Politik

Die 15 Preisträger und Staatssekretär Bernd Sibler (5.v.l.) bei der Verleihung in der Uni Passau. (Foto: BSZ)

28.11.2014

Podcasts statt Referate

Der Freistaat zeichnet Dozenten für ihre innovativen Lehrmethoden aus – die gefallen nicht allen Professorenkollegen

Trockene Vorträge? Schnee von gestern! Michael Folgmann vom Lehrstuhl für Pädagogik der Technischen Universität München (TUM) fordert als Leistungsnachweise keine klassischen Referate, sondern einen Audio- oder Videopodcast. Seine Studenten erhalten dafür ein Semester lang iPads, die sie sogar privat nutzen können. Damit sollen sie einen selbstständigen Umgang mit Medien und neuen Techniken lernen. Ein weiterer Clou ist das so genannte Flipped Classroom-Konzept: Dabei werden Themen von den Studierenden durch Lernmaterialien so vorbereitet, dass mehr Zeit für Austausch und Diskussion bleibt. Außerdem bietet Folgmann in einem Blog einen offenen Erfahrungsaustausch zu digitalen Lernmethoden an, führt individualisierte Lehrveranstaltungsevaluationen durch und setzt in seinen Veranstaltungen einen Schwerpunkt auf ausführliches Individualfeedback. Für seine experimentellen Unterrichtsmethoden wurde er jetzt von Wissenschaftsstaatssekretär Bernd Sibler (CSU) mit einem weiteren TUM-Kollegen und 13 anderen Dozenten von insgesamt neun bayerischen Unis mit dem „Preis für gute Lehre“ ausgezeichnet. Alle Gewinner arbeiten mit innovativen Lehrkonzepten, die Studierende beim Lernen unterstützen und zu einer spannenden Vermittlung komplizierter Lehrinhalte beitragen würden. Der Preis soll aber auch Hochschulen motivieren, sich verstärkt in der Lehre zu engagieren und signalisieren, dass sie gleichberechtigt neben Forschungsaufgaben steht. Denn während es für die Forschung Drittmittel gibt, fehlt ein Anreiz für besondere Anstrengungen in der Lehre.

Lehre hat nicht den Stellenwert der Forschung

„Lehrinhalte verständlich und motivierend den Studierenden zu vermitteln, ist eine äußerst lohnenswerte, aber auch herausfordernde Aufgabe“, betonte Sibler bei der Übergabe der mit 5000 Euro dotierten Preise in Passau. „Sie sind wertvolle Vorbilder für eine moderne Lehre, die sich an den Studierenden orientiert.“ Vorgeschlagen werden die Preisträger von Studenten, wissenschaftlichen Mitarbeitern und Professoren ihrer Heimatuni. Wie die TUM folgen dabei viele einem Rotationssystem, das jedes Jahr andere Fakultäten für Vorschläge vorsieht. Zwei weitere Preisträger kommen von der Uni Regensburg. Katerina Sichová beispielsweise wurde für ihre speziellen Kurse für Studierende mit Migrationshintergrund geehrt. Zudem betreut sie regelmäßig deutschtschechische Kooperationsprojekte, um Studierenden die Möglichkeit zu bieten, die tschechische Sprache und Kultur besser kennenzulernen. Besonders freut sie, von ihren Studenten vorgeschlagen worden zu sein: „Gute Lehre ist wie eine gute Partnerschaft“, sagt sie der Staatszeitung. „Es gehören immer zwei dazu, und beide müssen sie pflegen.“ Das Preisgeld soll jetzt ihren Fächern in Form einer Weiterbildung oder neuer Projekte zugutekommen. Klaus Gattermaier von der Uni Passau, der für seinen deutlichen Praxisbezug in seinen Seminaren ausgezeichnet wurde, spendet einen Teil des Preisgelds an eine Passauer Flüchtlingsinitiative. Dass gute Lehre nicht kompliziert sein muss, beweist Religionswissenschaftler Ulrich Berner von der Uni Bayreuth. Sein simples Erfolgsrezept: „Ich habe nie Seminarthemen wiederholt, sondern immer wieder neue angeboten.“ Höchstnoten bei der Evaluation der Lehrveranstaltungen erhielten nicht zuletzt der Wirtschaftsinformatiker Matthias Wolf von der Uni Bamberg für seinen Unterricht ohne unnötige Fachbegriffe, der Geograf Sven Grashey-Jansen von der Uni Augsburg, Rainer Thome und Christof Kerwer von der Uni Würzburg für ihre Aktivitäten außerhalb der Vorlesungszeiten sowie Jurist Hans Kudlich und Oberarzt Georg Breuer von der Uni Regensburg. Gleich drei Preisträger kann die Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) vermelden. Um das hochschuldidaktische Lehrangebot weiter zu fördern, unterstützt das Bundesforschungsministerium Hochschulen im Rahmen des Qualitätspakts Lehre. Mit dem Geld werden Nachwuchswissenschaftler bei der rund zweijährigen zertifizierten Weiterbildung „ProfiLehrePlus“ geschult, wie sie Lehrkonzepte entwerfen, Prüfungen gestalten oder Studenten beraten. Zusätzlich gibt es Trainings in den Bereichen Präsentation, Kommunikation, Evaluation und Rhetorik. Darüber hinaus werden an vielen Unis begleitete Lehrveranstaltungen, Probevorlesungen und gezieltes Mentoringprogramm angeboten. Trotz des Preises dominiert aber an vielen Hochschulen noch immer die Forschungstätigkeit. „Die akademische Lehre ist, in unterschiedlichem Ausmaß, dann eher nur im Beipack mit dabei“, erklärt Preisträger Gattermaier der BSZ. Er plädiert daher dafür, den Studenten vor dem Gang in den Hörsaal zukünftig „ein gewisses hochschuldidaktisches Grundlagenpensum abzuverlangen“. Es gehört allerdings auch Mut dazu, den Frontalunterricht durch interaktive Smartboards, Twitter-ähnliche Backchannels oder Audience-Response-Systeme wie bei der Sendung Wer wird Millionär? zu ersetzen. Obwohl das in den USA bereits seit fast 30 Jahren zum Didaktikstandard gehört, musste sich beispielsweise LMU-Biologe und Gute Lehre-Preisträger Andreas Brachmann wegen seiner modernen Lehrmethodik teilweise Kritik von Kollegen gefallen lassen. Vielleicht wissen die älteren Professoren einfach, dass sie dadurch mehr Arbeit erwartet. Denn Brachmann ist überzeugt: „Egal, welches Mittel eingesetzt wird – Lehrveranstaltungen müssen durch das Mehr an Interaktion ständig neu aufgebaut und kritisch hinterfragt werden.“ (David Lohmann)

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