Politik

Das bayerische Innenministerium prüft, ob Gutscheine oder Prepaidkarten eine bessere Alternative zu Bargeld sind. (Foto: dpa/Karmann)

06.10.2023

Prepaidkarten gegen den Pullfaktor

Markus Söder und andere fordern Sachleistungen statt Bargeld für Geflüchtete: Was bringt das, wo liegen Probleme?

Sachleistungen statt Bargeld für Flüchtlinge – diese Forderung ist derzeit in aller Munde. Die Bevölkerung zumindest fände es gut. In einer bundesweiten Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Insa im Auftrag von Bild befürworten dies 69 Prozent der Befragten, 8 Prozent sind dagegen. Die Befürworter argumentieren, dass die Umstellung auf Sachleistungen dazu beitrage, Deutschland weniger attraktiv für Zuwanderung zu machen. „Auf Dauer reduzieren wir so die Zahl der Menschen, die zu uns kommen“, sagt Karl Straub, asylpolitischer Sprecher der CSU-Landtagsfraktion.

Aber was hieße das praktisch, wie sähe die Umsetzung aus? Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) betont, dass die Bundesländer dieses Modell ja auf eigene Faust längst einführen könnten – und fragt spöttisch, warum Bayern das denn nicht schon getan habe. 

Das bayerische Innenministerium prüft jedenfalls derzeit, ob Gutscheine oder Prepaidkarten die sinnvollere Lösung sind. Letztere funktionieren nach dem Modell schon bisher vorhandener Prepaidkarten, wie man sie aus dem Alltag kennt – für Streamingdienste, Mobilfunkanbieter oder einige Lebensmittelgeschäfte. Im Hamburger Verkehrsverbund HVV wird damit seit 2022 sogar ausschließlich bezahlt, Bargeld ist in den Bussen und Straßenbahnen der Hansestadt seither komplett abgeschafft.

Die Karten für Geflüchtete sollen mit einem bestimmten Betrag aufgeladen werden – aktuell erhalten erwachsene Flüchtlinge 410 Euro im Monat für den täglichen Bedarf. Der Betrag soll dann beim Bezahlen nach und nach abgebucht werden. Einen Dispo gibt es nicht, man braucht auch kein Konto.

Grundsätzlich ist es mit einer Prepaidkarte möglich, im Ladengeschäft entweder herkömmlich mit einer Verifizierung durch PIN oder Unterschrift oder aber kontaktlos zu bezahlen. Für Letzteres müssen die Lesegeräte sogenannte NFC-Zahlungen akzeptieren. Häufig bieten Banken und Sparkassen Kartenlesegeräte für Unternehmenskunden an. Daneben gibt es spezialisierte Anbieter für Kartenzahlung. Günstige Modelle bekommt man schon ab einem Preis von 70 Euro. Der Herstellungspreis für die Karten selbst bewegt sich dagegen im Cent-Bereich.

Am sinnvollsten wäre eine bundesweite Lösung

Stark verbreitet ist diese Form der Bezahlung allerdings noch nicht in Deutschland. Nach einer Erhebung der Deutschen Bundesbank aus dem Jahr 2022 wurden nur rund 3 Prozent aller Zahlungsvorgänge im deutschen Einzelhandel über Prepaid abgewickelt.

In zwei bayerischen Landkreisen hat man diese Form der Bezahlung für Geflüchtete bereits bei der ersten großen Flüchtlingswelle ab 2015 ausprobiert: Altötting und Erding; inzwischen wurde sie jedoch in beiden Fällen eingestellt. In Altötting lag das nach Angaben von Landrat Erwin Schneider (CSU) daran, dass die Flüchtlinge nach und nach von einer zentralen in mehrere dezentrale Einrichtungen verlegt wurden. 

Doch während man mit einigen wenigen Lebensmittel- und Textilgeschäften sowie Drogerien im Umfeld der zentralen Unterbringungseinrichtung noch die Akzeptanz der sogenannten Refugee Card aushandeln konnte, sei das später nicht mehr möglich gewesen – zu viele Läden sperrten sich. In Erding wiederum hatte man sich bei der Abrechnung auf den Anbieter Wirecard verlassen. Mit dessen Konkurs musste das Projekt eingestellt werden.

Zur Wahrheit gehört aber auch: Politisch und medial wurde damals massiv gegen die bargeldlose Versorgung mobil gemacht. „Karten der Abschreckung“, schimpften etwa Flüchtlingsverbände und forderten deren Abschaffung.

Und was genau soll damit bezahlt werden? Seitens der CSU heißt es: nur Lebensmittel, Hygieneartikel, Kleidung und andere kleine Alltagsdinge wie Zeitschriften oder Tabak. Also beispielsweise kein Alkohol. „Doch bestimmte Dinge auf Produktebene auszuschließen ist bei Prepaidkarten kompliziert bis unmöglich“, warnt Stefan Hertel, Kommunikationschef beim Handelsverband Deutschland (HDE). 

Denkbar wäre nur, dass das Personal an der Kasse die betroffenen Personen im Supermarkt darauf hinweist, dass sie Bier oder Schnaps eben nicht mit der Prepaidkarte bezahlen dürfen. Die Prepaidkarten jedoch so zu gestalten, dass sie nur bei bestimmten Läden einlösbar sind, sei dagegen technisch gut möglich, versichert man beim Handelsverband. Grundsätzlich verpflichten zur Annahme dieses Systems lasse sich der Handel aber nicht, so Hertel.

Natürlich wären auch Papiergutscheine möglich. Doch lassen sich diese schlechter personalisieren und im Verlustfall kann man nur schwer nachweisen, dass dies nicht nur aus Versehen geschah. „Da stehen dann regelmäßig 100 von denen vor der Tür, sagen, sie hätten die Gutscheine verloren, und fordern neue. Das wird am Ende richtig teuer“, heißt es aus einem oberbayerischen Landratsamt.

Für Chipkarten bringt sich gerade der Prepaid Verband Deutschland in Stellung und bietet den Behörden seine Mitarbeit an. Man könnte auf Wunsch „die ganze Wertschöpfungskette von den Herausgebern von Prepaidguthaben, den Prozessoren bis zur Einbindung des Handels als Paket erstellen“, wirbt Georg Wyrwoll, Vorstandsmitglied und Bereichsleiter Politik beim Prepaid Verband. Sinnvoll sei die Lösung aber nur, wenn man es bundesweit einheitlich gestaltet, so Wyrwoll.

Bedenken, die Ausstattung der Flüchtlinge mit Karten sei für die Landratsämter ein großer logistischer Aufwand, sind nicht unbegründet. Selbst wenn man sie erst mal nur auf die abgelehnten und ausreisepflichtigen Asylbewerber*innen beschränkt, beträfe das mehr als 300 000 Menschen. (André Paul)
 

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