Politik

Strickladen-Besitzerin Sabine Bornemann mit einer lilafarbenen Wollmütze. Mit dieser Art Mützen ("Pussy Hats") protestieren Frauen weltweit gegen die Politik von Donald Trump. (Foto: Monika Skolimowska/dpa)

07.03.2017

Pinke Mützen - und sonst?

Am 8. März ist Internationaler Frauentag. Wie tickt der Zeitgeist gerade? Ein Überblick - von Donald Trump über einen Berliner Woll-Laden bis zu den Frauenbrüsten im deutschen Fernsehen

Sabine Bornemann hat mindestens viermal nachordern müssen. "Bei mir ist Pink ohne Ende!", sagt sie. Auf einmal war die Farbe in ihrem Berliner Woll-Laden knapp. Das liegt an den "pussy hats", den rosa Strickmützen mit Katzenohren, die Frauen zum Protest gegen Donald Trump tragen. Trump beschäftigt die ganze Welt, auch eine Wolle-Verkäuferin in Berlin.

Der US-Präsident ist ein bekennender Chauvi, der Sprüche darüber machte, Frauen ungebeten an die "pussy", also in den Schritt, zu fassen. Trotzdem wurde er zum mächtigsten Mann der Welt gewählt, auch mit Millionen Stimmen von Frauen - mit 52 Prozent der Stimmen weißer Wählerinnen, um genau zu sein. Was dann wiederum Millionen Frauen auf die Straße trieb. In den USA und auch einige in Berlin, Köln und München.

Trump politisiert auch Frauen, die sich sonst nicht politisch outen, sagt die Wolle-Verkäuferin Bornemann. Sind ihre Nachbestellungen von pinken Knäuel ein kleines Zeichen für eine große Bewegung, einen neuen Feminismus, den Trump nun befeuert?
Es scheint jedenfalls seit einigen Jahren immer mehr Stimmen zu geben, die zu diesem großen Label passen: Magazine wie "Edition F", das "Missy Magazine" oder die Kampagne "Pink stinks", die gegen Rollenvorgaben kämpft.

Goldener Zaunpfahl: Nominiert ist ein rosa Globus

Wer Frauen in die Rosa-Schublade steckt, sollte sich schon mal gegen einen Shitstorm wappnen. Gerade bekam eine Baumarktkette etwas Ärger, weil sie "She Sheds" bewarb - extra Damen-Hütten für den Garten. Eine Gruppe um die Netzaktivistin Anke Domscheit-Berg verlieh vergangene Woche den ersten "Goldenen Zaunpfahl", einen Negativpreis für Produkte und Kampagnen, die mit Geschlechterklischees werben. Unter den Nominierten: ein rosa Globus und Überraschungseier für Mädchen.

Alice Schwarzer, Deutschlands Ober-Feministin, spricht von der "allgegenwärtigen Existenz des Feminismus", die aber keine Bewegung im engeren Sinn mehr sei. Die Probleme der Frauen hätten zwar neue Formen, sagte sie kürzlich bei einer Podiumsrunde mit zwei "Spiegel"-Autoren, aber es seien im Grunde die alten.

In Sachen Rollenverteilung etwa ist Deutschland nach wie vor altmodisch. Der "Spiegel" stellte ein "Comeback der Hausfrau" fest. Frauen mit Kindern sind hierzulande weniger berufstätig als in vielen anderen Ländern und überdurchschnittlich mit Haushalt und Betreuung beschäftigt. Ein Grund ist der hohe Anteil von Teilzeitarbeit. So hat es gerade eine Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) beobachtet.

Gibt es ein Comback der Hausfrau?

Teilzeit und dem Mann den Rücken frei halten: Das kann Folgen für die Rente von Frauen haben. Auch, wenn Frauen alleinerziehend sind und nach der Zeit mit den Kindern nur schlecht wieder in den Beruf finden. Frauen sind in allen Altersstufen häufiger als Männer von Armut betroffen. Auch bei den Löhnen für gleiche Arbeit gibt es die hinlänglich bekannten Unterschiede, gegen die die große Koalition nun nach langem Streit ein Gesetz auf den Weg gebracht hat.

Wie tickt der Zeitgeist für Frauen am Internationalen Frauentag, dem 8. März, im Jahr 2017? Ja, Trump sei ein Weckruf und habe mit seinem "unglaublichen Sexismus und Rassismus" etwas ausgelöst. Das sagt Heike Pantelmann, Betriebswirtin und Ansprechpartnerin für Geschlechterfragen an der Freien Universität Berlin. Was Deutschland angeht, sieht Pantelmann viel "rhetorische Fassadenmalerei" - also viele schöne Worte bei wenig Bewegung. Die Familienpolitik etwa sei überhaupt nicht innovativ.

Immerhin: Für ein heute zwölf Jahre altes Mädchen sei es völlig normal, dass eine Frau Deutschland regiere. Aber sprachlich sieht Pantelmann im Deutschen noch Luft nach oben. Sie legt Wert auf die Endung "-in": Wenn die weibliche Form bei Berufen nicht genannt werde, dann werde er von Mädchen nicht als Möglichkeit wahrgenommen. "Sprache gestaltet unsere Wirklichkeit."

Das Frauenbild im TV? "In den 50ern hängengeblieben"

Auch das Fernsehen prägt, wie Frauen sich sehen und gesehen werden. Die Schauspielerin Brigitte Zeh ("Magda macht das schon") wird deutlich. Das Frauenbild im Fernsehen sei "irgendwie in den 50er Jahren hängengeblieben." Ein Muster sei "Gute Barbie, böse Barbie". Die böse Barbie verliere am Ende und habe meistens nur Macht, weil sie mit einem Mächtigen schlafe. "Die Frau darf viel seltener das Problem lösen, meistens ist sie für Emotionen und Tränen zuständig und schaut der agierenden Hauptperson sehnsüchtig hinterher."

Und dann ist da noch die Optik, sagt Zeh. "Brustnippel dürfen nicht durchschimmern, sehr wichtig ist aber das Dekolleté. Kleine Brüste werden selten in Szene gesetzt, sondern mit Hilfsmitteln maximal nach oben gequetscht." Um zu sehen, wie es um das Frauenbild bestellt sei, könne man einfach mal die Regieanweisungen der weiblichen Rollen anschauen. Häufig stehe da: "seufzt, schluchzt, unter Tränen, hinterlistig, hysterisch". Filme über intellektuelle Frauen? Selten.

Thema Brüste: Ob Frau die zeigen darf oder nicht, ist auch im Frühjahr 2017 noch nicht geklärt. Emma Watson, bekennende Kämpferin für Gleichstellung, tut es in der "Vanity Fair" - und bekommt Ärger, das sei unfeministisch.

Zurück zu Trump, den auch Millionen Frauen gewählt haben. Warum nur? Alice Schwarzer hat eine Erklärung. "Es gibt auch Frauen, die erhoffen sich was von den guten alten Zeiten." Da sei eine gewisse Attraktion, erklärt sie: "Der Patriarch, der Papa, der sagt, mach' dir keine Sorgen, ich regel das schon." Die Frauen sollten mal "ein bisschen selbstkritisch reflektieren", was zur Zeit wieder in Mode komme, findet Schwarzer - nämlich ein gewisser "Charme der Gewalt".

Die große Politik wird wohl weiter im Berliner Laden "Die Wollnerin" zu spüren sein. Die Katzenform könnte sich halten, vermutet Sabine Bornemann. Es müsse ja nicht immer die Farbe Pink sein. Die Mütze könne man auch in Schwarz tragen, so wie Madonna. "Ich mache sie jetzt in Grün." Einem Mann hat sie einen "pussy hat" allerdings noch nie verkauft. (Caroline Bock und Teresa Dapp, dpa)

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