Politik

Die Ausgaben der Städte und Gemeinden bleiben auch in Corona-Zeiten hoch – etwa für den Straßenbau. (Foto: dpa/Leonhardt)

21.05.2021

"Ohne neue Schulden wird es nicht funktionieren"

Der Deggendorfer OB Christian Moser (CSU) über die Folgen der dramatischen Einnahmerückgänge im Zuge der Pandemie – und wie seine Stadt damit klarkommen will

Bayerns Städten fehlen heuer rund 1,7 Milliarden Euro an Gewerbesteuern. Im Schnitt gingen diese landesweit um mehr als ein Fünftel zurück. Doch wo sparen? Investitionen können nicht warten, die Kulturszene steht am Abgrund. Aber der Deggendorfer OB Moser hat außer neuen Schulden noch weitere Vorschläge, mit denen die Kommunen Entlastung finden können.

BSZ Herr Moser, Bayerns Städtetagsvorsitzender beklagt den massivsten Einbruch bei der Gewerbesteuer in der Nachkriegszeit. Konkret: Wie ist Ihre Stadt betroffen?
Christian Moser Bei uns sind es drei Millionen Euro, etwa 15 Prozent. Im Landesvergleich sind wir damit sogar noch etwas glimpflicher davongekommen.

BSZ Wenn weniger Geld reinkommt, muss gespart werden, und viele Bürgermeister verweisen dabei auf die freiwilligen kulturellen und sozialen Leistungen. Sie auch?
Moser Genau das ist ja das Problem: Die meisten Vereine und kulturellen Einrichtungen sind durch die Pandemie bereits so gebeutelt – wenn man da jetzt noch was einspart, dann wird sich die Situation so zuspitzen, dass deren Existenz bedroht ist.

BSZ Aber ohne zu sparen kann die Krise doch nicht überwunden werden?
Moser Die Einsparpotenziale sind ausgereizt. Bereits angefangene Investitionen, etwa im Straßenbau oder bei der Gebäudesanierung, muss man nun auch durchziehen. Das jetzt abzubrechen würde niemandem etwas bringen. Überlegen könnte man nur, dass erst geplante, aber noch nicht begonnene Investitionen weiter nach hinten verschoben werden. Aber das wird auch Auswirkungen haben, geplant sind sie ja aus Notwendigkeit.

BSZ Ließen sich die Umlagen zeitweilig reduzieren?
Moser Auch die Kreisumlage ist fix. Hier müssen die Gemeinden das zahlen, was der Landkreis für seinen Bedarf braucht. Und zwar unabhängig davon, wie sich die eigenen Steuereinnahmen entwickeln.

BSZ Neue Straßen, Schulen und Kindergärten sind unverzichtbar. Aber wie schaut es mit Schwimmbädern oder Bibliotheken aus?
Moser Auch das geht nicht. Bibliotheken beispielsweise dienen der Bildung, gerade auch von Kindern. Der langfristige Schaden, der damit angerichtet würde, wäre immens. Bei den Schwimmbädern wiederum werden die Eltern zu Recht anmerken, dass es nicht sein kann, dass die Kinder so nicht mehr schwimmen lernen.

BSZ Wären Gebührenerhöhungen eine Option?
Moser Grundsätzlich ist das eine Möglichkeit – aber nichts, was die Ausfälle bei der Gewerbesteuer kompensieren würde. Natürlich ließe sich der Kitabeitrag geringfügig erhöhen – zu stark geht aus sozialen Gründen nicht –, aber damit gleiche ich nicht annähernd die Verluste an anderer Stelle aus. Bei der Grundsteuer ließe sich eventuell auch noch etwas machen, aber auch das bringt nicht die großen Einnahmen.

BSZ Sie sehen tatsächlich keinen Bereich, der eventuell zurückstehen könnte?
Moser Bei der Dorferneuerung könnte man womöglich einiges zeitlich nach hinten schieben, so um zwei bis drei Jahre. Das Amt für ländliche Räume hat da schon einige teure Zusagen gemacht.

BSZ Und dass offene Stellen in der Verwaltung erst mal nicht besetzt werden?
Moser Auch das ginge theoretisch, der Freistaat macht das ja auch mitunter, dass offene Stellen für sechs Monate nicht besetzt werden. Aber das hat dann eben zur Folge, dass die Arbeit – beispielsweise wichtige Kontrollen oder Genehmigungen – liegen bleibt. Genehmigungen etwa werden durch neue rechtliche Vorgaben immer komplizierter. Da müssen neue Mitarbeiter auch erst mal gründlich eingearbeitet werden. Wenn das nicht geschieht, schädigt das am Ende auch wieder die Wirtschaft.

BSZ War der Lockdown nicht doch teilweise überzogen – und hätten die Kommunen das gegenüber der Staatsregierung kommunizieren müssen?
Moser Trotz allem: nein. Der Gesundheitsschutz der Menschen ist mit die wichtigste staatliche Aufgabe. Angesichts der teilweise übervollen Intensivstationen und der akuten Lebensgefahr mussten alle finanziellen Aspekte zurücktreten.

BSZ Und wo soll das fehlende Geld dann herkommen?
Moser Durch den derzeitigen Lockdown ist die finanzielle Situation der Städte und Gemeinden kaum besser als im Vorjahr. Deswegen wäre es wichtig, dass der Freistaat den Kommunen auch in diesem Jahr nochmals die Einbrüche bei der Gewerbesteuer zumindest teilweise kompensiert. Er sollte dabei aber auch die Situation der Einkommensteuer berücksichtigen, die sich – als ebenso wichtige Steuereinnahme – entgegen der Steuerschätzung aus dem November letzten Jahres nur geringfügig erholen wird.

BSZ Aber der Freistaat hat sich doch selbst bereits massiv verschuldet.
Moser Klar. Aber am Schluss ist das egal, denn irgendjemand wird die Schulden machen müssen. Viele Kommunen können es aber nicht mehr, selbst wenn sie es wollten. Die sind bereits so auf Kante genäht, dass ihnen mit einer erneuten Kreditaufnahme der Haushalt nicht mehr genehmigt werden würde. Ohne neue Schulden, egal bei wem, wird es nicht funktionieren. Allerdings sind es die Städte und Gemeinden, welche die Aufgaben des Staates vor Ort direkt gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern erfüllen. Deswegen müssen sie handlungsfähig bleiben.

BSZ In der Privatwirtschaft mussten viele Beschäftigte schon im vergangenen Jahr deutliche finanzielle Einbußen hinnehmen. Wohingegen sich das Personal im öffentlichen Dienst sogar über ein deutliches Einkommensplus freuen durfte.
Moser Das ist tatsächlich ein wichtiger Punkt. Auch in schwierigen Zeiten hatten die Beschäftigten im öffentlichen Dienst immer einen sicheren Arbeitsplatz. Und selbst wer in Kurzarbeit geschickt wurde, bekam die Einkommenseinbußen zu 95 Prozent ausgeglichen. Das sollte bei den nächsten Tarifverhandlungen schon eine Rolle spielen.
(Interview: André Paul)

Foto: Christian Moser, Oberbürgermeister von Deggendorf.

Kommentare (0)

Es sind noch keine Kommentare vorhanden!
Die Frage der Woche

Sollen Uni-Absolventen später als mit 67 in Rente gehen?

Unser Pro und Contra jede Woche neu
Diskutieren Sie mit!

Die Frage der Woche – Archiv
X
Vergabeplattform
Vergabeplattform

Staatsanzeiger eServices
die Vergabeplattform für öffentliche
Ausschreibungen und Aufträge Ausschreiber Bewerber

Jahresbeilage 2024

Nächster Erscheinungstermin:
28. November 2025

Weitere Infos unter Tel. 089 / 29 01 42 54 /56
oder
per Mail an anzeigen@bsz.de

Download der aktuellen Ausgabe vom 29.11.2024 (PDF, 19 MB)

E-Paper
Unser Bayern

Die kunst- und kulturhistorische Beilage der Bayerischen Staatszeitung

Abo Anmeldung

Passwort vergessen?

Geben Sie Ihren Benutzernamen oder Ihre E-Mail ein um Ihr Passwort zurückzusetzen. Bei Fragen wenden Sie sich bitte an: vertrieb(at)bsz.de

Zurück zum Anmeldeformular 

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.

Abo Anmeldung

Passwort vergessen?

Geben Sie Ihren Benutzernamen oder Ihre E-Mail ein um Ihr Passwort zurückzusetzen. Bei Fragen wenden Sie sich bitte an: vertrieb(at)bsz.de

Zurück zum Anmeldeformular 

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.