit 105 Jahren, wir haben einen langen Atem“, versichert Mergner. „Wer hätte etwa noch unter dem früheren Ministerpräsidenten Edmund Stoiber gedacht“, fragt Mergner, „dass eines Tages die grüne Gentechnik im Freistaat geächtet sein wird?“
(André Paul)

Kommentare (1)

  1. Echter Rhönfreund am 27.04.2018
    "Die Gengner waren überall in der Mehrheit!" - Nein, zumindest in der Rhön waren sie es nicht. Sie waren nur lauter!
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