Politik

Hoffentlich schert niemand spontan aus ... Radeln in Innenstädten ist nicht ungefährlich. (Foto: AFDC/Gerhard Westrich)

05.02.2021

Nur für Mutige

Radeln soll attraktiver werden – doch es hakt an vielen Stellen

Überdachte Radwege, das wär’s doch! Kein Schneematsch auf der Fahrbahn. Und auch kein Rollsplit, wenn es wieder taut. Die TU München forscht bereits an Radröhren, die Menschen bei Wind und Wetter trocken an ihr Ziel bringen. Doch so schön diese Vision ist, so fern ist sie noch. Denn das Hauptmanko in Bayern ist längst nicht ein Mangel an Komfort, es ist immer noch die fehlende Sicherheit.

In den Städten ist wenig Platz, die Radwege sind oft holprig und schmal. Den Verteilungskampf zwischen Fahrrad- und Autoverkehr muss die Politik lösen, fordert Verkehrsforscher Klaus Bogenberger von der TU München. Auf dem Land gibt es oft gar keine Radwege – 54 Prozent der Bundesstraßen und 72 Prozent der Staatsstraßen in Bayern haben keine Radlspur, rechnet der Allgemeine Deutsche Fahrradclub ADFC vor. „Es darf aber nicht sein, dass Radfahren nur für Mutige möglich ist“, erklärte Ulrich Syberg, ADFC-Bundesvorsitzender bei einer Anhörung im Verkehrsausschuss des Landtags. Fachleute und Abgeordnete diskutierten dort, wie man den Radverkehr in Bayern attraktiver machen könnte.

Die Staatsregierung hat bereits 2017 ein ehrgeiziges Ziel ausgegeben: Bis 2025 soll sich der Anteil des Radverkehrs in Bayern auf 20 Prozent verdoppeln. Dazu fördert Bayern mit rund 200 Millionen Euro den Bau neuer Radwege und unterstützt Kommunen bei der Errichtung von Fahrradabstellanlagen an Bahnhöfen. Auch der Bund stellt Fördertöpfe bereit. Neu ist das Programm „Stadt und Land“, das bis 2023 maximal 657 Millionen Euro für den Ausbau der Radverkehrsinfrastruktur in Deutschland bereithält. Rund 95 Millionen Euro davon erhält der Freistaat.

Den Autos Platz wegnehmen

Und doch geht aus Sicht der meisten Experten alles viel zu langsam. „In den vergangenen vier Jahren ist der Radverkehrsanteil kaum gestiegen“, erklärt Bernadette Felsch, Vorsitzende des ADFC Bayern. Selbst bei Prestigeprojekten wie den Schnellradwegen hakt es. Vor acht Jahren hatte der damalige Verkehrsminister Joachim Herrmann (CSU) bereits den ersten Radschnellweg angekündigt. „Bis heute gibt es nur Machbarkeitsstudien, so Felsch. Andere Bundesländer sind weiter: Baden-Württemberg gab 2019 den ersten Radschnellweg für den Verkehr frei.

Am Geld allein hängt’s nicht, dass vieles nur schleppend vorangeht. Es fehlt vor allem an Fachleuten, die Kommunen bei der Realisierung geeigneter Maßnahmen zur Förderung des Radverkehrs unterstützen, so Felsch. Das beginne schon bei der Beantragung von Geldern. „Die Fördermittelkulisse ist sehr unübersichtlich“, klagt Sarah Guttenberger, Geschäftsführerin der Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundliche Kommunen in Bayern (AGFK), in der 83 Kommunen vernetzt sind. Cornelia Hesse, beim Bayerischen Gemeindetag zuständig für Verkehr, fordert staatliche Kompetenzzentren auf Landkreis- oder Bezirksebene. Diese sollten auch für Radwege zuständig sein, die über Gemeindegrenzen hinweg gebaut werden. Hesse klagt, dass die Kommunen beim Thema Radwegebau häufig die Versäumnisse des Staates auffingen – fehlende Radlspuren neben Staatsstraßen etwa.

Bei den Abgeordneten kommt die Idee von Kompetenzzentren parteiübergreifend gut an. Auch beim CSU-Mann Martin Wagle. Im Haus von Verkehrsministerin Kerstin Schreyer (CSU) zeigt man sich allerdings weniger begeistert. Die Kommunen würden bereits bei der Bewilligung von Förderanträgen unterstützt, heißt es auf BSZ-Nachfrage. Mehr Beratung brauche es nicht.

Doch mit dem Bau von neuen Radverkehrsanlagen allein ist es nicht getan. Mit Blick auf die Verkehrssicherheit, würden „massig Fehler gemacht“, klagt Siegfried Brockmann, Leiter der Unfallforschung im Verband der Deutschen Versicherungswirtschaft. Wenn man beispielsweise Radfahrstreifen auf Fahrbahnen plane, müsse man auch so mutig sein, die Parkinfrastruktur anzupassen, fordert er. Denn unachtsam geöffnete Türen parkender Autos könnten Unfälle verursachen. Brockmann: „Dooring-Unfälle sind schon zur Unfallursache Nummer zwei bei Radunfällen aufgestiegen.

Die bittere Wahrheit sei, dass man Autos zugunsten von Fahrrädern Platz wegnehmen müsse, erklärt Dankmar Alrutz, Verkehrsforscher aus Hannover. Denn nur so könne man den Radverkehr „gleichrangig“ zum Autoverkehr etablieren. Dass das Auto im Mittelpunkt der Verkehrspolitik steht, müsse sich endlich ändern.

Eine Idee, Autos aus der Stadt zu verbannen, hat Markus Büchler, verkehrspolitischer Sprecher der Landtags-Grünen, die die Anhörung initiiert haben. In Städten wie München oder Nürnberg kostet der Ausweis fürs Anwohnerparken im Jahr 30 Euro. „Das ist lächerlich wenig“, sagt er. „In der Fahrradstadt Stockholm kostet er 900 Euro.“
(Angelika Kahl)

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