Schwierig war die Situation für Hebammen schon vor Corona: zu wenig Personal, zu viel Arbeit. Viele frisch ausgebildete Hebammen reduzieren ihre Arbeitsstunden schon nach wenigen Jahren. Manche steigen auch ganz aus. Enttäuscht – wie etwa die in Bayern 2018 durchgeführte IGES-Studie belegt – von den unbefriedigenden, kräftezehrenden Arbeitsbedingungen und einer unangemessenen Bezahlung.
„Viele Hebammen kehren ihrem Job gefrustet den Rücken“, sagt Mechthild Hofner, Vorsitzende des Bayerischen Hebammen Landesverbands. Die Folge der hohen Drop-out-Rate: Versorgungsengpässe. In der Corona-Pandemie ist die Arbeitsbelastung der Hebammen weiter angestiegen. Erkrankungen und Quarantänemaßnahmen führten zu Personalausfällen, die von den Hebammenteams gestemmt werden mussten. „Die Pandemie hat die prekäre Versorgungslage allen wie ein Brennglas vor Augen geführt“, sagt Hofner.
Aussetzung der Impfpflicht verhindert das Schlimmste
Dass Ministerpräsident Markus Söder (CSU) die einrichtungsbezogene Impfpflicht aussetzen will, verhindert da vielleicht das Schlimmste. Die große Mehrheit der Hebammen sei zwar geimpft, weil viele Krankenhäuser bereits im vergangenen Sommer ihr Hausrecht genutzt hätten, um eine 2G-Regelung beim Personal durchzusetzen. Aber für einige Hebammen wäre die Einführung der Impfpflicht, so Hofner, wohl das „I-Tüpfelchen“ gewesen, endgültig den Beruf zu verlassen.
Tatsächlich liegen hinter den Hebammen zwei harte Jahre. Claudia Lowitz, freiberufliche Hebamme in München, erklärt: „Corona hat die Arbeit bis heute anspruchsvoller und schwieriger gemacht.“
Auch die schwangeren Frauen haben es nicht leicht. Denn die Corona-Auflagen erlauben werdenden Vätern den Zutritt in den Kreissaal in der Regel erst, wenn die Geburt unmittelbar bevorsteht. In den Tagen nach einer Geburt herrschen „Besuchszeiten wie in den Achtzigerjahren“, sagt Claudia Lowitz. Die Folge: „Die schwangeren Frauen wissen, dass sie viel allein sein werden; sie haben insgesamt mehr Angst vor der Geburt als früher.“ Umso wichtiger wäre da eine vertrauensvolle, engmaschige Betreuung durch die Hebammen – was nur bedingt möglich ist, wenn Notstand herrscht.
Sicher: Die Politik hat den Hebammenmangel schon vor der Corona-Krise erkannt und die Anliegen der Hebammen ernst genommen. Insgesamt war man auf einem ganz guten Weg. Den erhöhten Anforderungen an den Beruf wird inzwischen europaweit mit dem Studium der Hebammenwissenschaften entsprochen. Wer künftig Hebamme werden möchte, absolviert nun auch in Deutschland ein duales Studium. Die derzeit fünf Studienstandorte in Bayern sollen auf neun ausgebaut werden. So erreichen die Hebammen nicht nur ein hohes Kompetenzniveau, mit einem Bachelor in der Tasche können sie auch ihre Interessen besser durchsetzen. Allerdings wird die Akademisierung trotz des Tempos, das Bayern vorgelegt hat, erst in geraumer Zeit seine Wirkung entfalten.
Vom Hebammenbonus darf man sich keine magische Wirkung erwarten, aber er ist ein Zeichen der Anerkennung
Eine zweite Säule im Bemühen, den Hebammennotstand zu beenden, ist die langfristige Verbesserung der Arbeits- und Rahmenbedingungen. Dazu hat der 2019 in Bayern initiierte Runde Tisch Geburtshilfe ein Aktionsprogramm zur Sicherstellung der Hebammenversorgung aufgelegt.
Hebammen, die neu in die Freiberuflichkeit einsteigen, erhalten seither eine Niederlassungsprämie, die den Ersteinstieg erleichtern beziehungsweise die Hebammen ermuntern soll, nach einer beruflichen Pause wieder in den Job zurückzukehren. Zielführend ist auch der Aufbau von Koordinierungsstellen, die in den Kommunen Angebot und Nachfrage verwalten. Das macht Einsätze für Hebammen planbarer und sichert zugleich die dringend nötige Unterstützung für schwangere Frauen und ihre Familien. Jede Hebamme, die mindestens vier Geburten pro Jahr betreut, erhält außerdem einen Hebammenbonus von über 1000 Euro aus dem Fördertopf. Davon darf man sich zwar keine magische Wirkung versprechen, aber ein Zeichen der Anerkennung und Wertschätzung ist es doch.
Allesamt gute Ansätze also. Hofners Bilanz nach zwei Jahren: „Weil die Pandemie die Situation insgesamt verschärft hat, haben diese Maßnahmen den Status quo gehalten. Ohne Förderprogramme hätte sich die Hebammenversorgung eklatant verschlechtert.“
Die Hebammen sind allerdings auch überzeugt: „Erst wenn auf Bundesebene die Voraussetzungen für eine flächendeckende Eins-zu-eins-Betreuung geschaffen werden und sich die Arbeitsbedingungen insgesamt verbessern, wird sich die Versorgungsnotlage langfristig ändern.“
Auch eine angemessenere Bezahlung gehört unbedingt dazu. Claudia Lowitz hat gerade die Betreuung einer Frau ablehnen müssen, die am Stadtrand lebt. „Zweimal eine halbe Stunde unbezahlt unterwegs zu sein, kann ich mir nicht leisten.“ Gerade hat ihre Tochter in Hamburg ihr Duales Studium der Hebammenwissenschaften aufgenommen. Freut sie das als Mutter? „Jein!“, sagt Claudia Lowitz. „Der Beruf ist natürlich toll. Aber diesem Mangel beitreten – muss das sein?“
(Monika Goetsch)
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