Politik

In Bayern gibt es 130 staatliche Kantinen. (Symbolfoto: dpa/Caroline Seidel)

24.01.2020

Ökonudeln für alle

Bis 2025 müssen staatliche Kantinen in Bayern 50 Prozent Bio-Regio-Speisen anbieten – ein ambitioniertes Ziel

Das Schreiben einer Speisekarte kann manchmal ganz schön kompliziert sein. Zum Beispiel bei diesem Gericht, das kürzlich im Kasino des bayerischen Landwirtschaftsministeriums angeboten wurde: „Bio-Schweine-Bio-Bayern-Dunkelbier-Braten mit Bayerisch Kraut und Bio-Bayern-Kartoffelknödel“. Sandra Benke, Geschäftsführerin des Caterers VC Vollwertkost, der die Kantine des Ministeriums betreibt, seufzt ein wenig, als sie davon erzählt: „Wenn Sie das alles korrekt formulieren wollen, klingt das schon sehr holprig.“ Denn bio ist nicht gleich bio – wegen der unterschiedlichen Siegel. Der bayerische Landwirt, von dem Benke das Schweinefleisch bezieht, ist zwar biozertifiziert, aber nicht mit dem bayerischen Bio-Siegel wie der Hersteller des Kartoffelknödels und die Brauerei, die das Bier für die Soße liefert.

Viele der 800 Gäste, die im Kasino des Landwirtschaftsministeriums täglich zu Mittag essen, dürften solche Feinheiten nicht sonderlich interessieren. Für Benke spielen solche Unterschiede jedoch eine große Rolle. Das hängt auch mit einer Entscheidung der bayerischen Staatsregierung zusammen. Sie beschloss letzte Woche, dass bis zum Jahr 2025 in allen staatlichen Kantinen ein Warenanteil von mindestens 50 Prozent aus regionaler oder biologischer Erzeugung angeboten wird. Also Produkte, die entweder das Siegel „Geprüfte Qualität – Bayern“ oder das bayerische Bio-Siegel tragen. Im zweiten Schritt sollen kommunale und andere öffentliche Träger mit ihren Kindergärten und Schulen folgen. Ziel sei es, bis zum Jahr 2030 einen Regio- beziehungsweise Öko-Anteil von 50 Prozent in allen öffentlichen Kantinen in Bayern zu erreichen.

Damit will die Staatsregierung die Nachfrage nach Lebensmitteln stärken, die in Bayern erzeugt wurden – vor allem diejenige nach Bio-Lebensmitteln. Hintergrund dafür ist das Volksbegehren zur Artenvielfalt, das im vergangenen Jahr 1,8 Millionen Menschen in Bayern unterschrieben haben. Daraufhin verabschiedete der Landtag eine entsprechende Änderung des Bayerischen Naturschutzgesetzes. Eines der Ziele nun: die Verdreifachung des Öko-Landbaus in Bayern von derzeit elf auf 30 Prozent im Jahr 2030.

Ein ehrgeiziges Vorhaben. Um das zu erreichen, hat die Staatsregierung unter anderem die öffentlichen Kantinen in den Fokus genommen. Aus gutem Grund: Mit insgesamt rund 1,8 Millionen Essensgästen pro Tag hat die Gemeinschaftsverpflegung in Bayern hohe Bedeutung für die landwirtschaftliche Produktion. Dazu zählen auch die rund 130 staatlichen Kantinen, in denen nach Angaben des Landwirtschaftsministeriums täglich etwa 30 000 Mahlzeiten über die Theken wandern. Wie hoch der Prozentsatz an regionalen Lebensmitteln dort ist, sei bisher noch nicht exakt erfasst, räumt ein Ministeriumssprecher ein. Und der Anteil ökologischer Produkte schwanke sehr stark: „In den Kantinen der Ministerien liegt er in der Regel bei zehn Prozent.“

Bei der Regierung von Oberbayern sieht man in dem Beschluss der Staatsregierung kein Problem. Die Produkte in der Kantine kämen „aktuell zu 80 Prozent aus regionaler Erzeugung“, teilt eine Sprecherin mit. Auch in der Landtagsgaststätte des Maximilianeums zeigt man sich gelassen. Im Grunde praktiziere man das ohnehin schon, sagt Geschäftsführerin Eva-Maria Mühlegg: „Wir sehen uns als Aushängeschild bayerischer Regionen, und die regionale Küche ist in unserem Gastronomievertrag verankert. Für uns ist es wichtig, regional einzukaufen.“ Wie hoch der Anteil von Waren aus regionaler beziehungsweise ökologischer Produktion in der Landtagsgaststätte insgesamt ist, habe sie noch nie genau überprüft, sagt Mühlegg: „Aus dem Bauch heraus würde ich aber sagen, dass wir die Vorgaben bereits jetzt erfüllen.“

Kantinenessen wird dadurch natürlich teurer

Schwieriger ist es ausgerechnet für die Kantinenbetreiber, die bereits jetzt zahlreiche Bio-Lebensmittel verwenden. Das wiederum hängt mit den unterschiedlichen Zertifizierungen zusammen. VC Vollwertkost sei zwar der erste und bisher einzige Caterer im Freistaat, der sich mit dem 2015 eingeführten bayerischen Bio-Siegel schmücken kann, betont Benke. Das Problem sei allerdings, Lieferanten zu finden, die diese Zertifizierung ebenfalls vorweisen können. Denn sie sei mit zusätzlichem zeitlichen und vor allem finanziellen Aufwand verbunden: „Bio-Bauern sehen oft keinen Sinn darin, auch deshalb, weil sie dafür keinen Cent mehr kriegen.“ Wie der Lieferant des anfangs erwähnten Schweinebratens. Die Folge: Streng genommen darf sie dieses Fleisch nicht in den Anteil an Bio- und Regio-Waren einbeziehen.

Bei anderen Öko-Lebensmitteln beobachtet sie ähnliche Schwierigkeiten. Vor allem deshalb, weil das bayerische Bio-Siegel mit strengen Auflagen verbunden ist. So müssen alle Produktrohstoffe aus dem Freistaat stammen. Aber: „Sie finden keine bayerische Bio-Molkerei, die nur Bio-Milch aus Bayern hat, und keine Mühle, die nur Bio-Mehl aus Bayern anbietet.“ Und kleine Anbieter könnten meist nicht die Mengen liefern, die sie brauche. Derzeit, sagt Benke, habe sie gerade mal fünf Lebensmittel, die das Öko-Siegel des Freistaats vorweisen können: Kartoffeln, Zwiebeln, Karotten, Rapsöl – und Bier.

 Ist die 50-Prozent-Vorgabe bis zum Jahr 2025 überhaupt zu erreichen? Gisela Sengl, agrarpolitische Sprecherin der Grünen im Bayerischen Landtag, ist skeptisch, vor allem im Hinblick auf die Bio-Lebensmittel: „Man galoppiert voran, ohne dass die Produktion mitkommt. Man muss die Sachen besser durchdenken.“ Vielleicht könne ja der Staat die Kosten für die Zertifizierung mit dem bayerischen Bio-Siegel übernehmen, um mehr Öko-Landwirte dafür zu gewinnen, schlägt sie vor. Auch Benke spricht von einem „langen, steinigen Weg“, der noch vor ihr liege: „Es ist ein tolles Ziel, aber noch nicht ganz zu Ende gedacht.“

Denn da ist auch noch die Kostenfrage. Bio-Lebensmittel sind schließlich meist teurer als solche aus konventioneller Produktion. Nach den Vorstellungen des Landwirtschaftsministeriums sollen das die Kantinengäste bezahlen. Benke ist daher skeptisch: „Man muss das vorsichtig und überlegt machen, damit man niemanden verprellt.“ (Brigitte Degelmann)

Kommentare (0)

Es sind noch keine Kommentare vorhanden!
Die Frage der Woche

Sollen Schwangerschaftsabbrüche entkriminalisiert werden?

Unser Pro und Contra jede Woche neu
Diskutieren Sie mit!

Die Frage der Woche – Archiv
Vergabeplattform
Vergabeplattform

Staatsanzeiger eServices
die Vergabeplattform für öffentliche
Ausschreibungen und Aufträge Ausschreiber Bewerber

Jahresbeilage 2023

Nächster Erscheinungstermin:
29. November 2024

Weitere Infos unter Tel. 089 / 29 01 42 54 /56
oder
per Mail an anzeigen@bsz.de

Download der aktuellen Ausgabe vom 24.11.2023 (PDF, 19 MB)

E-Paper
Unser Bayern

Die kunst- und kulturhistorische Beilage der Bayerischen Staatszeitung

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.