Politik

App und weg: Viele Car-sharing-Fahrzeuge lassen sich bequem per App oder Chipkarte öffnen. (Foto: BSZ)

15.06.2018

Ohne eigenes Auto mobil sein

Gut für Mobilität, Klima und Parkplätze: Immer mehr Städte und Kommunen in Bayern setzen auf Carsharing

Mehr Mobilität mit weniger Autos – das funktioniert dank Carsharing. „Und das nicht alternativ, sondern ergänzend zum öffentlichen Personennahverkehr“, sagt der Ebersberger Landrat Robert Niedergesäß (CSU) der Staatszeitung. Sein im Jahr 2012 gestartetes Projekt soll zeigen, dass sich Carsharing nicht nur für große Städte, sondern auch für ländliche Regionen eignet – mit Erfolg. In keinem deutschen Landkreis gibt es mehr und aktivere Nutzer als in Ebersberg. „Carsharing schafft eine Möglichkeit, Verkehrsemissionen substanziell zu senken“, ist Niedergesäß überzeugt.

Tatsächlich zeigt eine Untersuchung des Münchner Verkehrs- und Tarifverbunds (MVV), dass Carsharing-Kunden ein Viertel weniger Auto fahren. Auch in Ebersberg hat sich die Nachfrage nach Zeitkarten-Abos unter den Nutzern signifikant erhöht. Bis 2030 soll im Landkreis jeder Bürger zwei Carsharing-Fahrzeuge in der Nähe seiner Wohnung haben. Ziel ist, dass bis dahin zehn Prozent der Führerscheinbesitzer das Angebot nutzen. Das bedeutet fünf Prozent weniger Verkehr und mindestens 2000 Autos weniger, rechnet Niedergesäß vor.

Aktuell wird in 677 deutschen Städten und Gemeinden Carsharing angeboten – 80 mehr als im Vorjahr. Die Hälfte davon hat weniger als 20 000 Einwohner. Die Nutzerzahlen haben 2018 zum ersten Mal die Zwei-Millionen-Marke geknackt. Von den insgesamt 18 000 Carsharing-Autos fahren zehn Prozent elektronisch. Damit ist der Elektroanteil hundert Mal höher als im Gesamtbestand.

Besonders beliebt sind die stationsunabhängigen Angebote, sogenanntes Free-Floating. Das bedeutet, Kunden können die Fahrzeuge wie bei Car2Go oder DriveNow überall in der Stadt ausleihen und abstellen. Doch auch die stationsbasierten Anbieter wie Flinkster oder Stattauto München konnten im Vergleich zum Vorjahr einen Kundenzuwachs von fast 18 Prozent verzeichnen. Sie kommen vor allem in kleineren Gemeinden zum Einsatz, beispielsweise an Bahnhöfen. „Letztere sind für eine flächendeckende Entwicklung von Carsharing besonders wichtig“, betont FW-Chef Hubert Aiwanger.

Ein Carsharing-Auto ersetzt 20 private Fahrzeuge

Carsharing entlastet nicht nur die Umwelt und macht Werkstattbesuche überflüssig. Laut Bundesumweltministerium ersetzt jedes Carsharing-Fahrzeug auch mindestens drei Privatautos. Der Bundesverband Carsharing (bcs) geht sogar von bis zu 20 Pkw aus. Dadurch würde pro Carsharing-Fahrzeug ein Straßenabschnitt von 99 Metern Länge freigeräumt. „Diese Flächen könnten die Kommunen nutzen, um Wohnquartiere fußgänger- und radfahrerfreundlicher zu gestalten und die Aufenthaltsqualität zu verbessern“, sagt bcs-Geschäftsführer Gunnar Nehrke. Das muss aber immer schnell gehen, bevor Autofahrer aus anderen Stadtteilen die frei gewordenen Flächen zuparken.

Von freien Parkplätzen können die meisten Städte bisher nur träumen. Um den Ausbau von stationsbasiertem Carsharing dennoch voranzutreiben, hat die Bundesregierung letztes Jahr ein Carsharing-Gesetz verabschiedet. Dieses erlaubt es Kommunen, Anbietern bestimmte Parkprivilegien wie exklusive Parkflächen oder gebührenfreies Parken einzuräumen. Das Gesetz gilt aber nur für Bundesstraßen. Obwohl schon über 100 bayerische Kommunen stationsbasiertes Carsharing anbieten, fehlt ein vergleichbares Landesgesetz. Das soll jetzt aber kommen.

Der Berichterstatter zum Gesetzentwurf der Staatsregierung, Sandro Kirchner (CSU), will neben dem Ausweisen von Stellflächen auch die Ladeinfrastruktur ausbauen. „Wir machen damit neben dem urbanen auch den ländlichen Raum attraktiver“, ist er überzeugt. Die Neuregelung dürfe die Kommunen aber nichts kosten.

Kommunen können Carsharing-Anbietern finanzielle Starthilfe geben, zum Beispiel eine Auslastungsgarantie. Der bayerische Gemeindetag würde sich freuen, wenn die Staatsregierung zusätzlich ein Förderprogramm auflegen würde, das wiederum die Kommunen unterstützt. „Carsharing entlastet die Umwelt und den Verkehr – alle Politikebenen sollten dies daher unterstützen und fördern“, sagt Gemeindetags-Direktor Wilfried Schober. Doch das bayerische Verkehrsministerium winkt ab.

„Grundsätzlich sehen wir bei Carsharing ein großes Potenzial, Privatfahrzeuge einzusparen“, heißt es aus dem Ressort von Verkehrsministerin Ilse Aigner (CSU). Für das Lösen der Parkplatznot seien aber die Städte und Kommunen selbst verantwortlich. „Deshalb gibt es jetzt für Carsharing keine staatlichen Fördermittel.“ Das Ministerium empfiehlt, Carsharing vor allem in Gebieten mit wenig öffentlichem Personennahverkehr auszubauen. Sonst würden sich gerade junge Fahrer eher in schicke BMWs statt in die U-Bahn setzen.

Die Grünen sprechen sich ebenfalls gegen ein staatliches Förderprogramm aus. „Letztendlich müssen sich alle Anbieter wirtschaftlich selbst tragen und das können sie auch“, meint deren verkehrspolitischer Sprecher Markus Ganserer. Was er aber von der Staatsregierung fordert: Dass die Behörden und Kommunen weniger Dienstwagen anschaffen und sich stattdessen wie die Regierung von Schwaben beim Carsharing beteiligen. Der Abgeordnete hat selbst vom Privat-Pkw auf Carsharing umgestellt. Laut ADAC lohnt sich das für alle, die weniger als 10 000 Kilometer im Jahr fahren.

Der Carsharing-Bundesverband fordert zumindest ein speziell für Carsharing-Anbieter zugeschnittenes Förderprogramm für Elektromobilität. Allein in Bayern bieten 43 Orte ausschließlich Elektroautos an. Auch sollten ehrenamtlich organisierte Carsharing-Vereine, die in ihren Kommunen nicht in Konkurrenz zu unternehmerischen Angeboten stehen, wieder den Status der Gemeinnützigkeit erhalten. Vor allem in Bayern tragen Ehrenamtliche zur Verbreitung in der Fläche bei.

Um zukünftig noch mehr Nutzer für Carsharing zu begeistern, wünscht sich Bernhard Roos (SPD) von den Anbietern mehr Auswahl bei den Fahrzeugen: Vom Kleinwagen bis zum Kombi mit jeweils unterschiedlicher Antriebstechnik sollte alles dabei sein – inklusive Kindersitzen, Dachboxen, Anhängern und Fahrradträgern. Bisher hat Baden-Württemberg die meisten Carsharing-Angebote. Wenn Anbieter und Kunden im Freistaat ordentlich Gas geben, könnte Bayern bald den Spitzenplatz belegen. (David Lohmann)

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