Politik

Günstig zu tanken, wird im kommenden Jahr noch mehr zur Herausforderung. (Foto: Schweinfurth)

27.10.2023

Österreich zahlt den Klimabonus – Deutschland wartet

Im kommenden Jahr wird der CO2-Preis steigen und Menschen sowie Wirtschaft belasten – dafür sollte es eigentlich ein Klimageld geben – wo bleibt das?

Viele Menschen in Deutschland haben wachsende Geldsorgen. Sie sehen sich angesichts der hohen Inflation überall zum Verzicht gezwungen und treten beim Konsum auf die Bremse. Bei den Energiepreisen droht ihnen im neuen Jahr der nächste Hammer. Denn der CO2-Preis soll Anfang 2024 von 30 Euro pro Tonne CO2 auf 40 Euro je Tonne CO2 ansteigen. Das bedeutet zum Beispiel, dass sich der Preis für Erdgas von 0,55 Cent pro Kilowattstunde auf 0,73 Cent je Kilowattstunde verteuert. Ein Musterhaushalt mit einem Verbrauch von 20.000 Kilowattstunden Erdgas muss statt wie bisher 110 Euro dann 146 Euro für den CO2-Preis zahlen, rechnet der Verbraucherzentrale Bundesverband vor.

Beim Tanken sieht es nicht besser aus. Allein der Preis je Liter Benzin steigt damit um weitere rund 3 Cent, das sind bei 15.000 Jahreskilometern und 7 Liter Durchschnittsverbrauch rund 32 Euro. Als Flächenland ist Bayern davon besonders betroffen.

Steuererhöhung zulasten von sozial Schwächeren

„Von diesen Kostensteigerungen sind insbesondere sozial schwächer gestellte Bürgerinnen und Bürger betroffen, die sich eben kein E-Auto, keine Neubauwohnung mit CO2-neutraler Heizung oder eine aufwendige Sanierung leisten können. Ein CO2-Preis nach Kassenlage ist keine Klimapolitik, sondern eine Steuererhöhung zulasten gerade von sozial Schwächeren und kleinen Unternehmen und Handwerksbetrieben“, sagt Thomas Huber (CSU), stellvertretender Vorsitzender des Sozialausschusses im Bayerischen Landtag. Er kritisiert, dass dadurch massiver Schaden für Wirtschaft und Verbraucher*innen entsteht und das Instrument der CO2-Bepreisung diskreditiert wird. „Damit ist dem Klimaschutz nicht geholfen, sondern ganz im Gegenteil, es stärkt die Ressentiments gegen Klimaschutzpolitik und stärkt die extremen Ränder, die Klimaschutzmaßnahmen grundsätzlich ablehnen“, so Huber.

Das Mindeste, was die Bundesregierung tun könnte, wäre die Auszahlung des im Koalitionsvertrag der Ampel versprochenen Klimagelds. Bis heute liegen hierzu aber keinerlei Eckdaten und Umsetzungsschritte vor.

Ganz im Gegensatz zum Nachbarn Österreich: Dort gibt es den sogenannten Klimabonus. Diesen erhalten alle in Österreich lebenden Menschen. Das Geld kommt aus den Einnahmen des CO2-Preises, der im Oktober 2022 eingeführt wurde. Ob man in der Alpenrepublik 110 Euro, 150 Euro, 185 Euro oder 220 Euro Klimabonus bekommt, hängt vom Hauptwohnsitz und der örtlichen Infrastruktur ab. In städtischen Zentren mit sehr guter Ausstattung an öffentlichen Verkehrsmitteln gibt es weniger als auf dem Land, wo es nur eine grundlegende Ausstattung mit öffentlichen Verkehrsmitteln gibt. Kinder bekommen die Hälfte und mobilitätseingeschränkte Personen immer 220 Euro Klimabonus.

Pro-Kopf-Pauschale zahlen

So ähnlich will das der Verbraucherzentrale Bundesverband auch für Deutschland. Er fordert seit Jahren, dass die von den privaten Haushalten seit 2021 gezahlten Beträge für die CO2-Bepreisung auf Heiz- und Kraftstoffe vollständig mit einer Pro-Kopf-Pauschale zurückgezahlt werden müssen. „Dabei profitieren diejenigen, die wenig Gas, Öl, Benzin und Diesel verbrauchen. Umgekehrt zahlen Haushalte mit einem hohen Verbrauch drauf. Ein Teil der Einnahmen wird durch die Abschaffung der EEG-Umlage bereits rückerstattet. Für den restlichen Teil ist das Klimageld das passende Instrument“, erklärt Thomas Engelke, Leiter des Teams Energie und Bauen beim Verbraucherzentrale Bundesverband.

Dass die Bundesregierung seit zwei Jahren das Klimageld verspricht und nichts passiert, ist ein veritabler Skandal. Denn die hohen Preise für Strom und Grundnahrungsmittel fressen das Geld von Menschen, die von Grundsicherung oder Bürgergeld leben müssen, derzeit komplett auf. Gleiches gilt für ältere Menschen mit geringen Renten. Sie alle sind in teils existenzieller Not und brauchen dringend Unterstützung.

Verena Bentele, Landesvorsitzende des Sozialverbands VdK Bayern, fordert beim Bürgergeld und bei der Grundsicherung neben einer kompletten Neuberechnung der Regelsätze auch „eine sofortige Anpassung, und nicht erst im kommenden Jahr“. Nur so könnten Menschen realistisch vom Bürgergeld leben. Arme Rentnerinnen und Rentner sollten ebenso wie Pensionäre eine Inflationsprämie bekommen, verlangt Bentele. Ein Instrument wie den Klimabonus in Österreich lehnt sie als zu wenig zielgenau ab. „Eine Grundförderung mit der Gießkanne ist ungerecht und nicht ausgewogen. Ein Klimabonus sollte Geringverdiener, arme Rentnerinnen und Rentner, Familien mit wenig Geld und Pflegehaushalte berücksichtigen. Damit sie gerecht ist, muss sich die Förderung nach dem Einkommen richten“, so Bentele.

Rolle rückwärts beim Bundeswirtschaftsminister

Der CO2-Preisanstieg trifft aber auch die Wirtschaft und bedeutet in der jetzigen konjunkturell schwierigen Lage mit vielen geopolitischen Unsicherheiten eine weitere Belastung für die Unternehmen, insbesondere für den energieintensiven Mittelstand. Bertram Brossardt, Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft, plädiert dafür, dass der nationale CO2-Preis statt auf 40 Euro pro Tonne CO2 im kommenden Jahr wie einst vom Bund vorgesehen nur auf 35 Euro erhöht werden soll. „Noch höhere Energiekosten schwächen die internationale Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen“, erklärt Brossardt. Die Bundesregierung müsse „endlich handeln und Verbraucher*innen sowie Wirtschaft spürbar entlasten“.

Das Bundeswirtschaftsministerum hat mitten in der Energiekrise aus gutem Grund den Anstieg des nationalen CO2-Preises ausgesetzt. Dass es trotz der nach wie vor schwierigen Lage nun eine Rolle rückwärts geben soll, ist weder nachvollziehbar noch hilft es dem Klimaschutz.
(Ralph Schweinfurth)

 

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